Wachmänner in Berliner Schulen

Dieser Schritt hat mich nicht überrascht. Unsere Gesellschaft reagiert auf die Gewalt, die sie selber ständig produziert schlicht mit Gegengewalt oder drohender Gegengewalt.
Von der Effektivität her ist dieser Ansatz mit einem medizinischen Konzept vergleichbar, das bei einer ausgebrochenen Volksseuche den Abtransport der Leichen gut organisiert und vielleicht auch noch die Betroffenen effektiv isoliert, aber nichts investiert, um die Ursachen der Seuche zu ergründen und zu beseitigen.
Die Ursachen für die Gewalt in unseren Schulen sind vielfältig, sie haben mit dem Schulsystem und mit der Verrohung unserer Gesellschaft zu tun, mit der Unfähigkeit vieler Jugendlicher, Konflikt anders beizulegen und zu lösen als mit verbaler oder nonverbaler Gewalt. Hier könnten z.B. Sozialarbeiter wesentlich tiefer greifen und präventiv wirken.

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Vor allem aber hat diese Gewalt damit zu tun, dass diese Gesellschaft für viele auch und gerade junge Menschen, allen voran für Migrantenkinder, keine Perspektiven mehr zu bieten hat und es auch nicht versucht, sie zu bieten, gleichzeitig aber Konsum, Geld und absolute Selbstverwirklichung als Kriterien für Erfüllung und Glück bestimmt hat und dann behauptet, jeder könne in dieser Gesellschaft ganz nach oben kommen, wenn er nur flexibel genug ist und sich selber ausreichend bemüht.

Auch der Hinweis in der Presse, Wachmänner seien viel billiger als SozialarbeiterInnen, hat mich nicht überrascht. Auf diese Weise werden Aufgaben der Sozialen Arbeit immer mehr von unausgebildeten Kräften übernommen und damit werden ihre Fachlichkeit, ihr professioneller Ansatz und ihr Menschenbild einfach ausgekippt und als überflüssig erklärt. An die Stelle einer sekundären Integration, die versucht Menschen so in die Gesellschaft zu integrieren, dass sie dabei als Personen und als Menschen mit Rückgrad nicht auf der Strecke bleiben, wird einfach mit Sanktionen, Drohungen und Zuckerbrot und Peitsche gearbeitet.

Überrascht hat mich höchstens, wieso Wachmänner so viel weniger verdienen sollen als SozialarbeiterInnen. Wenn das so ist, dann fallen die Wachmänner ganz klar in den Bereich, wo dringend ein Mindestlohn ansteht. Denn SozialarbeiterInnen verdienen selber so wenig, dass mancher Mann sich dieses Studium verkneift, weil er von den Einkünften keine Familie ernähren kann. Das war eigentlich nie anders, hat sich aber in den letzten 10,15 Jahren dramatisiert. So etwas wie Tariflohn, unbefristete Stellen, nur soviel Arbeit, wie auch bezahlt wird…. als das gehört der Vergangenheit an. Auch deshalb ist es ein fast reiner Frauenberuf geblieben. Unter unseren Studierenden sind knapp 10% Männer!

Über m.s.

Ich war 18 Jahre Professorin für Soziale Arbeit an der FH Jena (Methoden, Hilfen zur Erziehung, Schulsozialarbeit). Davor war ich 18 Jahre in der Praxis. Studiert habe ich Psychologie in Münster und Soziale Arbeit in Frankfurt a.M. Bücher: Schwarzbuch Soziale Arbeit Engaging Hilfe zur Erziehung zwischen Professionalität und Kindeswohl Das kann ich nicht mehr verantworten Ambulante Hilfe zur Erziehung und Sozialraumorientierung
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