Tricksen – und alles bleibt beim Alten
In einem Workshop mit der Fragestellung: Wie weit können wir weiterhin eine fachlich qualifizierte Arbeit leisten ohne der Wirtschaftlichkeit zu unterliegen? sprachen wir lang über die Folgen der Ökonomisierung für unsere Profession und über die Tatsache, dass mit der Betriebswirtschaft die Soziale Arbeit von einer fachfremden Disziplin beherrscht und überformt wird, die nicht in der Lage ist, die Kernelemente und Kernanliegen der Sozialen Arbeit zu erfassen und zu berücksichtigen.
Dann ging es um konkrete Beispiele: Wie gestaltet man ein Gespräch mit dem Träger, dem Jugendamt, dem Auftraggeber, dem Chef, der abrechenbare, messbare Daten fordert?
Und ich traute meinen Ohren nicht: statt den Herrschaften auf der andren Seite der Medaille klar zu machen, dass genau diese Daten für das, worum es eigentlich geht, völlig aussagelos sind übertrafen sich die WorkshopteilnehmerInnen in den Bemühungen, ihrem Gegenüber ihre sozialpädagogischen Ziele, Vorgehensweisen etc. dadurch schmackhaft zu machen, dass mit Zahlen, Daten, Fakten argumentierten, die ihr Anliegen angeblich belegen könnten.
Statt also die Sprache der Besetzer unserer Profession zu verweigern, da, wo sie nicht weiter, sondern immer weiter weg führt von dem, was Soziale Arbeit eigentlich ist, bedienten sich die PraktikerInnen fleißig der Sprache der Betriebswirtschaft und kamen sich dabei besonders schlau und ausgefuchst vor.
Und alles bleibt beim Alten.
Tricksen? Pragmatisch die Wünsche der anderen Seite bedienen um dann heimlich und hinter verschlossenen Türen doch das zu machen, was man für richtig hält? Den Ärger über diese Zumutungen herunterschlucken und nicht so tragisch nehmen, dass man immer wieder diese sinnlosen und Zeit raubenden Berichte schreiben, dieses Hühnerbeine Zählen durchführen soll usf.?
Da wurde von einem der Teilnehmer von einem Jugendzentrum berichtet, wo neuerdings nach Betreuungszeiten und nach Anzahl der anwesenden Jugendlichen abgerechnet wird. Und ein Jugendlicher, der zwischendurch rausgeht, um eine Zigrette zu rauchen, muss in der Anwesenheitsliste für diese Zeit ausgestrichen werden.
Wie blöd muss man eigentlich sein, um sich sowas auszudenken? Aber wie schafsgeduldig müssen wir sein, wenn wir so was müde und gequält belächeln, die Statistik frisieren und dann zu unserer wirklichen Aufgabe übergehen – soweit man uns noch lässt.
Neulich schrieb mir eine Hochschullehrerin: Wir sind hier noch am Diskutieren und es gibt da auch Meinungen, dass man eben realistisch sein müsse und die Leute für das ausbilden soll, wofür sie gebraucht werden, mit ein wenig kritischer Reflexion.
Ja freilich, da stehen auch die Hochschulen am Scheideweg:
- Den Studierenden empfehlen, dem Mainstream zu folgen und pragmatisch mitzumachen, mit ein wenig Kritik garniert.
oder aber:
- Die Studierenden dafür zu sensibilisieren, was faul ist, was unsere Profession zu einer bloßen Dienstleistung für die, für die es noch lohnt, verkommen lässt. Und sie stark zu machen und widerständig, damit sie in ihrer späteren Praxis – natürlich mit einer starken und sich in die Niederungen der Praxiskritk begebenden Hochschule im Rücken – stark machen können und wollen für eine Soziale Arbei, die diesen Namen verdient.