Am letzten Urlaubstag besuchte ich in Mainz eine alte Bekannte, die seit gut 20 Jahren als Berufsberaterin arbeitet. (* der Name ist natürlich geändert 🙂 ).
Spätestens bei ihren Erzählungen hat mich die Wirklichkeit eingeholt.
Inge hat zur Zeit ernsthaft Ärger mit ihrer neuen, jungen Chefin. Man wirft ihr vor, nicht qualifiziert zu arbeiten. In einem Mitarbeitergespräch wurde ihr mitgeteilt, sie berate nicht hinreichend effektiv und würde sich zu wenig an der Effektivität orientieren. Es droht ihr eine Abmahnung, weil sie sich geweigert hat, einen jungen Mann für eine Weiterbildung anzumelden, die ihm bei seiner Lage und seiner gegenwärtigen Motivation absolut nichts brächte.
“Aber Sie wissen doch ganz genau, dass bis zum Frühjahr unsere Statistik so da stehen muss, wie es die Bundesregierung plant. Melden Sie ihn an! Und wenn er nicht will, dann lassen sie sich was einfallen!”
Nun hat Inge seit 20 Jahren ihren Beraterberuf ausgeübt. Sie hat sich stets darum bemüht, dass ihre Beratung wirklich nützlich ist und den Menschen weiterhilft, die sie beraten soll. Sie hat sich nicht um Statistiken und abstrakte Erfolgsziele gekümmert, sondern Soziale Arbeit gemacht, die Menschen geholfen hat.
Aber das ist nicht mehr gefragt. Man kritisiert ihre Fachlichkeit, die sie über die politischen und ökonomsichen Ziele ihres Arbeitgebers stellt. Und wirft ihr mangelnde Qualität vor.
Inge fühlt sich ohnmächtig. Die Kolleginnen, die alle meinen, dass sie im Recht ist, schweigen, wenn sie gefragt werden und versuchen ihrerseits nicht aufzufallen.
Inge möchte die letzten Jahre ihrerer Berufstätigkeit noch etwas Sinnvolles tun und sie möchte Anerkennung für ihre fachliche Leistungen. Stattdessen sieht sie sich gefangen und eingesperrt in eine hirnrissige, verlogene Erfolgsideologie.