ARBEITSGRUPPE II 25.9.09
KRITIK SOZIALER ARBEIT – KRITISCHE SOZIALE ARBEIT
Von dieser, von Helga Cremer-Schäfer und Fabian Kessl moderierten, Arbeitsgruppe hatte ich mir viel versprochen. Sowohl die Redaktion der Zeitschrift Widersprüche wie der Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit interessierten mich, fand ich doch dort in den letzten Jahren immer wieder Positionen, die mir vertraut waren und die mich überzeugen konnten.
Was dann aber “über die Bühne” ging war leider aus verschiedenen Gründen eine herbe Enttäuschung. Leider.
Das Eingangsstatement von Frank Bettinger über die Lage in der Sozialen Arbeit und ihrer Wissenschaft war noch nachvollziehbar und machte für die Thematik einen Sinn.
Was die Leute da vorne dann aber im weiteren Verlauf ‘rüberbrachten war eigentlich nur eine Klage und vielleicht auch Selbstanklage: Als kritische WissenschaftlerInnen versuchen sie, im bestehenden Betrieb und im Kontext einer sich selber genügenden und dem Gesetz des “immer origineller werden Müssens” unterworfenen Wissenschaft, kritische Beiträge zur Sozialen Arbeit zu leisten und haben dabei, wie sie selber sehen, einen zwiespältigen Erfolg. Sie sprachen vom “kalten Blick” der Rationalität, den sie zwangsläufig entwickelten, von einer gewissen Gleichgültigkeit nach außen und von der “Versenkung ins Besondere”, die dieses der Wissenschaftsszene verhaftet Sein mit sich brächte. Sie beklagten diesen Zustand auf der einen Seite und klagten gleichzeitig selbstkritisch – und wie mir schien ein wenig selbstgefällig – darüber, dass sie aus diesem Elfenbeinturm gar nicht heraus könnten, ja man hatte das Gefühl, auch nicht wirklich heraus wollten.
Und genau diesen Zustand führten die Leute auf dem Podium dann befremdend deutlich dem Publikum vor Augen, in dem sie sich hemmungslos und gedankenlos einer für viele der Anwesenden unverständlichen Fachsprache bedienten und untereinander Interna aus ihren bisherigen Diskussions- und Kooperationszusammenhängen andeuteten, die keiner verstehen konnte. Mit der Zeit bekam ich den fatalen Eindruck, dass sich vor uns Leute getroffen hatten, die oft mit einander diskutieren und heute, weil sie einmal so schön drin sind, eine ihrer Diskussionen einfach vor Publikum weiterführten, völlig selbstvergessen und selbst überschätzend, so als würden allein schon ihre Diskurse für ein interessiertes Publikum gewinnbringend sein.
Das war denn auch ziemlich frustriert und enttäuscht. Ein Teilnehmer meinte, er verstünde das alles nicht, er hätte geglaubt, hier etwas darüber zu erfahren, was kritische Soziale Arbeit sei und wie man kritischer Sozialer Arbeiter werden könne. Viele, besonders Studierenden, fühlten sich von dem Geschehen regelrecht verarscht – so zu vernehmen beim Verlassen des Saales.
Und da half es auch nichts, dass die Podiumsleute deutlich zu machen versuchten, dass – leider – die Kritik der Theorie und die der Praxis auseinander laufe und man es bisher nicht geschafft habe, diese Trennung zu überwinden. Was leider bewiesen wurde.
Nicht verstanden habe ich von vorneherein ohnehin, warum nur WissenschaftlerInnen auf dem Podium saßen und Vertreter von “Projekten und Initiativen einer kritischen Sozialen Arbeit” nicht erkennbar waren.
Das Ergebnis dieser Arbeitsgruppe ging für mich nach hinten los: Sie vermittelte weder die Notwendigkeit kritischer Sozialer Wissenschaft und Arbeit noch machte sie dafür Mut und ganz sicher machte sie darauf keine Lust.
Danke für eure Beiträge! Ich freue mich, dass von Seiten der PodiumsteilnehmerInnen so offen geantwortet wurde. Danke vor allem dem letzten Kollegen, der meine Befürchtung über den Eindruck des Plenums leider voll bestätigt hat. Vielleicht haben nicht alle so empfunden, aber ich habe etliche enttäuschte und auch resignative Reaktionen beim Verlassen des Hörsaal mitbekommen. Schön trotzdem, wenn nach der Veranstaltung sozusagen inoffiziell noch eine konstruktive Diskussion gelaufen ist, die ich leider nicht mitbekommen habe.
Mir ging es nicht darum, einfach eure Arbeitsgruppe runter zu machen. Ich war enttäuscht im Interesse der Sache. Denn das Thema und eine Auseinandersetzung damit ist meines Erachtens ganz und gar zentral und nötig. An der gedrängten Fülle im Hörsaal konnte man ja sehen, dass hier Leute gekommen waren, die diese Notwendigkeit genau so sahen und die dabei sind, Wege und Lösungen zu suchen, um eine kritische Haltung in der Theorie und Praxis der gegenwärtigen Sozialen Arbeit zu ermöglichen, zu entwickeln und gegen den Mainstream und die offizielle Politik durchzuhalten. Manche hatten vielleicht noch den Vortrag von Winkler im Ohr, der es geschafft hatte, bei seinen ZuhörerInnen Aufmerksamkeit und Sensibilität für die falschen Zwischentöne der gegenwärtigen Entwicklungen zu erzeugen und der den Wunsch, etwas zu tun und sich das nicht einfach anzusehen, vermutlich bei vielen geweckt hatte.
Da war dann das, was in Eurer Arbeitsgruppe ablief eher doch sowas wie eine kalte Dusche. Das ist schade und ich finde es wichtig, wenn man das auch deutlich sagt. Nur so können wir uns verbessern, denn es geht nicht darum, solche Themen dann doch besser stecken zu lassen, sondern ganz im Gegenteil…
Im Übrigen bin ich nicht der Meinung, dass es die Aufgabe der kritischen WissenschaftlerInnen der Sozialen Arbeit ist, der Praxis Rezepte und Anleitungen für eine kritische Praxis zu liefern. Aber ich denke doch, dass es ihre Aufgabe wäre, theoretische Grundlagen und fachliche Argumentationen zu liefern, die die kritische Praxis stützen können. Dazu gehört vor allem eine Sprache, die fachlich korrekt aber dennoch verständlich ist. Nichts gegen fachliche Codes und eine wissenschaftliche Fachsprache in der Sozialen Arbeit, aber wir werden der Praxis nur Unterstützung geben können, wenn wir diese Codes auch knackbar machen und uns dazu herbeilassen, uns so auszudrücken, dass die PraktikerInnen damit wirklich arbeiten können.
Für den interessierten Studenten, der zum Bundeskongress und in die AG gekommen war, war es ein skurriles Schauspiel, kaum zu verstehen, geschlossen, demotivierend. Ich selbst fand mich eher in Gedanken zu Metakommunikation, denn zum Thema Kritik in der Sozialen Arbeit. Amusant anzuschauen war es allemal; wie eine Wasserburg names Kritik, über deren Eingangstor `Herzlich Willkommen´ stand – jedoch mit hochgezogenem Steg. Und mit Burgbewohnern, die im Inneren darüber debattieren, warum keiner zu besuch kommt; und die an ihrem Tisch eigentlich keinen Platz mehr frei haben. Wenn Kritik nicht anschlussfähig ist, dann verfehlt sie ihre Wirkung. Mir ist klar, dass es ein schmaler Grad ist – wissenschaftlich kritisch und verständlich zu sein. So detailiert dort in Fachdiskussionen abgeschwiffen wurde, so sehr drängte sich mir der Eindruck auf, wie wenig sich anscheinend mit dem Setting der Veranstaltung beschäftigt wurden war. Schade!
Die Kritik ist sicher insofern berechtigt, als sich die in der Kritik der Kritik Sozialer Arbeit analysierten Ausschlussmechanismen in der Veranstaltung reproduziert haben. Schade, dass die Enttäuschten nicht noch an der Diskussion zwischen Studierenden und PodiumsteilnehmerInnen nach dem offiziellen Ende der AG dabei sein konnten, in der die zuletzt von Studierenden gestellten Fragen, “wie lerne ich Kritik?” und “wie wird kritische Soziale Arbeit möglich?” sehr konstruktiv weiter diskutiert wurde.
Dass auf dem Podium keine VertreterInnen kritischer Praxisprojekte Sozialer Arbeit saßen, hat schlicht damit zu tun, dass sich im AK Kritische Soziale Arbeit keine fanden, denen der Termin gepasst hätte oder die sich getraut hätten, ihre Arbeit öffentlich zu präsentieren. Gerade deshalb hat sich das Podium entschieden, sich auf eine Kritik der Kritik Sozialer Arbeit zu konzentrieren. Dass im Hochschulbereich Tätige Leuten in der Praxis Sozialer Arbeit sagen, wie sie kritische Soziale Arbeit zu betreiben hätten, wäre wohl mehr als vermessen.
So wird es aus meiner Sicht in Zunkunft mehr denn je darauf ankommen, den AK Kritische Soziale Arbeit als einen Ort zu gestalten, in denen von Seiten der Praxis wie auch der Hochschule die Herausforderungen aufgenommen wird, über die unterschiedlichen Produktionsbedingungen von Erfahrung hinweg, nach gemeinsamen Produktionsweisen von Erfahrung und gemeinsamen Projekten zu suchen.
Zunächst möchte ich mich für die ehrliche und schonungslose Kritik unserer AG bedanken und freue mich gleichzeitig darüber, dass unser Thema, wenn auch in der Form einer Enttäuschung, Wellen schlägt; dazu noch in die richtige Richtung, denn den Elfenbeiturm wollten wir ja gerade kritisieren, auch wenn das wohl inhaltlich nicht ganz ankam…
durch unsere (wohl eher nicht gelungene) Performanz scheinen wir wohl dennoch unser Anliegen der Kritik zugänglich gemacht zu haben, indem wir das ungewollt nachgestellt haben, was wir kritisieren wollten (den Elfenbeinturm und seinen Einfluss auf kritisches Denken).
Wenn sich dabei jemand “verarscht” vorkam, sorry dafür, Kritik ist nunmal immer auch ein Wagnis mit offenem Ausgang.
Thomas Wagner ( an dieser Stelle als Frank Bettinger ausgewiesen, der während der AG jedoch gar nicht anwesend war)