immer noch Pisa….

Eben höre ich im Radio: die deutschen SchülerInnen haben diesmal ein wenig besser abgeschnitten, liegen jetzt an 13. Stelle!

tafel.jpg

Unverändert aber ist, dass es in keinem der beteiligten Staaten so einen engen korrelativen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Schulerfolg gibt.
Es wird sogar noch eins drauf gesetzt: Schüler aus sozial benachteiligten Familien werden bei gleichem Leistungsstand seltener fürs Gymnasium vorgeschlagen. Wahrscheinlich denken die Schulpädagogen sich dabei: ” Der hat ja zu Hause keine Unterstützung in schulischen Angelegenheiten, wie soll er dann das Gymnasium schaffen” und meinen im Interesse der betroffenen Schüler zu handeln.

gymnasium.jpg schuleflach.jpg

Für die, denen Chancengleichheit nicht schon aus ethischen Gründen ein Anliegen ist:
Vielleicht stände Deutschland im internationalen Vergleich viel besser da, wenn diese Schülerreserve der sozial benachteiligten Kinder wirklich und mit entsprechendem Aufwand an Bildung herangeführt würde.
Intelligenz verteilt sich erfreulicher Weise nicht nach sozialen Gesetzen und Bedingungen, sondern sie ist in jeder Bevölkerung über Schichten und Gruppen hinweg gleich verteilt. Was die Natur uns vorgibt wissen wir ja bekanntlich perfekt auf den Kopf zu stellen. Wir vergeuden schlicht Humankapital.

Veröffentlicht unter alte Blogbeitrage | Schreib einen Kommentar

und wenn wir dann unseren Job verlieren?

Immer wieder das Gleiche:

Ich stelle den Studierenden Methoden und Konzepte einer Sozialen Arbeit vor, die von hoher Fachlichkeit und von einer deutlichen Achtung für den anderen Menschen, den Klienten, geprägt ist. In Fachkreisen nennt man diese Konzeption Sozialer Arbeit Lebensweltorientierung. Sie entstand in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts und bildet z.B. die theoretische Grundlage des erst 1990 verabschiedeten Kinder- und Jugendhilfegesetzes.
Dieses Gesetz geht zum Beispiel von der Notwendigkeit aus, gegenüber den Klienten und ihrer Sicht der Situation Respekt zu haben, sie nicht zu ihrem Glück zwingen zu wollen, sondern sie ins Boot zu holen und zu aktiven Kooperationspartnern der Sozialen Arbeit  zu machen. Das Gesetz versteht sich als Dienstleistung: Eltern und Minderjährige sollen Hilfe und Unterstützung bekommen, wo sie sie brauchen.
Ein Student berichtet von einem Fall, den er letzte Woche erst erlebt hat: Eine Mutter, die massive Erziehungsprobleme hat, die um ihren Rechtsanspruch auf Hilfe weiß, wendet sich um Hilfe ans Jugendamt – und wird wieder weggeschickt! Die Probleme waren dem Jugendamt nicht schwerwiegend genug. Geld ist nur noch da, wenn es eigentlich schon zu spät ist.

Heute ist dieses Gesetz oft nicht mehr das Papier wert, auf dem es steht. Formal wird es meistens beachtet, aber der Geist dieses Gesetzes wird ausgehebelt, umgangen, konterkariert. Natürlich steckt das liebe Geld dahinter, das Geld, das angeblich fehlt und das in diese Bereiche eben nicht investiert werden soll, das Prinzip der Ökonomisierung, das inzwischen alle gesellschaftlichen Bereiche dominiert und das allen vorschreibt, möglichst effizient, kostengünstig, rationell zu zu sein.

Freilich, das ist schließlich in allen Bereichen des Lebens so und trifft die Soziale Arbeit wie – fast – jeden anderen gesellschaftlichen Bereich auch. Nur, hier ist das folgenschwerer, als wenn es darum geht, Straßen zu bauhen oder Kaffeemaschinen zu produzieren.
Eine Soziale Arbeit, die einem humanen Menschenbild verpflichtet ist, braucht Zeit für diese Menschen, braucht Zeit für Kommunikationsprozesse, die nötig sind, um Probleme mit dem Betroffenen und nicht ohne oder gegen ihn zu lösen.

“Aber, Frau Professorin, Sie wissen doch auch, wie es in der Praxis heute aussieht, was wirklich geschieht, dass Entscheidungen nicht nach Fachlichkeit sondern nach Kostengünstigkeit gefällt werden, Sie wissen doch, wie oft keine Zeit bleibt, um auf die Menschen einzugehen, wie oft zu spät reagiert wird, weil Prävention keiner bezahlten will….”

Ja natürlich weiß ich das! Aber soll ich meine Studenten so ausbilden, dass sie in eine solche Praxis ohne anzuecken hineinpassen?
“Aber wenn wir uns wehren oder nur den Mund aufmachen, dann müssen wir Angst haben um unsere Arbeitsplätze. Und wir haben Familie oder wollen eine haben. …”

Natürlich kann ich das verstehen.
Es ist eine Schande, dass es so weit gekommen ist in unserem Land: Gesellschaftskritik und sei es die geringste, wird einem heute regelrecht übelgenommen, man macht sich verdächtig, nicht auf der demokratischen Grundordnung zu stehen- wobei hier die demokratische Grundordnung verwechselt wird mit der gesellschaftlichen “Ordnung” eines globalen Kapitalismus.
Nicht zufällig überschlagen sich die Medien anlässlich der “40 Jahre APO” in dem Versuch, in jenen Leuten, die die damalige Lebensordnung nicht akzeptieren wollten, die Zerstörer unserer Gesellschaft zu sehen: Die Gewalt in unserer Zeit hätte ihren Ausgang, so konnte ich vor ein paar Tagen im Radio hören, in den 68ern gehabt, denn denen war nichts heilig. Das schreit zum Himmel! Wem in unserem Land ist die Menschenwürde derjenigen Menschen heilig, die kein Geld haben, keinen Einfluss, die nicht zu den Machern und Gewinnern der Gesellschaft gehören?

Veröffentlicht unter alte Blogbeitrage | Schreib einen Kommentar

Warum studiert man heute Soziale Arbeit?

ich-mochte-gern-was-mit-menschen-machen.jpg

Das neue Semester hat angefangen. Wie immer haben wir 120 neue StudentInnen aufgenommen. Über 1400 hatten sich an unserer FH beworben. Ich weiß, das ist nichts ungewöhnliches: Studenten bewerben sich heute an 5, an 8 Hochschulen. Aber dennoch! Ich frage mich, warum immer noch und immer wieder so viele junge Leute, dieses Studium ergreifen!

Reich kann man damit wirklich nicht werden. Das ist natürlich auch der Hauptgrund, warum dieses Studium vor allem von Frauen gewählt wird. Aber selbst dann, wenn die Anstellungsträger sich noch an irgendwelche tariflichen Vereinbarungen halten, verdient eine Sozialarbeiterin deutlich weniger als z.B. ein Ingenieur, der auch an einer FH sein Studium abgeschlossen hat. Aber heute sind prekäre Arbeitsplätze aller Couleur in der Sozialen Arbeit ohnehin Gang und Gebe.
Warum also möchten so viele diesen Beruf ergreifen?
Die Arbeitsbedingungen für fachlich gute, die Menschen stärkende und unterstützende Soziale Arbeit werden seit Jahren zunehmend schlechter: Überall fehlt das Geld, Projekte werden eingestellt, MitarbeiterInnen müssen in der gleichen Zeit wie früher, mehr Klienten betreuen, mehr Aufgaben erledigen, mehr leisten. Das geht auf Kosten der MitarbeiterInnen und genauso auf Kosten der Arbeitsqualität und damit auf Kosten der Menschen, mit denen sie zu tun haben.

Traditionell ist der Sozialarbeiter ein Mensch, der sich für die Rechte und Bedürfnisse sozial Benachteiligter einsetzt. In den 68ern, als die berühmte Heimkampagne die Studentenbewegung begleitete und die Sozialarbeiterausbildung auf Fachhochschulebene angehoben wurde, verstanden sich viele SozialarbeiterInnen als parteilich für ihre Klientel und Soziale Arbeit war eine Fachdisziplin, die ganz deutlich und offen versuchte, sich in politische Angelegenheiten einzumischen und auch Politik zu machen.
Davon ist heute schon lange nichts mehr übrig. Und in den neuen, neoliberalen Zeiten fällt einem der alte Satz wieder ein, dass die Sozialarbeit immer ihrer Klientel aber ebenso dem System verpflichtet und verbunden ist. 1968 hat das dazu geführt, dass dieses Sytem kritisch gewertet wurde. Heute muss die Soziale Arbeit aufpassen, dass das System sie nicht auf die Straße setzt, wenn sie nicht brav effizient dem System zuarbeitet.

Politische Ambitionen haben die allerwenigsten Studenten der Sozialen Arbeit. Sie wollen helfen, wollen “irgendwas mit Menschen machen”…. Da kann man nur hoffen, dass man sie auch läßt oder besser, dass sie merken, was sie mit Menschen machen und noch rechtzeitig die Notbremse ziehen. Ein bisschen mehr politischer Wind würde der Sozialen Arbeit wirklich gut tun.

Veröffentlicht unter alte Blogbeitrage | Schreib einen Kommentar