Warum sind Soziale ArbeiterInnen so wenig selbstbewußt?

In diesem Wintersemester habe ich ein Seminar zum Thema „Soziale Arbeit zwischen Professionalität und Ohnmacht“ angeboten. Die Studierenden kommen haufenweise. Hier liegt ganz offenbar ein großes Problem.

Zur Einstiegsdiskussion habe ich ihnen eine Liste mit 7 Fragen vorgelegt. Die Gruppe sollte abstimmen, in welcher Reihenfolge sie diese Fragen diskutieren möchte.

Folgende Fragen standen zur Debatte:

  1. Warum haben Sozialarbeitende eine so unterentwickelte berufliche Identität und so ein geringes fachliches Selbstbewusstsein?
  1. Welche Anteile haben die Sozialarbeitenden selber am gegenwärtigen Prozess der Deprofessionalisierung?
  1. Was können wir eigentlich, was andere Berufe nicht können? Was sind unsere Alleinstellungsmerkmale?
  1. Werden in der heutigen Praxis überhaupt professionell ausgebildete Soziarbeiter gebraucht?
  2. Wie können wir nach außen unsere Professionalität besser vertreten und deutlich machen?
  3. Wie könnte man sich gegen fachliche Zumutungen wehren?
    Welche Möglichkeiten bestehen, die Professionalität unseres Faches in der Praxis sicher zu stellen?
  4. Wie könnte man am Praxisort Gleichgesinnte finden und sich als kritische SozialarbeiterInnen zusammentun?

 

Und was wollten die StudentInnen diskutieren:

  1. Was können wir, was andere Professionen nicht können? (Alleinstellungsmerkmale)
    (Was können wir im Kontext der anderen Professionen nicht?)
  2.  Warum sind wir nicht selbstbewusst? Welchen Anteil haben wir selber daran, wie man uns sieht und behandelt?
  3. Wie können wir uns anders präsentieren, darstellen, unsere Ansprüche als Profession deutlich machen, uns vor anderen Professionen behaupten?

Die Frage nach dem, was in der Praxis wirklich los ist und ob Fachlichkeit heute gewünscht wird, stieß nur bei Wenigen auf Interesse.
Noch weniger schien der großen Mehrheit die Frage diskussionswürdig, wie man sich in einer solchen Situation wehren kann oder sich gar zusammentun könnte, um sich zu wehren.

Eine erschreckende Bilanz?
Ich weiß nicht, vielleicht  muss man erst mal an dem fehlenden Selbstbewußtsein und dem Professionsverständnis arbeiten, damit die Zumutungen der Praxis überhaupt als solche erlebt werden können?

Geduld ist angezeigt.

Über m.s.

Ich war 18 Jahre Professorin für Soziale Arbeit an der FH Jena (Methoden, Hilfen zur Erziehung, Schulsozialarbeit). Davor war ich 18 Jahre in der Praxis. Studiert habe ich Psychologie in Münster und Soziale Arbeit in Frankfurt a.M. Bücher: Schwarzbuch Soziale Arbeit Engaging Hilfe zur Erziehung zwischen Professionalität und Kindeswohl Das kann ich nicht mehr verantworten Ambulante Hilfe zur Erziehung und Sozialraumorientierung
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