Wenn Jugendhilfe zum Geschäft wird
Gestern Abend lief im 1. Programm zu später Sendezeit eine Dokumentation über die aktuelle Jugendhilfe.
Abgesehen davon, dass es schade ist, dass Journalismus zur Veranschaulichung und Dokumentation von Schieflagen nicht ohne „Skandalfälle“ auskommt, zeichnete der Film in bemerkenswerter Offenheit aktuelle Problemlagen in der Kinder- und Jugendhilfe, speziell in der stationären Hilfe zur Erziehung auf.
Zwar hätte man sich gewünscht, dass das Bild von der stationären Jugendhilfe differenzierter gestaltet worden wäre.Der Eindruck, dass hier mit den Kindern und Jugendlichen grotten schlechte Arbeit gemacht wird, blieb ein wenig auch an den Fachkräften hängen. Aber es sind nicht die Fachkräfte, die solche Zustände zu verantworten haben. Im Gegenteil, viele von ihnen würden sehr gerne wirklich sozialpädagogisch arbeiten, statt im Aufträge von verantwortungslosen und geldgierigen Trägern schlechte aber „sich rechnende“ Arbeit abliefern zu müssen. Diese Art von Trägern freilich gibt es und es ist ein großer Verdienst dieser Reportage, hier die Größenordnungen aufgezeigt und die Tatsachen bloßgestellt zu haben.
Kritisch muss man zudem anmerken, dass auch der Eindruck geweckt wurde, dass Träger sozusagen alle so sind, wie dargestellt. Es gibt auch heute viele Träger, die schwer darum kämpfen, gute Sozialpädagogik zu gestalten. Dass ihnen das schwer gemacht wird, liegt daran, dass auch sie, auch gegen ihren Willen und gegen ihre Vorstellungen gezwungen sind, wie Betriebe und Unternehmen zu arbeiten. Es geht darum, dass sie sich rechnen und es bleibt vielen nicht anderes übrig, als z.B. Mitarbeiterlöhne zu kürzen oder Kinder möglichst lange zu halten, um am Jahresende nicht pleite zu sein.
Die seltsame defensive Haltung der eigentlich Verantwortlichen wurde immer wieder deutlich, auch wenn im Film dazu nicht viel kommentiert wurde. Die Jugendämter hüllten sich vielfach in Schweigen, die Ministerien erweckten den Eindruck, dass sie durchaus auch mal bereit sind, auf gute Verfahren achten wollen. Der Zuschauer könnte durch diesen Film schon auf die Idee gekommen sein, sich zu fragen, wer den eigentlich das Schicksal der dargestellten Jugendlichen zu verantworten hat. Die geldgierigen freien Träger? Die zurückhaltenden und sich absichernden Jugendämter, die nicht genau hinschauen?
Und so muss man leider auch anmerken:
Was als Fakt deutlich hingestellt; aber nicht thematisiert und problematisiert wurde, ist die Tatsache, dass wir uns heute innerhalb der Jugendhilfe auf einem turbulenten Markt befinden, bei dem es um Gewinn und Ansehen, um Glanzbroschüren und um die eigene Absicherung geht – aber nicht mehr um die Kinder und Jugendlichen, deren Wert sich keineswegs nicht in Zahlen ausdrücken lässt. Ziel ist ganz offensichtlich nicht das Wohlergehen, die Entwicklungschancen und der Schutz insbesondere individuell und sozial benachteiligter Jugendlicher, sondern das Ziel aller Märkte: Umsatz, Gewinn, Wachstum….
Die neoliberale Umgestaltung unserer Gesellschaft hat auch diesen Bereich schon lange erfasst, umgestülpt und zu etwas degradiert, was in keiner Weise einem humanistischen Menschenbild entspricht. Hier liegt der Grundfehler und solange er nicht ausgesprochen wird, bleibt auch nach solchen kritischen Sendungen im Endeffekt nur ein Achselzucken nach dem Mott0: So ist das halt heute. Kann man leider nichts machen!
Mit Verlaub gesagt: Der Mensch ist keine Ware.
4 Antworten zu Mit Kindern Kasse machen