Seit gut 10 Jahren spielen in der Jugendhilfe die Kosten die Hauptrolle, nicht etwa die Erfordernisse für die Klientel

  • Eine inzwischen in Rente lebende ehemalige Sozialarbeiterin1, die viele Jahre in der Jugendhilfe und speziell Erziehungshilfe tätig war, äußert sich so:

„Ich habe zuerst in der damaligen Familienfürsorge bei der Stadt X. angefangen. Zu dem Zeitpunkt hatten wir noch sehr viele Möglichkeiten, unsere Arbeit kreativ zu gestalten und waren im engen Kontakt mit den Familien. Außerdem waren viele Kolleg*innen gewerkschaftlich organisiert, sodass auch ein guter Zusammenhalt untereinander vorhanden war. 1993 bin ich dann zum Jugendamt in den Bereich der Hilfe zur Erziehung gewechselt und nach einer Umorganisation in unserem Jugendamt 1998 eine Bezirksleitung übernommen. Zwar ging damals schon die Diskussion um die Kosten der Hilfegewährungen los, aber letztendlich war die sozialpädagogische Auffassung maßgebend. Dieses Verhältnis hat sich dann aber in den letzten 20 Jahren peu à peu verkehrt und seit mindestens 10 Jahren spielen in erster Linie Kosten und Aufblähung der Verwaltungstätigkeiten eine Rolle (und natürlich Absicherung der Vorgesetzten bei Kindeswohlgefährdungen). In meiner Leitungsfunktion galt ich bei meinen Vorgesetzten als unbequem und lästig, in meinem Team war es allerdings völlig anders. Aber die Arbeitsanforderungen haben mich aufgefressen, sodass ich irgendwann mit Burnout ausgefallen bin, sodass ich längere Zeit krank war. Und diese Gelegenheit nutzen die Leitungskräfte natürlich, um mich aus der vorherigen Funktion zu entfernen. Für mich wurde eine neue Stelle geschaffen mit der Aufgabe, Kolleg*innen fachlich in der Fallarbeit zu unterstützen und zu begleiten. Das wurde insgesamt gut angenommen, machte mir Spaß und ich nutzte die Gelegenheit, um in den Gesprächen die Absurdität der praktizierten Verwaltungsverfahren immer wieder zu thematisieren, stellte jedoch fest, dass die Kolleg*innen die Hoffnung auf Veränderung innerhalb der Verwaltung nicht mehr haben und auch nicht dafür kämpfen, sondern sich recht schnell einen anderen Arbeitsplatz suchen.“

  1. Um meine Kontakte zu schützen, kann ich keine Namen angeben und muss die Aussagen anonymisieren. ↩︎

Über m.s.

Ich war 18 Jahre Professorin für Soziale Arbeit an der FH Jena (Methoden, Hilfen zur Erziehung, Schulsozialarbeit). Davor war ich 18 Jahre in der Praxis. Studiert habe ich Psychologie in Münster und Soziale Arbeit in Frankfurt a.M. Bücher: Schwarzbuch Soziale Arbeit Engaging Hilfe zur Erziehung zwischen Professionalität und Kindeswohl Das kann ich nicht mehr verantworten Ambulante Hilfe zur Erziehung und Sozialraumorientierung
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