DIE Soziale Arbeit, die gibt es so doch gar nicht. Es gibt Erziehungshilfe oder Arbeit im Krankenhaus oder Altenhilfe oder Suchtberatung …. , das ist doch jedesmal was anderes???
Natürlich, es ist so viel leichter zu erzählen, was man als Altenhelferin, als Jugendarbeiter, als Sozialarbeiter in der Psychiatrie oder als Erziehungshelfer macht. Aber machen die wirklich alles was anderes? Gibt es weder gemeinsame Aufgaben, Wege, Methoden, Ziele, Herangehensweisen? Wenn das so wäre, gäbe es wahrheftig keine Soziale Arbeit mehr.
Warum ist es so schwer, das Gemeinsame zu definieren?
Alle drei unterstützen Menschen in problematischen oder prekären Lebenslagen bei der Bewältigung ihres Lebens.
Jenny macht genau das für ihre Senioren. Jens versucht das für seine Jugendlichen im Zentrum. Katrin würde das gerne im Krankenhaus leisten für die Menschen, die aufgrund ihrer Krankheit in eine Lebenskrise geraten sind. Wo ist der Unterschied?
- Jenny hat schon ganz schön Probleme damit, ihre alten Leutchen dazu zu kriegen, dass sie sich helfen lassen, dass sie bereit sind, etwas in ihrem Leben zu verändern. Das ist weder einfach noch geht es immer glatt oder gar schnell. Hat sie die Geduld oder verfällt sie in alte, fürsorgliche oder autoritäre Strukturen? Und hat sie überhaupt die Zeit dafür?
- Jens sieht sich mit Erwartungen der Gemeinde konfrontiert, dass seine Jugendlichen auf all die gesellschaftlichen Probleme heftig reagieren, die sie täglich erfahren( Perspektivlosigkeit, Gewalt, Leistungsdruck und Abwertung gegenüber denen, die keine Leistungsträger sind oder werden können ). Und er hat zunehmend mit den Erwartungen zu kämpfen, dass er seine Jugendlichen dazu zu kriegen soll, dass sie sich anpassen, dass sie im aktivierenden Staat die Angebote annehmen und sich dann aber auch brav eingliedern, obwohl an den Problemlagen, auf die sie reagieren, nicht geändert wird. Kann Jens diesen Erwartungen etwas entgegensetzen? Kann er begründen, warum er anders, akzeptierende mit Jugendlichen umgehen will? Oder findet er es vielleicht nicht sogar erleichternd, dass er mit Druck und Sanktionen endlich erreichen kann, dass sie sich bewegen?
- Katrin ist in ihrem Arbeitsplatz so eingeengt, dass sie eigentlich nichts tut als die Betroffenen zu verwalten, sie weiter zu leiten, sie zu verweisen etc. Sie reagiert auf konkrete Aufträge der Klinik, die ihre Betten bald wieder frei haben will und muss all die Gelegenheiten ausschlagen, in denen sie mit Betroffenen reden und in denen sie sich mit ihren Sorgen und Wünschen, ihren Ängsten und Hoffnungen befassen könnte, weil niemand es von ihr verlangt und auch niemand dafür Zeitkontingente bereitstellt.
Was hat Jenny W., Sozialarbeiterin in der ambulanten Altenhilfe, und Jens P., Sozialarbeiter in einem Jugendberufshilfeprojekt, mit Katrin H., Sozialarbeiterin in der Krankenhaussozialarbeit miteinander zu tun?
Fast könnte man meinen: gemeinsam ist für alle vor allem, dass sie unter Kürzungen, Fremdbestimmung ihrer Aufgaben und ihrer Lösungsweg und unter prekären Arbeitsbedingungen leiden, dass ihnen für eine gute Arbeit zu wenig Zeit fehlt, es sei denn, sie opfern ihre Freizeit. Gemeinsam ist allen, dass sie befristete Arbeitsplätze haben bzw. am Jahresende nicht sicher sein können, ob ihr Arbeitsplatz erhalten wird, gemeinsam ist, dass sie für ihre Klienten nur begrenzt Parteiergreifen können, weil man ihnen Vorgaben macht, was sie tun und wie sie es tun sollen, gemein ist wahrscheinlich allen, dass sie viel mehr könnten, als von ihnen erwartet wird .
- Ist es am Ende die Ökonomisierung, die unserer Profession zeigt, was ihre gemeinsamen Aspekte und Merkmale sind?
- Wir sollten nicht warten, bis uns die gemeinsame professionelle Not verbindet.
- Wir sollten uns auch nicht auseinander dividieren lassen. Wenn wir gemeinsam etwas erreichen, uns stützen und miteinander etwas verändern wollen, dann ist es wichtig, dass wir ein Gefühl dafür entwickeln, dass wir alle zu ein und der selben Profession gehören!
- Wir sollten die gemeinsame professionelle Aufgabe und Kompetenz herausschälen, uns selber klar machen und laut verkünden (allerdings auch aneignen J):
Jenny, Jens und Katrin, alle drei unterstützen Menschen in problematischen oder prekären Lebenslagen bei der Bewältigung ihres Lebens, wurde oben gesagt.
Aber wie tun sie das? Wie gehen sie vor? Welches Menschenbild steckt dahinter? Welche Methoden brauchen sie dazu?
Gemeinsam ist allen, wenn sie sich wirklich als lebensweltorientierte Sozialarbeiter verstehen, dass sie diese Unterstützung auf eine Weise zu erreichen suchen, die die Menschenwürde, die Eigenaktivität der Klienten sichert und die die Betroffenen nicht für Probleme schuldig und verantwortlich erklärt, die gesellschaftliche Ursachen haben.
Und so würden eben auch im Detail alle Drei in ihrem Arbeitsfeldern und mit diesen unterschiedlichen Zielgruppen genau das Gleiche(nicht dasselbe) tun, auch wenn es konkret etwas anders aussieht, je nachdem ob ich mit alten Menschen, jungen Berufssuchenden oder erkrankten Menschen arbeite.
Sie leisten Unterstützung bei der Lebensbewältigung, indem sie
- mit den Betroffenen zusammen Lösungen für Probleme suchen,
- indem sie sich um einen angemessenen Ressourcenausgleich dort bemühen, wo die vorhandenen Ressourcen nicht reichen,
- indem sie Unterstützungsangebote für die Betroffenen finden und erreichbar machen,
- indem sie die Betroffenen motivieren, aktiv und selbstverantwortlich ihre Probleme anzugehen,
- indem sie die Betroffenen ermutigen, ihnen Selbstbewusstsein vermitteln, sie als Menschen behandeln und um ihre Würde kämpfen,
- indem sie mit dem Betroffenen den Weg erarbeiten, den er gehen kann und gehen will,
- indem sie den Betroffenen dabei helfen, ihre Kompetenzen zu erweitern und dazuzulernen,
- indem sie den Betroffenen dabei helfen, mit unveränderbaren Realitäten konstruktiv umzugehen,
- indem sie ihnen helfen, sich gegen angebliche Realitäten zu wehren und ihre Rechte einzufordern,
- indem man sie befähigt, sich gegen Ungerechtigkeiten und Unzumutbarkeiten aufzulehnen, sie als solche zu erkennen und mit dem Helfer gemeinsam Wege zu finden, sich nicht anzupassen oder aufzugeben.
Natürlich ist es nicht selbstverständlich, dass so Soziale Arbeit praktiziert wird. Es ist leider überhaupt nicht selbstverständlich. Es gibt genug SozialarbeiterInnen, die noch heute das alte fürsorgliche Modell aus der 1. Hälfte des letzten Jahrhunderts praktizieren. Und es gibt genug SozialarbeiterInnen, denen eine lebensweltorientierte Sozialarbeit viel zu anstrengend, viel zu kompliziert und viel zu wenig selbstbestätigend ist. Sie ziehen die alten Konzepte vor. Und genau die sind es dann, die die Herausforderungen von Ökonomisierung und aktivierendem Staat zu einer Ich weiß, was für dich gut ist-Sozialarbeit und zum Einsatz von Fordern, Druck und Sanktionen begrüßen. Sie nehmen diese neue Sozialearbeitskonzeption entspannt an und sind froh, dass diese anstrengenden Grillen der Lebensweltorientierung endlich vergessen werden können.
Eine autoritäre, fordernde Sozialarbeit, die mit Macht und Druck arbeitet, kann allerdings all die oben genannten Ziele nicht erreichen. Will sie wohl auch gar nicht. Ihr würde es reichen, dass die Klienten endlich das machen, was die Helfer oder Verwalter als notwendig und richtig ansehen.