“Ist es denn wirklich so schlimm”, fragen mich ZuhörerInnen, LeserInnen, Studierende. “Finden Sie nicht, dass sie alles nur schwarz malen. Das hilft doch keinem!”
· · “Bei uns ist es gar nicht so, bei uns können wir noch richtig gut arbeiten”.(Gut sage ich, wunderbar, seien sie froh!).
Wir haben uns anständige Bedingungen erkämpft. Jetzt können wir wirklich Soziale Arbeit machen. Es geht doch!” (Wunderbar sage ich, wie haben Sie das gemacht. Erzählen Sie, damit alle es hören, sozusagen “best practice” im Bereich Widerstand!).
Solche Reaktionen höre ich durchaus, wenn ich die Folgen der Ökonomisierung und neoliberalen Politk für unsere Profession darstelle.
Aber z.B. auch solche:
“Was solls, so ist das eben heute. Wenn wir uns darüber ständig grämen, verlieren wir noch die letzte Lust an unserem Beruf. Es ist doch auch nicht alles schlecht.
“ Wenn die mit so was kommen, dann unterlaufen wir solche Tendenzen. Wir machen einfach doch, was wir für richtig halten.”
Viele versuchen, die Wirklichkeit in ihrem sozialpädagogischen Alltag irgendwie zu verschönern, sich einzureden, alles sei gar nicht so schlimm oder man könnte z.B. doch einfach die ganze Ökonomisierung hinters Licht führen. Sie versuchen vor dem die Augen zu verschließen, was angeblich bisher nur droht oder auch auch vor dem, was ohnehin unveränderbar scheint.
Ich halte das für unangemessen.
Denn die Lage der Profession Soziale Arbeit es ist schlimm. Es stellt sich aus meiner Sicht und Erfahrung ganz ernsthaft die Frage: Sind wir noch zu retten? Bzw. müssen wir uns und die Profession retten? Es besteht nicht etwa nur eine vage Gefahr. Besteht bereits eine Notlage?
Auch wenn (noch) nicht überall die massiven Folgen von Vermarktlichung und neoliberaler Sozialpolitik in der Sozialen Arbeit zu erkennen sind gibt und wenn nicht überall alle ihre Aspektegleichermaßen deutlich zum Tragen kommen – aus meiner Sicht geht es nicht mehr nur um mögliche Gefahren, “wenn man nicht aufpasst”. Es ist schon passiert. Wir haben nicht aufgepasst?
Viele Wissenschaftler und sogar hellsichtige, kritische Vertreter der Sozialverwaltung (die es durchaus gibt) konstatieren die Tendenzen und Absichten der Ökonomisierung und die Herausforderungen des aktivierenden Staatessehr sehr wohl, stellen sie aber meist nur als mögliche Gefahren dar. Mehr sehen und sagen sie selten. Wenn man ihnen zuhört, könnte man meinen, sie möchten vor irgendwelchen, eher unwahrscheinlichen Irrungen warnen, sind aber guten Mutes, dass ihre Warnung gar nicht nötig ist. Dass es sich um Fakten, um längst eingetretene Gefährdungen handelt, bleibt im Ungewissen.
Manchmal frage ich mich deshalb, ob es höheren Ortes wirklich die Illusion gibt, das sei alles noch nicht Realität, nur Gefahr?
Ich halte es für nötig, der Wirklichkeit ohne Beschönigungsversuche ins Gesicht zu sehen. Nur wenn ich die Lage begreife, sehe ich die Notwendigkeit, etwas dagegen zu tun.