Stichwort: Freie Träger
- Vor vierzig, dreißig Jahren bezahlten die Freien Träger im Westen ihre SozialarbeiterInnen besser als die Ämter und zwar übertariflich. Die öffentlichen Stellen der Jugenhilfe hatten Schwierigkeiten, gute Leute zu bekommen und kämpften darum, dass ihre Arbeit als ebenso fachlich qualifiziert angesehen und erkannt wurde.
- Vor zwanzig Jahren ging es los mit der Ökonomisierung. Das bedeutete ein tiefes Mißtrauen gegen den Sozialstaat, den öffentlichen Dienst und nicht zuletzt gegen die Soziale Arbeit. Man fing an, die Jugendhilfe umzuschichten auf Freie Träger. Dort erhoffte man sich mehr Qualität. Später spekulierte man auch darauf, dass Freie Träger bereit wären, untertariflich zu bezahlen und damit billger würden als die öffentlichen Einrichtungen. Mit der Privatisierungswelle schließlich gab der öffentlich Träger jede eigene praktische Jugendhilfe auf, alles wurde nach draußen vergeben, outgesourctt, verkauft, weggegeben.
Die Freien Träger hatten nicht wirklich viel von dieser Entwicklung, die sie zunächst wohl mit Freude begrüßt haben dürften. Sie wurden Unternehmen und ab sofort galt es, “sich zu rechnen”. Freie Träger mussten ab da mit ihren KlientInnen, mit ihren MitarbeiterInnen, mit ihrem ganzen “Betrieb”, ihrer Konzeption etc. wie Unternehmer umgehen. Die Prizipien der Marktwirtschaft fingen an, die Fachlichkeit in den Hintergrund zu drängen. Die Erbringer von Jugendhilfeleistungen fanden sich zudem in einem Konkurrenzverhältnis zu den anderen Trägern (den ehemaligen Kooperationspartnern) wieder und waren dem Druck z.B. der Jugendämter ausgesetzt, ihre Angebote so billig zu machen, wie eben möglich – oder eben auch noch billiger. Und um an den Auftrag zu kommen, akzeptierte man die zu kleinen Budgets , auch wenn sie den Arbeitsbedarfen nicht entsprachen. Dann musste die Ware eben irgendwie billiger produziert werden….
Die Folgen sind der Profession nur zu bekannt: Prekäre Arbeitsplätze, nicht oder nur halbherzig erfüllte Rechtsansprüche von Eltern, Kindern und Jugendlichen, eine Soziale Arbeit, die oberflächlich und kurzschrittig geworden ist, die immer mehr Züge von Verwaltung und reiner Aufbewahrung annimmt.
- Viele, vor allem kleine freie Träger sind in diesem Prozess kaputt gegangen.
- Die großen Wohlfahrtsverbände haben sich als Unternehmen “aufgestellt” und versuchendabei nach außen ihr soziales Image irgendwie mitzunehmen. Hört man ihre öffentlichen Verlautbarungen, glaubt man, alles sei wie früher. Der gleiche Wohlfahrtsverband aber, der angeblich so treu und vehement für die Interessen der sozialbenachteiligten Menschen eintritt, er bezieht seine ehemaligen Mitarbeiter, nachdem er sie selber gekündigt hat, jetzt über Leihfirmen. Da sind sie viel billiger!
- Und dann gibt es natürlich auch die, die gar nicht mehr unterscheiden zwischen einem sozialen und einem anderen Unternehmen. Und da muss dann natürlich für den Unternehmer selbstverständlich auch ein Maserati abfallen. Und auf Kosten der Mitarbeiter und KlientInnen machen solche “Unternehmen” Gewinn oder zumindest ein gutes Stück Geld für die eigene Tasche. Und alle empören sich über ein solch unmoralisches und geldgieriges Verhalten – ausgerechnet bei denen, die Soziale Arbeit leisten sollen!
Soziale Einrichtungen verhalten sich heute so, wie Unternehmer, die mit allen Mitteln an Geld kommen müssen und wollen und sonst nichts mehr im Kopf hat. Und darüber regen sich alle auf. Zu Recht.
* Schuld aber sind die, die Soziale Arbeit zu einem Markt gemacht haben, der genau solche Entwicklungen möglich macht und dazu verführt.
Stichwort Wirkung:
Soziale Arbeit hat nicht mehr die Grundlagen und Voraussetzungen, um wirklich qualifiziert fachlich arbeiten zu können und um die Wirkungen erreichen zu können, die sie selber als Soziale Arbeit anstrebt. Gefordert sind kurzfriste Ergebnisse, sog. “Erfolge”, die man sehen, die man zur Schau stellen, die man abrechnen und die man in Bilanzen ausdrücken kann.
Es wird der Sozialen Arbeit in dieser marktförmigenVariante z.B. die Zeit nicht zur Verfügung gestellt, die sie braucht, um wirklich Menschen zur eigenen Aktivität und Selbsthilfe bewegen zu können.
Es werden ihr Methoden und Vorgehensweisen vorgeschrieben, die Menschen eher verwalten, als sie zu erreichen und bei denen man sich nicht scheut, mit Sanktionen und Druck zu arbeiten. Das aber können die Polizei und die Verwaltung besser. Dafür brauchen wir wirklich keine SozialarbeiterInnen.
Soziale Arbeit hat Schwierigkeiten, ihre Wirksamkeit nachzuweisen. Unter den prekären, verknappten, inhaltlich geleerten Arbeitsbedingungen ist es schwer, noch Wirkung zu haben.
* Schuld daran sind die, die ihr vorher die Beine abgehackt haben, aber sie zynischerweise jetzt auffordern, los zu laufen und zu zeigen, was sie kann. Um ihr und der Welt zu beweisen, dass sie nichts schafft, nicht wirkt und eben eingespart werden kann.
Jetzt wird überlegt: Wie können wir diese sinnlosen, wirkungslosen freien Träger wieder loswerden und alles an uns ziehen und damit für eine kontrollierte, noch mehr begrenzte, im Interesse des aktivierenden Staates eingebundene Soziale Arbeit sorgen. Das spart enorm Geld und man kann die Reste der alten, sprich parteilichen, an Menschenrechten orientierten Sozialen Arbeit, die sich auch noch eigene fachliche Autonomie zuschreibt, endgültig unterbinden?
Denn bei freien Trägern ist sie durchaus noch anzutreffen und viele Sozialarbeiter versuchen, sie dort um- und durchzusetzen. Das muss aufhören!
Die Informationen aus Hamburg (s. vorletzter Bericht) spricht eine verdammt deutliche Sprache.
Wir sollten uns das nicht gefallen lassen!