Bewältigungsstrategie 7: der Zweckoptimismus der Realos

buroklammer.jpeg

Auch sie versuchen, „trotzdem irgendwie das Beste daraus zu machen“. Es gibt sie sowohl unter PraktikerInnen wie unter WissenschaftlerInnen. Trotz einer zumindest partiell kritischen Haltung den neuen Entwicklungen gegenüber, werden diese aber als unausweichlich angesehen und als einzig reale Zukunftsperspektive der Sozialen Arbeit hingenommen und als unausweichliche alltägliche Realität erlebt.
Und nun wird versucht, auch unter den neuen Bedingungen Soziale Arbeit trotzdem so gut wie eben möglich zu gestalten. Gesucht wird nach den Vorteilen, die die Ökonomisierung „ja schließlich mit sich auch bringt“…..

So wird besonders oft im Qualitätsmanagement etwas gesehen, was auch der eigenen Arbeit dienen kann und zur Qualifizierung der Sozialen Arbeit beiträgt. Es wird viel Zeit in dieses Qualitätsmanagement gesteckt. Und ab und an – wenn  dieses Qualitätsmanagement sich nicht darauf beschränkt, formale Abläufe zu beschleunigen und Synergieeffekte im Verwaltungsablauf ausfindig zu machen –  gewinnt man auch Erkenntnisse darüber, wie die eigene Arbeit verbessert werden könnte. Aber spätestens, wenn klar wird: ‚Kosten darf die bessere Qualität nicht verursachen!‘ sollte eigentlich klar sein, dass auch dieser vermeintlich positive Effekt der Ökonomisierung für die Katz ist, solange sie die Rahmenbedingungen der gesetzten knappen Kassen nicht infrage stellen darf.

Hier ein Beispiel aus meinem Schwarzbuch:


Im Rahmen eines Qualitätsentwicklungsverfahrens stellen die MitarbeiterInnen eines Jugend- und Sozialwerkes bei einer BewohnerInnenbefragung  fest, „dass viele Kinder und Jugendliche die geringe Zeit, die ihnen allein mit dem Betreuer zur Verfügung steht“, bemängeln. Hier hat das interne Qualitätsmanagement tatsächlich den Finger auf eine offene Wunde gelegt: Es fehlt an Zeit in der Einrichtung, um wirklich intensiv und individuell mit den einzelnen Jugendlichen zu arbeiten.
Das Ergebnis aber wird nun von den MitarbeiterInnen folgendermaßen kommentiert: Dies sei „ein Phänomen, das sich mit dem herrschenden Kostendruck nur schwer beheben lässt. Uns wird in allen Wohngruppen nur ein Schlüssel von 1:2,5 zugestanden. Dennoch wollen wir gezielt solche Situationen fördern, erleben wir doch gerade diese Momente als förderlich und angenehm für beide Seiten“ (Träder, 2000, in Merchel 2000, S. 93).

.

Wozu aber stellt man  denn solche Überlegungen an, wenn nicht mit dem Ziel, die erkannten Schwächen zu korrigieren und als notwendig erkannte Veränderungen einzuführen? Hier wird Qualitätsmanagement betrieben und man stellt am Ende resigniert fest: ‚Was nötig wäre, wird aber nicht bezahlt. Also strengen wir uns eben noch mehr an, damit es auch so irgend wie besser wird!‘
Mitunter hat man bei dieser Gruppe von KollegInnen den Eindruck, dass sie noch etwas anderes umtreibt:
Sie sehen mit Beunruhigung, dass der Zug der modernen, zukunftsträchtigen Sozialen Arbeit gerade abzufahren scheint und möchten natürlich unbedingt mit – trotz aller Kritik und trotz aller Bedenken, die man der guten alten Sozialen Arbeit schuldig ist.  Und so lobt man die vermeintlichen oder wirklichen positiven Aspekte von Ökonomisierung und aktivierendem Staat in den Himmel und versucht alles, sie ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken.  Nicht anders kann ich z. B. den Artikel von Thomas Olk verstehen, der in seinem Beitrag „Transformationen im deutschen Sozialstaatsmodell“ (in: Kessl/Otto: Soziale Arbeit ohne Wohlfahrtsstaat, 2009) klarsichtig die neuen sozialpolitischen Leitlinien  des aktivierenden Staates nachvollzieht und die Kritik seiner Gegner als nicht von der Hand zu weisen würdigt, dann aber – anstatt all das für die Soziale Arbeit und ihre Klientel zu Ende zu denken – , sich an der Perspektive hochzieht, dass der neue aktivierende Staat die Kinder zu einer wichtigen sozialpolitischen Zielgruppe erklärt und der Sozialen Arbeit „im Koordinatensystem zwischen Sozialpolitik, Bildungspolitik und Familienpolitik eine neue Rolle und Position“ zuweist. (vgl. S. 27). Er möchte lieber mit einer Kritik an den neuen Entwicklungen „das Kind nicht mit dem Bade ausschütten“ und lieber, wie er sagt: „zwischen Fehlern und Leerstellen neuer Praktiken und Konzepte und den dahinter liegenden Fragen und Suchprozessen unterscheiden“ (S. 32).

Diese neue, angeblich wichtige Rolle der Sozialen Arbeit scheint eine Perspektive zu sein, der ein Realo nicht  Stand halten kann.

Über m.s.

Ich war 18 Jahre Professorin für Soziale Arbeit an der FH Jena (Methoden, Hilfen zur Erziehung, Schulsozialarbeit). Davor war ich 18 Jahre in der Praxis. Studiert habe ich Psychologie in Münster und Soziale Arbeit in Frankfurt a.M. Bücher: Schwarzbuch Soziale Arbeit Engaging Hilfe zur Erziehung zwischen Professionalität und Kindeswohl Das kann ich nicht mehr verantworten Ambulante Hilfe zur Erziehung und Sozialraumorientierung
Dieser Beitrag wurde unter alte Blogbeitrage veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar