leider nicht erfunden …

Seit 8 Jahren macht die Sozialpädagogin Susanne P. (Name verändert) in einer sächsischen Kleinstadt in einer Mittelschule allwöchentlich einen Kochkurs. Anfangs ging es wirklich nur ums Kochen. Längst ist aus der Gruppe der derzeit 8 Kinder eine Art Club geworden, wo sie sich treffen, wo sie sich ausprobieren können, wo geredet und erzählt wird, wo soziales Lernen stattfindet, wo sich die Kids wohlfühlen und  wo sie über sich hinauswachsen können.
Von den 8 Kindern sind 7 aus sozial benachteiligten Familien, alle 8 gelten in der Schule als lernunwillig und leistungsgestört. Auch die Eltern sind kaum an ihnen interessiert. Aber hier im Club sind sie kreativ, machen sie begeistert mit. Und am Ende des Jahres gibt es sogar leckeren Kuchen für alle.
Aber darauf kommt es Susanne gar nicht an.
Aber es ist schön, wenn die Kinder Erfolg haben und merken, was sie können.  Im Unterricht haben sie jedenfalls keine Erfolgserlebnisse und die meisten von ihnen werden  längst als Looser abgestempelt.
Susanne aber erlebt ihre Jugendlichen völlig anders. Z.B. machen die Jugendlichen  zusammen mit Susanne ein mal im Jahr eine Exkursion in die Werkstatt ortsansässiger Metzger- und Bäckerbetriebe und dürfen sich dort selber betätigen. Das ist jedesmal ein echtes Highlight, die Jugendlichen sind begeistert. Und die Meister erleben die Jugendlichen und ihre eigentlichen Qualitäten  – jenseits von allen Schulnoten! In den letzten Jahren  wurden drei Jugendliche anschließend in eine Lehre übernommen.

Nun könnte man meinen, mit diesem Projekt schmückt sich der begeisterte Schulleiter, die Leherer stehen Schlange bei Susanne, um sich abzugucken, wie man solche Kids begeistert.
Und das Jugendamt, so sollte man doch annehmen,  versucht, ähnliche Projekte an andere Schulen zu vermitteln.
Man könnte erwarten, im Lokalblatt stände ein toller Artikel über das Projekt, seine Erfolge, seine Protagonisten und den sozialpädagogischen Ansatz dieses „Kochkurses“.
Aber wir leben hier und heute und es ist leider ganz und gar anders.

Susanne muss sich damit auseinandersetzen, dass die Schule auch nach 8 Jahren kaum von ihrer Person und ihrer Arbeit, geschweige denn von ihren Ergebnissen Notiz nimmt und dass man ihr  neuerlich Beurteilungsbögen in die Hand drückt, wo sie das Verhalten ihrer Gruppenmitglieder je nach gezeigter Disziplin und nach Fleiß bewerten soll.
In der Hoffnung, von sozialpädagogischer Seite her Unterstützung zu finden, hat Susanne versucht, im alljährlichen Bericht für das Jugendamt endlich einmal klarzustellen, dass sie keinen Kochkurs macht, sondern tatsächlich Sozialpädagogik praktiziert.  Aber ihr eigener Träger gab ihr den Bericht zurück mit der Bemerkung, das sei ja alles schön und gut, aber bezahlt würde sie für einen Kochkurs.  Dass sie eigentlich sozialpädagogisch tätig sei, wäre ja o.k., aber man müsse es gegenüber dem Jugendamt und der Schule, nicht an die große Glocke hängen. Letztere brauche Leute, um ihre AG Strecke im Kontext Ganztagsschule zu bestücken.  Und das Jugendamt sei im Kooperationsvertrag verpflichtet, diese Leute zu liefern. Und alles andere sei Luxus.

Wenn das so ist, frage ich mich, warum erklären wir unseren StudentInnen eigentlich, was Fachlichkeit ist?  Warum machen wir uns die Mühe, ihnen Methoden und Handlungsorientierungen beizubringen, wenn niemand von denen, die die Arbeit – schlecht genug – finanzieren, daran interessiert sind, dass sie ihr Geld auch wert ist: die Schule nicht, der Chef nicht, der Träger nicht und offenbar auch nicht das Jugendamt?

Frage: Was kann Susanne tun? Was können wir tun?

Über m.s.

Ich war 18 Jahre Professorin für Soziale Arbeit an der FH Jena (Methoden, Hilfen zur Erziehung, Schulsozialarbeit). Davor war ich 18 Jahre in der Praxis. Studiert habe ich Psychologie in Münster und Soziale Arbeit in Frankfurt a.M. Bücher: Schwarzbuch Soziale Arbeit Engaging Hilfe zur Erziehung zwischen Professionalität und Kindeswohl Das kann ich nicht mehr verantworten Ambulante Hilfe zur Erziehung und Sozialraumorientierung
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Eine Antwort zu leider nicht erfunden …

  1. kranich05 sagt:

    Wie wärs, wenn die Looser-Jugendlichen dem Jugendamt, dem Chef, dem Schul-Direktor, der örtlichen Zeitung, – wem auch immer – einen tollen Kuchen spendieren würden… und so vielleicht ins Gespräch kämen.
    Mit anderen Worten und als Erstes, vielleicht lassen sich andere Wege finden, um die Arbeit von Susanne bekannter zu machen.

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