Bericht zum 1. DiskussionsCafé vom 19.10.2010

Am 19.10.2010 veranstaltete die AG FISCH ihr erstes Diskussions-Café in der Fachhochschule Jena. Die in regelmäßigen Abständen stattfindende Veranstaltung soll die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit interessanten, aber auch brisanten Themen der Sozialen Arbeit bieten und somit kritischen Fragen zur eigenen Profession einen Raum geben. Auf dieser Grundlage können wir gemeinsam handeln und aktiv werden. Neben Studenten der FH Jena nahmen auch SozialarbeiterInnen unterschiedlicher Berufsfelder an der Veranstaltung teil. Vor allem der Austausch zwischen StudentInnen und SozialarbeiterInnen ist ein wichtiges Ziel, das in zukünftigen Veranstaltungen auch weiterhin verfolgt werden soll.

Das Thema der ersten Veranstaltung lautete „Soziale Arbeit – Was war das, was ist das und was wird das?“

Eine der unbequemsten Fragen, bei der fast jeder Student der Sozialen Arbeit (aber auch SozialarbeiterInnen) erst einmal ins Stocken gerät, lautet „Was machst Du eigentlich?“ Die Beschreibung der eigenen Profession ist dann oft schwierig und beschränkt sich zumeist auf die Nennung von Arbeitsfeldern.

Zur Klärung der Frage was Soziale Arbeit eigentlich ist und was sie macht, setzte sich die Diskussionsrunde zunächst kritische mit den Definitionen des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit e.V. (DBSH) und der der International Federation of Social Workers (IFSW) auseinander.

Auffällig in diesem Zusammenhang erschien die Tatsache, dass Soziale Arbeit oft (nur) mit dem Begriff des Helfens verbunden, und ihre gesellschaftskritische Seite häufig ausgeblendet wird. Doch lassen sich wirklich alle Menschen helfen bzw. müssen Sozialarbeiter allen Menschen helfen, die Probleme haben? Ist Soziale Arbeit nicht eher eine Form der Unterstützung, oder vielleicht ein Zusammenspiel von Helfen und Unterstützen? Gibt es überhaupt eine abschließende Definition von Sozialer Arbeit? Wenn ja, sollen sich dann SozialarbeiterInnen ausschließlich danach richten und nur das machen was diese vorschreibt?

Hier kam es unter den Teilnehmern zu unterschiedlichen Auffassungen und Meinungen. Eine klare Definition gibt natürlich Sicherheit und erleichtert das Vertreten der Profession nach außen. Eine offene Definition fördert dagegen Kritik und lässt Interpretationsspielräume offen.

Einigkeit bei diesem Thema bestand allerdings darin, dass die Soziale Arbeit unter dem ethischen Anspruch der sozialen Gerechtigkeit steht. Sie entfaltet sich aus humanitären und demokratischen Idealen heraus und ihre Werte basieren auf dem Respekt vor der Gleichheit, Besonderheit und Würde aller Menschen. Das Postulat eine Menschenrechtsprofession zu sein, dient als Motivation und Begründung des sozialberuflichen Handelns.

Solidarisch mit denen, die benachteiligt in der Gesellschaft sind, bemüht sich die Profession soziale Teilhabe und Integration zu fördern und somit eine gelingende Lebensbewältigung ihrer Klienten zu erreichen. Gewiss bezieht sich die Soziale Arbeit nicht ausschließlich auf ihre Klienten, sondern auch auf die Veränderung sozialer Verhältnisse. Insofern tragen SozialarbeiterInnen auch zum sozialen Wandel innerhalb der Gesellschaft bei. Doch was ist wenn Individuum und Gesellschaft in Widerspruch geraten?

Durch ihr doppeltes Mandat ist die Soziale Arbeit kritischer Vermittler zwischen individuellen Lebenswelten und gesellschaftlichen Anforderungen. Sie muss unbequem sein, auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam machen und gesellschaftlichen Änderungsbedarf anmahnen.

Durch unterschiedliche Beiträge der Diskussionsteilnehmer wurde deutlich, dass sich in der Praxis bereits sehr viele negative Veränderungen ergeben haben.

Dass wir es heute mit vielen Unzulänglichkeiten im täglichen Leben zu tun haben ist jedem bewusst. Wenn z.B. ein Jugendamt nicht die geeignete und notwendige Hilfe, sondern die billigste gewährt (und am Ende der Klient selbst schuld am Misserfolg ist). Oder wenn SozialarbeiterInnen effektiv beraten müssen (was immer das auch heißen mag), um interne Statistiken und abstrakte Erfolgsziele, jenseits von Fachlichkeit und Unterstützung für den Klienten, zu erfüllen. Viele solcher Beispiele wurden während der Diskussion thematisiert und es ließen sich unzählige weitere finden.

Einstimmiger Konsens lag darin, dass das Motto „Solidarität statt Konkurrenz“ lautet. Dies darf jedoch nicht nur auf dem Papier stehen, sondern muss auch in die Praxis umgesetzt werden.

Dies führte wiederum zu neuen Fragen. Was kann man tun, wie kann man sich zur Wehr setzen?  Kann man in der Praxis überhaupt unbequem und kritisch sein?

Hier gingen die Meinungen der Teilnehmer erneut auseinander und es wurde deutlich, dass dies abhängig von den verschiedenen Arbeitsfeldern ist. Es wurden positive als auch negative Erfahrungen aus der Praxis eingebracht. Viele wollen kritisch sein, doch läuft man dadurch Gefahr gekündigt zu werden. Letztlich muss jede(r) selbst entscheiden unter welchen Bedingungen er oder sie arbeiten möchte und ob man das (oftmals wirtschaftlich geprägte) Bild des Arbeitgebers oder das der Sozialen Arbeit vertritt.

Die Teilnehmer waren sich einig, dass man nicht allein, sondern mit Hilfe anderer Kollegen tätig werden muss! Sehr hilfreich erweist sich immer auch die Einbindung der Presse und anderer Medien. Ein Jugendamt wird es sich höchstwahrscheinlich nicht leisten können negative Presse zu bekommen, wenn heraus kommt, dass alle FamilienhelferInnen ihre Arbeit niedergelegt haben, um auf eklatante Missstände und unzureichende Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen.

Es wurde auch darüber diskutiert, ob es Möglichkeiten gibt sich Unterstützer und Bündnispartner auf „höheren Ebenen“ (z.B. aus Politik, Wissenschaft, Kultur etc.) zu suchen. Ob dies jedoch immer gelingt hängt nicht nur vom Auftreten der SozialarbeiterInnen ab, sondern vor allem ob es politisch gewollt ist. Diese Frage konnte nicht abschließend beantwortet werden und wird sicherlich in folgenden Veranstaltungen noch einmal Thema sein.

Letztlich haben wir festgestellt, dass es Mittel und Wege gibt, kritisch zu sein und diese Kritik auch in die Praxis zu tragen. Dies ist ein guter Anfang und motiviert uns die Veranstaltungsreihe fortzusetzen, um für die politischen Interessen der Sozialen Arbeit zu kämpfen.

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