Prof. Dr. Ronald Lutz – coole Analyse neoliberaler Sozialarbeit

AutorInnen, die mich für mein Buch inspiriert haben (s. Neuerscheinung Seithe: Soziale Arbeit und Neoliberalismus heute: schwarz auf weiß | SpringerLink)
Teil 7

Prof. Dr. Ronald Lutz,

…der vor vielen Jahren einen ganz besonderen Artikel in der Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ)“ (Zeitschrift  der Bundeszentrale für Politische Bildung) veröffentlicht hat, in dem er in aller Deutlichkeit das damals  sich immer klarer abzeichnende neoliberale Konzept Sozialer Arbeit  vorstellte und erläuterte …., ohne es zu beschönigen, aber auch ohne es gleich zu verteufeln…so dass man gezwungen war, sich ruhig und nüchtern mit diesem Ansatz auseinanderzusetzen…

Dieser Artikel von Ronald Lutz hat mir in meinem Buch dort sehr geholfen, als es drum ging, das professionelle Konzept Sozialer Arbeit mit dem neoliberalen Konzept zu vergleichen, um ihre mögliche Komptabilität zu überprüfen. Denn im Unterschied zu späteren Darstellungen insbesondere neoliberaler VertreterInnen hat er nicht versucht, es sozialpädagogisch zu verschleiern oder als etwas darzustellen, was es gar nicht ist.

Ungeschönt, aber aus der dem Neoliberalismus eigenen Logik konsequent entwickelt, zeigte der Artikel auf, was der Neoliberalismus will, warum er es will, wie er zur Sozialen Arbeit bisheriger „Machart“ steht, was er von den Menschen hält, mit denen sich Soziale Arbeit beschäftigt und welche Aufgaben er für diese Profession sieht.

Ich vermute, dass die wenigsten SozialarbeiterInnen derart genau Bescheid wissen, was neoliberale Praxis Sozialer Arbeit eigentlich ist und bedeutet, denn die Hochschulen vermitteln es nicht. Sie beschränken sich auf die Lehre bestimmter Managementmethoden, verschweigen aber die ideologischen, wissenschaftstheoretischen und ethischen Hintergründe. Lutz tat genau das nicht. Und nur wer ganz genau hinsah, konnte zwischen den Zeilen lesen, dass das hier nicht seine eigene Vorstellung einer guten Sozialer Arbeit war. Mir wurde es daran klar, mit welcher bitterer Deutlichkeit er die Konsequenzen für die KlientInnen beschrieb, die eben nicht in der Lage sind, im Aktivierenden Staat die vorgesehen Rolle der SelbstunternehmerIn zu spielen.

In gewissem Sinne muss ich gegenüber Ronald Lutz Abbitte dafür leisten, dass ich ihn durch 500 Seiten hindurch als Erklärer der neoliberalen Sozialen Arbeit „missbraucht“ habe. Schon aus diesem Grund liegt es mir am Herzen, klarzustellen, dass ich genau weiß, dass dieser Artikel und die dort so gut beschriebene Haltung nicht diejenige ist, die ihn als Professor der Sozialen Arbeit ausmacht.  Aber ohne ihn wäre es mir nie gelungen, die neoliberale Ideologie so deutlich und kompromisslos darzulegen und zu konfrontieren.

Und ich möchte deshalb gerade Ronald Lutz als denjenigen zitieren, der einer angepassten und sich blind den neoliberalen Tendenzen unterwerfenden Haltung deutlich den Kampf ansagt. Soziale Arbeit gibt sich, wie es R. Lutz im Vorwort zu dem mit von ihm herausgegebenen Paulo Freire Jahrbuch 26 (2024) feststellt, lieber unpolitisch und steckt den Kopf in den Sand. Aber gerade damit outet sie sich als gesellschaftlicher Bereich, der sich in hohem Maße politisch verhält, denn:

Nicht politisch sein zu wollen ist somit immer absolut politisch, da damit impliziert signalisiert und essenzialisiert wird, das Leben in den bestehenden Strukturen führe zu einem Guten, Wandel sei nicht nötig oder auch gar nicht möglich. Eine solche Haltung ist politisch, da sie die jeweiligen Strukturen herrschender Politik als gegeben und mitunter als absolut identifiziert – und sich damit arrangiert“ (R. Lutz, Freire Jahrbuch 26, 2024, S.11).

Mit ihm bin ich der Meinung, dass Soziale Arbeit sich den neoliberalen Tendenzen und Zwängen nicht ergeben darf, sondern sich für die Erhaltung und Wiederbelebung einer Sozialen Arbeit einsetzen muss, die sich humanistischen und fachlichen Zielvorstellungen verpflichtet fühlt.

Literatur:

Lutz, R. (2008): Perspektiven der Sozialen Arbeit. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) 12 – 13/2008, S. 3-10.

Lutz, R. (2024): Das Soziale ist immer politisch. Eine Einführung In: Kiewitt, K. und Lutz, R. (Hrsg.): Paulo Freire Jahrbuch 26. Das Soziale ist immer politisch. Narrative befreiende Praxis. Oldenburg.

Über m.s.

Ich war 18 Jahre Professorin für Soziale Arbeit an der FH Jena (Methoden, Hilfen zur Erziehung, Schulsozialarbeit). Davor war ich 18 Jahre in der Praxis. Studiert habe ich Psychologie in Münster und Soziale Arbeit in Frankfurt a.M. Bücher: Schwarzbuch Soziale Arbeit Engaging Hilfe zur Erziehung zwischen Professionalität und Kindeswohl Das kann ich nicht mehr verantworten Ambulante Hilfe zur Erziehung und Sozialraumorientierung
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