„Wozu könnten wir Gewerkschaften und Berufsverbände denn brauchen?“

Diese Frage wurde auf unserer Veranstaltung am 5.5. immer wieder gestellt.
Für mich – und ich denke auch für die anwesenden Gewerkschaftsvertreter (Kollege König von ver.di und Kollegen Schmidt und Helwig von der GEW) sowie für den Vertreter des DBSH, Herrn König – wurde klar, dass es für die heutige Generation der Studierenden im Osten Deutschlands ganz und gar nicht selbstverständlich ist, von diesen Organisationen etwas Hilfreiches und Unterstützendes zu erwarten. Es fehlt nicht nur  Wissen über die  Existenz und Funktion dieser Verbände,  sondern auch so etwas wie ein „Urvertrauen“ darein, dass eine politische Interessenvertretung durch Organisationen wie Gewerkschaften und Berufsverbände einen Sinn machen könnte. Es gibt hier offenbar keinen Bekanntheitsbonus und keine Vorstellung von der Notwendigkeit berufspolitischer Organisation. „Ich trete grundsätzlich nicht so schnell in Vereine ein, warum sollte ich das hier tun?“, fragte eine Studentin.

Es gilt für Gewerkschaften und Berufsverband deshalb also, ganz von vorne anzufangen, sich bekannt zu machen, die eigene Vertrauenswürdigkeit und Kompetenz sowie den Nutzen für die Sozialarbeitenden  nachzuweisen. Hiermit sollte man an den Hochschulen anfangen. Aber erst dann kann erwartet werden, dass KollegInnen und evtl. auch schon Studierende eine entsprechende Organisation für sich in Betracht ziehen.

Grundsätzlich ist es erst einmal wichtig, für die Studierenden und die PraktikerInnen die Notwendigkeit des Sich zur Wehrsetzens zu vermitteln, den Zugang zum „Gemeinsam-sind-wir- stark“ erlebbar  zu machen und die gegebenen Verhältnisse in der Gesellschaft und konkret in der Sozialen Arbeit als politisch gemacht zu enttarnen und damit als prinzipiell  politisch veränderbar zu identifizieren. Hierzu können die Verbände beitragen aber z.B. auch die Hochschulen, die solche Fragen schon in den ersten Semestern aufgreifen sollten.

Vor allem aber müsste sich eine Art „Graswurzelbewegung“ kritischer Studiernder und PraktikerInnen entwickeln. Das kann den Betroffenen keiner abnehmen, weder die Verbände noch die Hochschulen, sie können nur Anregungen geben und entsprechende Initiativen unterstützen.
Es ist entscheidend, dass Studierende und vor allem PraktikerInnen anfangen, sich auszutauschen, und zwar über ihre Träger, ihre Einrichtungen und über Arbeitsfelder hinweg. Die Loyalität zum Träger, der selber finanziell in der Klemme steckt, die Eingebundenheit in die Unternehmen, in die sich all die ehemalig gemeinnützigen  Einrichtungen verwandeln mussten und die Vorstellung, dass Sozial Arbeitende in unterschiedlichen Praxisfeldern kaum gemeinsame Interessen haben, all das verhindert zur Zeit das Wachsen eines selbstbewußten, kritischen und offensiven Bewußtseins in der Sozialen Arbeit.

Für solche kritischen Arbeitsgruppen einer Stadt oder eines Landkreises könnten dann wieder die Verbände Rückhalt und Unterstützung bieten. Aber das ist m. E. erst der zweite Schritt. Am Anfang steht m. E. die  Einsicht, dass es einen Sinn macht, sich unter kritischen SozialarbeiterInnen zu vernetzen, sich gegenseitig zu unterstützen, zu informieren, auszutauschen und gemeinsame Strategien und Taktiken zur Durchsetzung ihrer Interessen und zur Durchsetzung von mehr Professionalistät und Fachlichkeit  zu entwickeln.

Über m.s.

Ich war 18 Jahre Professorin für Soziale Arbeit an der FH Jena (Methoden, Hilfen zur Erziehung, Schulsozialarbeit). Davor war ich 18 Jahre in der Praxis. Studiert habe ich Psychologie in Münster und Soziale Arbeit in Frankfurt a.M. Bücher: Schwarzbuch Soziale Arbeit Engaging Hilfe zur Erziehung zwischen Professionalität und Kindeswohl Das kann ich nicht mehr verantworten Ambulante Hilfe zur Erziehung und Sozialraumorientierung
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