Worum geht es?
Anknüpfend an den bestehenden Freiwilligendienst soll ein Bundesfreiwilligendienst an Stelle des bisherigen Zivildienstes geschaffen werden.
Dieser Dienst eröffnet keinerlei Arbeitsverhältnis, er soll neben dem bisherigen Freiwilligendienst bestehen, aber für alle Altersgruppen geöffnet werden. Die Bundesstrukturen des Zivildienstes sollen dabei weitgehend erhalten bleiben.
Argumentiert wird vor allem, dass freiwillige, insbesondere freiwillige soziale Arbeit eine Chance für junge Menschen und für die Gesellschaft sei.
Was ist von diesem Gesetz zu halten?
- Allem Anschein nach handelt es sich hier offensichtlich um ein Gesetz zur Förderung von Freiwilligenarbeit. Keine Frage: Freiwilligendienste sind wichtig und hilfreich, wenn es darum geht, junge Menschen bei ihrer persönlichen und beruflichen Orientierung zu helfen, ihre Sensibilität zu wecken für soziale Problemlagen und so fort. Der Wunsch, diesen Dienst auszuweiten und mehr jungen Leuten diese Chance zu geben, ist in Ordnung und sinnvoll. Ideen und Gedanken, wie er weiter verbessert werden könnte, sind notwendig. Dazu gibt es viele Ideen und Vorschläge insbesondere vom DGB und der Linken, aber auch der Grünen.
- Nun war der Zivildienst, dessen Wegfallen unmittelbar diesen Gesetzesentwurf ausgelöst hat, etwas ganz anderes als ein Freiwilligendienst:
Er war gedacht als Alternative zum Wehrdienst und hatte mit Freiwilligkeit nicht viel zu tun. Zivildienst war immer Zwangsdienst. Freiwillig war nur die Entscheidung für die andere Alternative.
Ursprünglich war der Zivildienst als Abschreckung gedacht.
Es ging weniger um die Aufgabe selber als vielmehr darum, dass sie für junge Leute möglichst wenig attraktiv wirkte.Im Laufe der Zeit ist allerdings eine Situation entstanden, in der der Zivildienst eine Säule unseres Sozialsystems geworden und nicht mehr weg zu denken ist.
- Da nun mit der Bundeswehrpflicht auch der Zivildienstdienst weg fällt, steht die Gesellschaft vor mehreren Problem:
- Es gibt mit einem Schlag 50 000 zusätzliche Studien- und LehrstellenanwärterInnen.
- Es fehlt mit einen Mal eine große Anzahl von fest eingeplanten Helfern in der Pflege und im Sozialen Bereich, genauer gesagt gab es z.B. im Jahr 2009 100 000 Zivis.
- Es besteht zum Dritten das Ziel, den Zivildienst ebenso wie den Wehrdienst als Option in petto zu behalten. Deshalb sollen die Strukturen nicht zerschlagen werden und in hinreichendem Maße weiter besetzt und benutzt werden.
Mit dem “Das Bundesfreiwilligendienstgesetz” versucht die Bundesregierung nun ganz geschickt diese Probleme sozusagen alle auf einen Streich zu lösen:
a) Um die alten Bundeswehrstrukturen erhalten zu können, nutzt man nicht die Gelegenheit, die bestehenden Freiwilligendienst – wie vielfach und lange gefordert – weiter auszubauen und besser auszustatten. Der BFD soll mit einer eigenen Struktur neben den Freiwilligendiensten “aber auf Augenhöhe” stehen bleiben.
Daran wird u. a. von der Opposition und den Wohlfahrtsverbänden Kritik geübt.
b) Junge Leute, die auf einen Lehr- oder Studienplatz warten müssen, werden so einstweilen beschäftigt .
Das erspart den Ausbau der Hochschulkapazität und verschleiert den sich vermutlich verschärfenden Lehrstellenmangel.
c) Das durch den Wegfall der vielen Zivis entstehende Loch in der sozialen Infrastruktur soll erneut mit billigen Arbeitskräften, diesmal mit Freiwilligen gestopft werden, wobei gehofft wird, dass so eine Kontinuität zur früheren Situation mit den Zivildienstleistenden hergestellt werden kann.
Folgende Hintergründe und Folgen sind für diese Planung anzunehmen:
- Es geht darum, eine möglichst kostengünstige Lösung der Probleme der Sozialen Infrastruktur zu finden.
- Es entsteht durch den BFD mal wieder mal – ein neuer Billiglohnbereich, der für Frauen und Männer aller Generationen sowie für Langzeitarbeitslose (sie dürfen vom Taschengeld 60 Euro behalten) geöffnet werden soll. .
- Mit dem BFD etabliert man diesen neuen Niedriglohnbereich speziell im Sozialen Feld, hervorgehoben wird die Kinder- und Jugendhilfe, besonders die Jugendarbeit.
- Es geht der herrschenden Politik darum, fachliche Aufgaben von Pflege und Sozialer Arbeit zu Tätigkeiten zu erklären, für die man keinerlei Qualifikation braucht und die deshalb auch keine Kosten erzeugen dürfen.
Menschliche Solidarität ist zweifellos wichtig. Und es scheint vielen absurd, was dagegen haben zu können, dass Menschen sich noch mehr ehrenamtlich engagieren. Solidarität kann aber nicht wirklich gefördert werden, wenn sie der herrschenden Ideologie widerspricht. Erfolgversprechender wäre es hier also viel eher, diese Ideologie infrage zu stellen.
Es besteht der Verdacht, dass sich die neoliberale Ideologie mit diesem Gesetz
- zum einen Sympathien verschaffen will, in dem sie sich als warm und menschlich anbiedert,
- zum zweiten ist die ehrenamtlich geleistete pflegerische und soziale Arbeit für den Staat das kostengünstigste Modell.