Bachelor gescheitert

 

In der FAZ, der man nun wirklich nicht gerade Anti-Neoliberalismus vorwerfen kann, stand am 9.  September ein Artikel mit dem Titel “Bologna-Prozess gescheitert”, auf den ich erst jetzt gestoßen bin.
Es wird berichtet, dass der Deutsche Hochschulverband zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Ziele, die mit der Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge angestrebt wurden, nicht nur nicht erreicht worden sind, sondern dass die “Reform” genau das Gegenteil bewirkt hat!
z.B.

  • Die erwünschte größere Mobilität der Studierenden wurde nicht erreicht, im Gegenteil . Der angestrebte “europäische Hochschulraum” wurde verfehlt.
  • Die Zahl der Studienabbrecher hat sich nicht verringert, sondern erhöht. 22% der Universitätsstudenten und 22% der Fachhochschulstudenten brechen inzwischen ihr Studium vorzeitig ab.
  • Da inzwischen an den Universitäten nur maximal nur 30% den Masterabschluss machen, der dem alten Diplomabschluss entspricht, bleibt die wissenschaftliche Ausbildung auf der Strecke. Hochschulen und Arbeitgeber erwarten den bewährten Ausbildungsgrad. Es müssten nicht 30 sondern bis zu 80% den Master machen. Bafög wird aber z.B. nur bis zum Bachelor bezahlt.

Der Hochschulverband fordert den Stop des Reformprozesses, soweit er noch zu stoppen ist.

Die Punkte oben lassen sich noch ergänzen:

  • Die neuen Hochschulabschlüsse pressen Studieninhalte in engere Zeitrahmen und verlangen gleichzeitig ein hohes Maß an Eigenstudium, sodass für die Studenten eine 40 bis 60 Stunden Woche dabei heraus kommt. Ein Großteil der heutigen Studenten muss aber Geld verdienen, um überleben zu können.
    Das heißt also für alle, die nicht hinreichend von ihren Eltern unterstützt werden oder wenigstens Bafög bekommen: entweder hoch verschulden oder nicht studieren.
  • Studieren und Geld verdienen läßt sich nicht mehr vereinbaren. Studieren ist immer weniger Bildungsprozess als Stress und kurzfristige Paukerei von Wissen, das in ständigen Prüfungsverfahren abgefragt und dann vom Studenten innerlich abgelegt wird.
  • Die zeitliche und notgedrungen auch inhaltliche Verkürzung des Bachelor-Studiums führt zur Zeit offenbar 80% der Universitätsstudenten zu einer enormen Qualifikationssenkung und einer Entwissenschaftlichung der Hochschulausbildung. Das gilt extrem für die Fachhochschulen:  95% unserer Fachhochschulstudenten (Fachbereich Sozialwesen) machen nur den Bachelor. Das bedeutet i.d.R. 1 Jahr weniger Studium für den normalen Sozialarbeiter.
  • Dies geschieht offenbar nach dem Motto: Sozialarbeiter sollen nicht denken und fragen, warum und wie sie etwas tun. Sie sollen das tun, was in den Qualitätshandbüchern der jeweiligen Träger drin steht: effiziente Arbeit durch effiziente – und bequeme – Ausgebildete.

Zu der Zeit, als ich am  17.10.2006    hier im Blog von der Umsetzung des Bologna-Prozess in unserem Fachbereich berichtete, galt man als Ewiggestriger und Reformunfreudiger, wenn man die neue “Studienreform” auch nur kritisch sah. Auf den Vorzügen des alten Diploms zu bestehen galt als unerwünscht, beinah als Kapitalverbrechen.

Aber “menschliche Irrtümer” der Politik und der Wirtschaft scheinen ja zur Zeit in Mode zu kommen. Und keiner schlägt sich an die Brust und geht in sich. Sondern das Geld der Steuerzahler wird hergenommen, um die durch Fehlplanung, ungeprüfte Schnellschüsse und Gier nach  großen Einsparungen oder großen Profiten entstandenen Folgeschäden, aufzufangen.

Über m.s.

Ich war 18 Jahre Professorin für Soziale Arbeit an der FH Jena (Methoden, Hilfen zur Erziehung, Schulsozialarbeit). Davor war ich 18 Jahre in der Praxis. Studiert habe ich Psychologie in Münster und Soziale Arbeit in Frankfurt a.M. Bücher: Schwarzbuch Soziale Arbeit Engaging Hilfe zur Erziehung zwischen Professionalität und Kindeswohl Das kann ich nicht mehr verantworten Ambulante Hilfe zur Erziehung und Sozialraumorientierung
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