Prof. Dr. Winkler – Er nennt die Misere beim Namen.

Autoren, die mich für mein Buch inspiriert haben (Neuerscheinung: Seithe: Soziale Arbeit und Neoliberalismus heute: schwarz auf weiß | SpringerLink)
Teil 4

Prof. Dr. Michael Winkler,


der ohne Hemmungen und ohne zu zögern rund heraus sagt, was er von der Neoliberalisierung der Sozialen Arbeit und dieser Gesellschaft insgesamt hält …

Nicht nur bei PraktikerInnen, auch bei den VertreterInnen der Disziplin, selbst bei solchen, die kritisch gegenüber der neoliberalen Transformation eingestellt sind, finden sich häufig Begriffe, Arbeitsprinzipien und Denkweisen, die einen unverkennbaren neoliberalen Hintergrund haben (Seithe 2025).
Besonders scharf kritisiert Winkler (2014, S. 31) diese Entwicklung:

Allein schon die zunehmend verbreitete Rede von der Sozialwirtschaft macht deutlich, dass und wie die Soziale Arbeit beginnt, auf Augenhöhe mit jenen zu sprechen, die das Geschehen im Lande maßgebend bestimmen, mehr noch als die Politik – und unlängst noch als erklärter Gegner galten. Etwas böse formuliert: Willkommen im Kapitalismus!“

Ablesbar wird diese bereitwillige, wenn auch wenig bewusste Selbstintegration in das Marktgeschehen und das betriebswirtschaftliche Denken an der Bereitschaft der Profession, das eigene Tun zunehmend in naturwissenschaftlich-technisch anmutenden Formeln zu beschreiben (Seithe 2025, S. 220) So formuliert Winkler (2014, S. 36):

„Als ein Beispiel kann man das wuchernde Vordringen der statistischen Manuale ICD 10 und DSM 4 nennen, mit der Aussicht übrigens, das DSM 5 wohl noch jegliche menschliche Eigentümlichkeit zum statistisch erfassten Behandlungsfall macht. Die Einführung der neuen Studiengänge hat diese Verhärtung noch verstärkt. Daher wird nicht mehr Soziale Arbeit gelehrt, sondern social engineering. Nein noch schlimmer: stets ein kleiner Bereich des social engineering. Der Blick auf den Zusammenhang und auf die Grundlagen bleibt ebenso verwehrt wie die Einübung in die Kritik.

Besonders bemerkenswert scheint mir die folgende Aussage, die Soziale Arbeit in einen diametralen Gegensatz zu dem stellt, was sich der Neoliberalismus darunter vorstellt: Winkler (2006, S. 1115ff.) beschreibt den besonderen, von einer betriebswirtschaftlichen Erfolgsdefinition weit entfernten Charakter der sozialpädagogischen Erfolgsdefinition folgendermaßen:

Nicht das Erzielen einer bestimmten Wirkung, sondern das Gestalten von Lern- und Erfahrungsräumen steht im Vordergrund, womit die Handlungsfähigkeit aller Beteiligten sichergestellt werden soll, Handlungs- und Lernprozesse gefördert und aktiviert werden sollen, mithin Bildungs- und Subjektivierungsprozesse in pädagogischen Interaktionen.“

Ein solches Verständnis von Erfolg und erfolgreichem Handeln steht jedoch im krassen Gegensatz zu dem, was im Rahmen der formalistischen Leistungsvereinbarung als Zielkriterium für den angestrebten Erfolg verhandelt wird. Erreichte Zwischenziele würden aus neoliberaler Sicht nicht zählen und nicht anerkannt werden. Das bedeutet außerdem eine ständige Entwertung dessen, was die SozialarbeiterIn geleistet hat (Seithe 2025).

Winkler machte diese Äußerungen schon vor 20 Jahren. Leider haben diese Aussagen bis heute nicht an Aktualität verloren.

Literaturhinweise:

Winkler, Michael (2006): Kleine Skizze einer revidierten Theorie der Sozialpädagogik. In: Badavia, T. (Hrsg.) (2006): Das Soziale gestalten. Über Mögliches und Unmögliches der Sozialpädagogik. Wiesbaden: Springer VS. S. 1115ff.
Winkler, M. (2008): Annäherung an den neuen gesellschaftlichen Ort sozialer Arbeit. In: Bütow, B./Chassé, K.-A. /Hirt, R. (Hrsg.): Soziale Arbeit nach dem Sozialpädagogischen Jahrhundert. Positionsbestimmungen Sozialer Arbeit im Post-Wohlfahrtsstaat. Opladen: Barbara Budrich. S. 191ff.

Über m.s.

Ich war 18 Jahre Professorin für Soziale Arbeit an der FH Jena (Methoden, Hilfen zur Erziehung, Schulsozialarbeit). Davor war ich 18 Jahre in der Praxis. Studiert habe ich Psychologie in Münster und Soziale Arbeit in Frankfurt a.M. Bücher: Schwarzbuch Soziale Arbeit Engaging Hilfe zur Erziehung zwischen Professionalität und Kindeswohl Das kann ich nicht mehr verantworten Ambulante Hilfe zur Erziehung und Sozialraumorientierung
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