eigentlich schade…

Es ist eigentlich schade, dass mein Schwarzbuch jetzt fertig ist (wird im Februar bei VS erscheinen) und ich neue Beispiele, die mir SozialarbeiterInnen und StudentInnen erzählen, nicht mehr einarbeiten kann. Denn alles was ich so höre: es wird nicht besser, es wird immer schlimmer!  Meine Beispiele im Schwarzbuch sind keine traurigen Ausnahmen, sondern offensichtlich vielleicht sogar noch vergleichsweise nette Geschichten.

Heute erzählt mir eine Studentin, dass ihr Träger ihr untersagt, für ein Praxisprojekt, das sie unentgeltlich und aus freien Stücken in den Ferien in einer Tagesgruppe durchzuführen bereit ist, nur drei und nicht wie gewünscht fünf Kinder in ihre Kleingruppe einzubinden. Angesichts der gewählten Methode und des heiklen Themas (häusliche Gewalterfahrungen bei den Kindern) wären drei Kinder ausreichend, fünf machen die Situation unübersichtlich und wahrscheinlich auch weniger erfolgreich. Aber das sind keine Argumente für den Träger. Denn: eine so kleine Gruppe kann er nicht in seinem Finanzierungskonzept durchsetzen.
Fragt sich man sich: Wieso Finanzierungskonzept? Werden unbezahlte Tätigkeiten von Praktikantinnen schon in die Finanzierungskonzepte eingearbeitet?  Es sieht ganz so aus. Mit der kostenfreien Arbeit von Praktikantinnen wird in allen Praxisstellen schließlich gerechnet.

Aber darüber wundert sich meine Studentin schon gar nicht mehr und auch darüber nicht, dass fachliche Argumente, auch der Hinweis auf die vermutlich geringere fachliche Effektivität, offensichtlich überhaupt keine Bedeutung mehr zu haben scheinen.
Das Geld regiert die Praxis, zu diesem Schluss kommt sie nach einem Jahr Praxiserfahrung.

Kein Wunder denke ich, wenn Wohlfahrtsverbände gezwungen sind, sich wie Unternehmen am Markt über Wasser zu halten.  Es bleibt ihnen nichts anderes mehr übrig, als sich auch wie Unternehmen zu verhalten.
Wer setzt dagegen?
Wenn Kaffeemaschinen billig produziert werden, dann wird zumindest die Macht des Kunden eine Grenze darstellen für die Absenkung der Produktqualität.
Aber wer tut das bei uns? Wer merkt überhaupt, wenn unsere Arbeit keine Wirkungen zeigt, weil die Bedingungen nicht reichen und wenn wir stattdessen vielleicht sogar Bruch erzeugen?
Ganz sicher wird niemand die kleinen KlientInnen meiner Studentin fragen, was das Projekt für sie gebracht hat.
Aber unter uns: geht es dem Träger dabei überhaupt um ein Ergebnis für die Kinder? Wird meine Praktikantin nicht einfach nur gebraucht, um für die Ferienzeit die flickenhafte Personaldecke  nach außen zu vertuschen?

Über m.s.

Ich war 18 Jahre Professorin für Soziale Arbeit an der FH Jena (Methoden, Hilfen zur Erziehung, Schulsozialarbeit). Davor war ich 18 Jahre in der Praxis. Studiert habe ich Psychologie in Münster und Soziale Arbeit in Frankfurt a.M. Bücher: Schwarzbuch Soziale Arbeit Engaging Hilfe zur Erziehung zwischen Professionalität und Kindeswohl Das kann ich nicht mehr verantworten Ambulante Hilfe zur Erziehung und Sozialraumorientierung
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