Prof. Dr. Polutta und sein Team- was wirkt wirklich?

AutorInnen, die mich für mein Buch inspiriert haben (Neuerscheinung: Seithe: Soziale Arbeit und Neoliberalismus heute: schwarz auf weiß | SpringerLink)
Teil 3

Prof. Dr. Polutta und sein Team,

die sich von dem Dogma der Evidenzbasierung nicht einschüchtern lassen und ganz „traditionell“ wissenschaftlich nach den Faktoren suchen, die die Wirkungen der Sozialen Arbeit zeigen, und zwar Wirkungen, wie sie sozialpädagogisch, nicht wie sie neoliberal angestrebt werden….

Es gibt nicht viele Ansätze, die versuchen, der Dominanz und angeblichen Vereinbarkeit der Neuen Steuerung mit dem professionellen Konzept Sozialer Arbeit offensiv entgegenzutreten und die Frage aufzuwerfen, ob das neoliberale Vorgehen tatsächlich eine Soziale Arbeit ermöglicht, wie sie im professionellen Konzept angestrebt wird.

Im Dschungel der Evidenzbasierungs-Dogmen fand ich folgende AutorInnen, die unbeeindruckt das erforschen, worum es im Rahmen von Wirkungsforschung Sozialer Arbeit gehen sollte:

„Polutta (2013, S. 262) stellt fest, dass die am Controlling orientierten Ansätze zwar geeignet sind, die Aktivierungslogiken wie auch Formen einer manageriellen Professionalisierung zu unterstützen, dadurch aber „die Fähigkeiten und organisatorischen Rahmenbedingungen für den Aufbau von pädagogischen Beziehungen und Arbeitsbündnissen, die als bedeutsam, ja als im eigentlichen Sinne wirksam gelten können, außer Acht gelassen“ werden.
Die Wirkfaktoren, die in dieser Untersuchung herausgefunden wurden, entsprechen im Übrigen genau dem, was z. B. in Fragen der angemessenen Interaktion zwischen SozialarbeiterIn und KlientIn das professionelle Konzept der Sozialen Arbeit ausmacht: Beziehungsarbeit, Vertrauen, klare Strukturen im Beziehungsverhältnis zwischen KlientInnen und SozialarbeiterInnen“ (Seithe 2025, S.112f).

„Polutta (2013, S. 254) beschreibt die Situation der Profession hinsichtlich der Bedeutung der neoliberalen Wirksamkeitsthematik folgendermaßen: „Sowohl öffentliche Kosten -und Leistungsträger (zum Beispiel Jugendämter) als auch Dienstleistungserbringer (zum Beispiel freie Bildungs- und Jugendhilfeträger) werden von einer Rationalität des Ausweisens von Erfolgen, Leistungen und der Legitimationspflicht über ihre Wirksamkeit und Effizienz bestimmt. Das bisherige wohlfahrtsbürokratische Organisationsmuster wird also grundlegend anders begründet und muss sich über Leistungsnachweise legitimieren. Das geht mit Professionskritik und Vertrauensverlust gegenüber professioneller Fallbearbeitung einher, die durch externe Nachweise von Ergebnissen ersetzt werden soll. … Dabei ist es ein wesentliches Merkmal, dass die Alternativen zum Modell der professionellen Problembearbeitung durch Fachkräfte der Sozialen Arbeit im Modell einer Standardisierung und Technologisierung des Handelns dieser Fachkräfte gesehen wird.“

Die Forschungsergebnisse von Albus et al. (2010), die unter der Leitung von Prof. Polutta entstanden sind und die im Rahmen einer Wirkungsforschungsuntersuchung verifiziert werden konnten, sind in doppelter Hinsicht bemerkenswert:
Zum einen belegen sie, dass der hier vollzogene Wirkungsforschungsansatz wesentlich mehr für eine Verbesserung der Praxis der Sozialen Arbeit leistet, als die neoliberalen Versuche, feste Programme für standardisierte Fallsituationen herauszuarbeiten. Hier werden vielmehr Faktoren sozialpädagogischen Verhaltens extrahiert, die in der Praxis eine Wirkung in die sozialpädagogisch erwünschte Richtung aufzeigen. Die AutorInnen (Albus et al. 2010, S. 240) kommentieren dieses Ergebnis wie folgt:

Im Gegensatz zur evidenzbasierten Praxis, die auf die programmintegere Reproduktion von sozialpädagogischen Programmen, Treatments und Interventionen mit nachgewiesener „best research evidence“ … abstellt, erschließt sich mit der Identifikation von Wirkfaktoren ein Wissen, das als Bezugspunkt fachlicher Reflexion verstanden werden kann.“ Wirkungsforschung sollte nach Meinung der AutorInnen durch Verifizierung von wirksamen Verhaltens- und Konzeptionsfaktoren Sozialer Arbeit zu einer „Erweiterung der professionellen Entscheidungsgrundlagen“ verhelfen (ebd., S. 239).

Besonders relevant für unsere Fragestellung ist das Ergebnis dieser hier geleisteten Wirkungsforschung. Als Ziele wurden im Rahmen des Forschungsansatzes für zwei Vergleichsgruppen Jugendlicher folgende Veränderungen angestrebt: eine positivere Einstellung zum Leben, zur eigenen Person und zur selbst eingeschätzten Handlungsfähigkeit sowie die Zunahme von Selbstbewusstsein und der Eindruck, über mehr Mitbestimmungsrechte zu verfügen.

Albus et al. (2010, S. 240) stellen fest: Die „fachlich-reflexiven Ziel- und Handlungskonzeptionen und die professionelle Arbeitsautonomie … (hatten) einen signifikanten Einfluss auf die Arbeitsbeziehungen. … Hingegen konnten positive Auswirkungen der oftmals standardisierten Handlungs-, Dokumentations- und Entscheidungsvorgaben oder der finanziellen Anreizsysteme im Rahmen der neu eingeführten lokalen Controlling-Verfahren empirisch im Beobachtungszeitraum nicht nachgewiesen werden.“ Ausschlaggebende Wirkfaktoren für die erreichten positiven Veränderungen in der Selbstwahrnehmung der betroffenen Jugendlichen sind einmal die zunehmende Wahrnehmung von Partizipationsangeboten sowie die positive und vertrauensvolle Beziehung zu der professionellen Fachkraft.

Zusammenfassend stellen die AutorInnen fest, dass die empirischen Befunde der vorgestellten Forschung entscheidende Anhaltspunkte dafür geben, welcher Modus professionellen Handelns die besseren Ergebnisse in Richtung auf die angestrebten sozialpädagogischen Ziele ergibt: „Es ist dies mit Blick auf die vorliegende Studie eindeutig der „reflexive Modus“ und nicht der „standardisierte Modus“ professionellen Handelns. … Die Wirkfaktoren weisen gerade auf nicht- standardisierbare, kommunikativ herzustellende Aspekte wie die Arbeitsbeziehung in der Praxis der Hilfen zur Erziehung hin“ (ebd., S. 241).

Literaturhinweise:

Albus, St./Micheel, H,-G./Polutta, A.: (2010): Empirie der Wirkungsorientierung – Perspektiven einer evidenzbasierten Professionalisierung. In: Otto, H.-U./Polutta, A./Ziegler, H. (Hrsg.): What Works – Welches Wissen braucht die Soziale Arbeit? Zum Konzept evidenzbasierter Praxis. Opladen: Barbara Budrich. S. 231ff.

Polutta, A. (2013): Wirkung und politische Steuerung. In: Bakic, J./Diebäcker, M./Hammer, E. (Hrsg.): Aktuelle Leitbegriffe der Sozialen Arbeit. Wien. Löcker. S. 252ff.

Polutta, Andreas (2014): Wirkungsorientierte Transformation der Jugendhilfe. Ein neuer Modus der Professionalisierung Sozialer Arbeit? Wiesbaden: Springer VS
Albus, St/ Micheel, H,-G./Polutta, A. (2018): Wirkung. In: Otto H.-U./Thiersch, H./Treptow, R/Ziegler, H. (Hrsg.) (2018): Handbuch Soziale Arbeit. 6. Aufl. München: Reinhardt Verlag.
S. 1825ff.

Über m.s.

Ich war 18 Jahre Professorin für Soziale Arbeit an der FH Jena (Methoden, Hilfen zur Erziehung, Schulsozialarbeit). Davor war ich 18 Jahre in der Praxis. Studiert habe ich Psychologie in Münster und Soziale Arbeit in Frankfurt a.M. Bücher: Schwarzbuch Soziale Arbeit Engaging Hilfe zur Erziehung zwischen Professionalität und Kindeswohl Das kann ich nicht mehr verantworten Ambulante Hilfe zur Erziehung und Sozialraumorientierung
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