Bewältigungsmechanismus 6: die ModernisiererInnen

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 Der aktivierende Staat benutzt die gleichen Begriffe wie die lebensweltorientierte Soziale Arbeit: Aktivierung, Hilfe zur Selbsthilfe, Eigenverantwortung, Empowerment, Koproduktion, Aushandlung….  Das hat fatale Folgen:

Es gibt viele SozialarbeiterInnen, die zu Recht kritisieren, dass in der bisherigen Praxis der Sozialen Arbeit die lebensweltorientierte Konzeption bislang noch nicht durchgängig Raum gegriffen hat. Die sehen nun in den Angeboten und Absichten des aktivierenden Staates die Chance, endlich konsequent die Soziale Arbeit machen zu können, die sie machen wollen.
Sie übersehen, dass die sozialpädagogischen Begriffe vom aktivierenden Staat in einer anderen Bedeutung und mit anderen Zielen benutzt werden. So kommt es, dass nicht selten begeisterte Verfechter der neoliberalen Modernisierungen  vorgeben und es vielleicht auch wirklich meinen, gleichzeitig konsequente Vertreter einer lebensweltorientierten Sozialen Arbeit zu sein.

Ein Beispiel aus meinem Schwarzbuch:

Poguntke-Rauer et al. bemühen sich in ihrem Beitrag: „Hilfeplanprozess und Assessment im Allgemeinen Sozialdienst durch EDV-Unterstützung“ (2007) darum, das Case Management als Methode auf den Hilfeplanprozess im Jugendamt zu übertragen, wobei sie durchaus die sozialpädagogischen Prinzipien von Sozialökonomie und Partizipation als wichtige Aspekte dieses Prozesses nennen und zu berücksichtigen suchen. Ihr Ziel ist es, durch den EDV-Einsatz „einer Beliebigkeit zur sozialpädagogischen Erkenntnisgewinnung und der daraus folgenden Hilfeentscheidung“ (S. 84) bei der Hilfegewährung entgegenzuwirken.
Die Kritik dieses Versuches will nicht das systematische Herangehen an den Hilfeplanungsprozess infrage stellen. Auch muss fairer weise angemerkt werden, dass bei dem Konzept der Autoren keine sanktionierenden Elemente im Rahmen der Hilfeplanung vorgesehen sind und sich dieser dokumentierte Case Management-Prozess insofern sehr wohl vom Fallmanagement unterscheidet. Aber dennoch: Die Autoren verwenden eine große Mühe darauf, die sozialpädagogische Arbeit der Hilfeplanung systematisch, rational, standardisierbar und technisch erfassbar zu gestalten. Die eigentliche Funktion der Hilfeplanung nach § 36 KJHG aber, die Beteiligung der Klientel an der Hilfeplanung im Sinne der Gewährleistung eines Koproduktionsprozesses – wie ihn z.B. Merchel schon 1997 gefordert und entsprechende methodische Bemühungen als unverzichtbar erklärt hat
  – wird zwar konzeptionell erwähnt, ihrer methodischen Umsetzung oder auch deren Dokumentation jedoch wird kein Gedanke geschenkt.
Automatisch aber, ist Betroffenenbeteiligung in einer rational durchstrukturierten Hilfeplanung nicht enthalten. Und es ist sehr gut vorstellbar, dass die Schwerpunktsetzung auf die technische Seite der Prozessgestaltung die praktizierenden MitarbeiterInnen des Allgemeinen Sozialdienstes nicht gerade dazu anregen wird, daneben noch viel Kraft und Zeit in ein motivierendes, partizipatives Umgehen mit der Klientel zu investieren. Die eigentlichen sozialpädagogischen Prozesse der Hilfeplanung bleiben bei dem Bemühen der Autoren unterbelichtet und werden sogar aus dem Blick gedrängt.

Über m.s.

Ich war 18 Jahre Professorin für Soziale Arbeit an der FH Jena (Methoden, Hilfen zur Erziehung, Schulsozialarbeit). Davor war ich 18 Jahre in der Praxis. Studiert habe ich Psychologie in Münster und Soziale Arbeit in Frankfurt a.M. Bücher: Schwarzbuch Soziale Arbeit Engaging Hilfe zur Erziehung zwischen Professionalität und Kindeswohl Das kann ich nicht mehr verantworten Ambulante Hilfe zur Erziehung und Sozialraumorientierung
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