VORTRAG: Michael Winkler (25.9.09)
REPRESSIVE SICHERHEIT – SOZIALE ARBEIT UND DIE DUNKLE SEITE DER INKLUSION
Am ersten Morgen des Kongresses überraschte mich der Vortrag von Michael Winkler . Nicht, dass ich hier Unbekanntes zu hören bekommen hätte. Was er seinem Publikum mitteilte, ist sehr wohl bekannt. Aber dass es so offen und deutlich ausgesprochen wird, das ist durchaus nicht selbstverständlich.
Michael Winkler kann sich mit der gegenwärtigen Sozialen Arbeit nicht mehr identifizieren, da sie zunehmend ein Instrument der Menschenbeherrschung geworden sei:
- Sie diene sich mit ihrem Empowermentkonzept den herrschenden Kräften bereitwillig an und verdinge sich als Abrichterin in Sachen Employability.
- Sie beteilige sich an einer Präventionspraxis, die Prävention als frühzeitige und nachhaltige Kontrolle und Verfügung über Menschen versteht und betrachte Familien als Risikofaktoren, die ständig überprüft werden müssen.
- Sie stelle sich begeistert der Aufgabe, durch Messung, Evaluation, durch Klassifizierungen, Screenings, Scanning und Kontrolle an der Entscheidung mitzuwirken, wer als potentieller Störer gelten soll.
- Da sie die Verantwortung eines jeden für sich selber als oberstes Ziel anerkenne, könne sie leichten Herzens ihre Aktivitäten im direkten Kontakt mit den Menschen zurückfahren und sich auf Sozialmanagement beschränken.
- Dabei bemühe sie sich intensiv, alles zu vermeiden, was nach Diskriminierung klingt und bediene sich skrupellos der guten alten sozialpädagogischen Begriffe: Aktivierung, Hilfe zur Selbsthilfe, Partizipation, Empowerment, Sozialraumorientierung, all diese Begriffe würden zu Zombies in einer Sozialen Arbeit, die bereit sei, sich missbrauchen zu lassen zur Eliminierung von Verhalten, das aus Sicht der herrschenden Politik zu einer Belästigung werden könnte.
Michael Winkler distanzierte sich von einer Sozialen Arbeit, die zur Durchsetzung einer bedrohlichen Konformität und Repression der Menschen beiträgt. Er fragte sich, wie man verhindern könne, dass unsere Profession heute selber zum Täter wird.
Aber, so gab er zu bedenken, die Zeiten einer kritischen Sozialen Arbeit seien dahin. Die ökonomisierte Soziale Arbeit sei ein Bündnis mit den Medien und mit der Politik eingegangen. Seit sie von dort Anerkennung bekommen und quasi an der Macht geschnüffelt habe, blieben ethische Fragen zunehmend ausgeklammert und eine politisierte Entpolitisierung mache sich breit. Da sie selber Mitinhaberin von Macht ist bzw. zu sein glaubt, sei grundlegende Kritik für sie mehr möglich. Kritik gelte vielmehr als Störung.
Und entsprechend ersetze nun Politik auch die Theorie: Die Ergebnisse der empirischen Sozialforschung gelten als Wahrheit. Theorie dagegen erscheint als Spekulation. Die gegebene Realität wird zum Maßstab der Praxis erklärt und die Profession begnügt sich mit partikularisiertem, positivistischem Wissen.
dieses Wissen allerdings, so Winkler, verdiene das Prädikat „Wissen“ nicht, da es weder nach Umständen noch nach Ursachen frage.
Bei all diesen Prozessen und Entwicklungen gehe laut Winkler die menschliche Qualität des Sozialen verloren. Deshalb müsse eine Soziale Arbeit, die sich am Sozialen orientieren wolle, wieder danach fragen, was Menschen brauchen und sich an der Ermöglichung von Leben, Selbstbestimmung und Gemeinsamkeit orientieren.
Der Vortrag von Winkler wurde von den Zuhörern konzentriert aufgenommen und es entstand eine ganz dichte Atmosphäre.
Wenn der Kongress danach zu Ende gewesen wäre, er hätte sich gelohnt.