Ein trojanisches Pferd scharrt mit den Hufen

Die Diskussionen um das KJHG Reform ist keineswegs abgeebbt. Die Prozesse im Lande, die seit 2010 unter dem Titel: „Wiedergewinnung kommunalpolitischer Handlungsfähigkeit zur Ausgestaltung von Jugendhilfeleistungen- Änderung des Kinder- und Jugendhilferechtes“ laufen, gehen munter weiter und werden auch schon in den ersten Städten (z.B. Hamburg) erprobt.

Die KritikerInnen formieren sich. Im Blog der Internetseite „www.einmischen.com“ kann man den entstehenden Widerstandsprozess verfolgen und sich vernetzen. Auf der Homepage selber steht unter „heiße Themen“ ein zusammenfassender Bericht  über die Thematik sowie eine Stellungnahme des Unabhängigen Forums kritische Soziale Arbeit.

Die Träger und Fachverbände sagen: das ist ja alles noch gar nicht spruchreif, das muss man schon genauer betrachten, bitte nicht übertreiben, im Prinzip ja aber, aber jedenfalls nicht ohne uns, schließlich geht es ja gar nicht anders……

Die herrschende Politik in Personen der Staatssekretäre der A-Länder (das sind die SPD regierten Länder, was einen nach Hartz IV nicht unbedingt beruhigen kann) beteuert: Wir wollen den individuellen Rechtsanspruch doch gar nicht antasten. Wir wollen die Jugndhilfe verbessern.

Und das klingt dann etwa so:

„Besteht Hilfebedarf bei den Sorgeberechtigten, ist dieser grundsätzlich und vorrangig durch Verweisung in sozialräumliche Hilfsangebote oder Angebote der Familienförderung  und der Elternbildung zu erbringen. Formliche Hilfen zur Erziehung werden danach nur genehmigt, wenn im Einzelfall absehbar ist, dass sozialräumliche Hilfen keinen Erfolg versprechen und bereits gescheitert sind. Die Hilfen sollen grundsätzlich nicht als Einzelmaßnahmen innerhalb der Familienwohnung stattfinden.“ (Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration Hamburg, Mai 2011)

Der Herr, der von der Bundesregierung den Auftrag hat, die Gruppe der Staatssekretäre und ihre Arbeit zu begleiten, Dr. Wolfgang Hammer, Leiter des LJA Hamburg, hat in der neuenpraxis vom Oktober 2011 einen Artikel zur Thematik geschrieben unter dem Titel: Neue Praxis oder Paradigmenwechsel? Zur Notwendigkeit einer Weiterentwicklung der Hilfe zur Erziehung und des Kinderschutzes“. hammer-aufsatz.pdf

Das klingt gar nicht schlecht und wer in diesen Text hineinschaut, ist zunächst einmal angetan bis entzückt, wie kritisch und fachkundig Herr Hammer hier mit der Wirklichkeit heutiger Hilfen zu Erziehung umgeht. Als Kenner der Materie beruft er sich auf die professionelle Soziale Arbeit, wie sie etwa 1980 im Rahmen der Lebensweltorientierung formuliert wurde und betont die unbedingte Notwendigkeitkeit, sich wieder auf dieSozialraumorientierung zu besinnen. Wenn man weiter liest, wird immer deutlicher, worum es ihm geht und worauf er schließlich hinaus will:

 “Deshalb gilt es flächendeckend einen Paradigmenwechsel einzuleiten, der unter der Leitlinie steht: Erzieherische Unterstützung wird regelhaft durch eine wohnortnahe, alltagsentlastende unterstützende Infrastruktur geleistet. Familien sollen Unterstützungsangebote erhalten, die ihre Alltags- und Erziehungskompetenz nachhaltig stärken. Der Rechtsanspruch auf eine geeignete Hilfe zur Erziehung wird im Regelfall am wirkungsvollsten – und mit der stärkeren Beachtung der Menschenwürde – durch entsprechende Angebote der Infrastruktur erfüllt, die eine große Einzelwirkung entfalten.”

Hammer verweist auf Hamburg als Land, in dem seine Erkenntnisse schon am weitesten umgesetzt sind.
In Hamburg wurden 2011 die Haushaltsmitte für ambulante Hilfen für Familien von vormals 77 Mio. auf 15,7 Mio. runtergekürzt. Das Budget für die von Hammer so gepriesenen „Neuen Hilfen“, die  vor allem im Bereich der sozialen Infrastruktur angesiedelten Hilfen beträgt 16 Mio.

Das nenne ich Perspektivwechsel und Reform: Man schlägt euphorisch einen „neuen, fachlich so viel richtigeren Weg“ ein und spart dabei 32 Mio. Euro.

Das trojanische Pferd steht wiehernd vor dem Tor!

Ich habe mir erlaubt,  dem Gaul ein wenig unter die Hufen zu sehen.

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Schwarzbuch Soziale Arbeit die 2.

Dieser Tage ist die 2. überarbeitete und erweiterte Neuauflage des Schwarzbuches Soziale Arbeit herausgekommen.

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Ich danke meinen LeserInnen für die vielen Zuschriften, für Anregungen, Kritik und Lob. Nur dadurch hatte ich die Kraft und den Mut, das Buch zu erweitern und neu herauszubringen.Im Wesentlichen habe ich das Schlusskapitel erweitert, also die Frage „Was können wir tun?“ noch intensiver verfolgt.
Außerdem habe ich versucht, Erklärungen dafür zu finden, dass unsere Profession von der gegenwärtigen Sozialpolitik derartig leicht vereinnahmt werden konnte. Welchen Anteil hatte sie und hat sie selber an dieser Entwicklung?

Ich hoffe, auch die 2. Auflage wird von der kritischen Profession gut aufgenommen und kann  dazu beitragen, KollegInnen zum einen aufmerksam zu machen auf das, was gerade mit uns geschieht, zum anderen aber auch dazu, Sozialarbeiterinnen mutiger, zuversichtlicher und selbstbewußter werden zu lassen.
Ich denke, es lohnt, sich für unsere Profession, für diesen anspruchsvollen und erfüllenden Beruf  einzusetzen, auch wenn es schwer ist und viel Kraft kostet –  so wie es zu kämpfen lohnt für ein menschenwürdiges Leben für alle.
Beim Lesen viel Spaß, viele Aha-Erlebnisse und gute Ideen für die eigene Praxis!

wünscht Mechthild Seithe

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4.11. Mahnwache Berlin

Mahnwache zur Rettung des KJHG 4.11.2011 in Berlin

Nun ist alles soweit bei uns geklärt:          kjhg.jpg
wir werden unseren Protest gegen die Verhandlungen um die Weiterentwicklung und die drohende Aushöhlung des KJHG, die bisher hinter verschlossenen Türen stattfindet, deutlich kundtun.

Am 4.11. 2011 treffen wir uns zur Mahnwache vor der Hamburgischen Landesvertretung, Jägerstr. 1-3, 10117 Berlin)

Da das Treffen dort um 11.00 Uhr beginnt, werden wir ab 10.30 Uhr vor dem Gebäude sein. Die Mahnwache ist bei der Polizei von 10.30 Uhr bis 16.00 angemeldet.

Wir werden im Vorfeld an den Hausherrn der Hamburger Vertretung, Herrn Staatsrat Pörksen schreiben und ihm unsere Forderung auf Information, Beteiligung und Mitwirkung bei diesem, uns alle betreffenden Vorgang mitteilen.

Das Schreiben werden wir hier veröffentlichen, sobald es fertig gestellt und mit der Post an Herrn Pörksen raus gegangen ist. Über evtl. Antworten werden wir ebenfalls hier informieren.

  • Wenn unser Schreiben ernst genommen werden sollte und einige von uns dazu eingeladen werden, an der Sitzung teilzunehmen, wird trotzdem weiterhin unten die Mahnwache  deutlich machen, wie ernst es uns ist mit unserer Sorge und mit unserer Empörung.
  • Wenn man uns abblitzen lässt, wird die Mahnwache alleine dafür sorgen müssen, dass die Öffentlichkeit und die Herren und Damen hinter den verschlossenen Türen, von unserem Anliegen und unseren Forderungen erfahren.

mahnwache.jpg     Bringt heißen Kaffee mit und wer braucht, eine klappbare Sitzgelegenheit. Ein bissschen Musikmachen wäre auch nicht schlecht, es müssen ja nicht nur Trillerpfeifen und Kochtöpfe sein. Wer kann, sollte sich ein Plakat oder Transparent mitbringen (nach dem Motto: “Hände weg vom Rechtsanspruch auf Erziehungshilfe”; vielleicht findet ihr ja auch was Verständlicheres). Laut Internet wird es nicht regnen und gar nicht so sehr kalt sein. Also kommt und bringt gute Laune mit.

Bisher haben Leute aus Hamburg, aus Berlin und aus anderen Ecken des Landes ihr Kommen angekündigt. Es können ruhig viele werden.

So kommt ihr zur Landesvertretung:

U-Bahnlinien U 2 bis “Mohrenstraße” bzw. U 6 bis “Französische Straße” oder mit der S-Bahn bis Bahnhof “Unter den Linden”. Nur eine Station entfernt: der U- und S-Bahnhof “Potsdamer Platz” und der U-, S- und Regionalbahnhof “Friedrichstraße”

 karte.jpg

Noch genauer hier

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Aufruf: kommt am 4.11.2011 nach Berlin

Achtung!

lesen! merken! weiterleiten! verschicken!

                 – und kommen!!!!!

Am  4. 11. 2011, 11.00 Uhr  (Hamburgischen Landesvertretung, Jägerstr. 4, Berlin) sollten so viele wie möglich von uns in Berlin sein. Da tagt eine Expertenrunde der Länder und Kommunalen Spitzenverbände,  um weiter und im nächsten Schritt über den Abbau der Jugendhilfe zu beraten.

Das Unabhängige Forum (www.einmischen.com) hat seit Wochen immer wieder zu diesem Thema im Blog berichtet (Kategorie: “Aushöhlung des KJHG”)
Bisher wurden alle Schritte der politischen Szene in diesem Zusammenhang unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemacht. Wir aber wollen hier mitreden: Hände weg vom KJHG! Hände weg vom Rechtsanspruch auf Hilfe zur Erziehung! Hände weg von einer Steuerung der Hilfen zur Erziehung!

Matthias Heintz schickt uns heute den brandneuen wie brandeiligen Aufruf:

Der Prozess der Kinder- und  Jugendhilfedemontage ist in vollem Gange

– höchste Zeit sich konkret einzumischen

 Allen Interessierten an der Kinder- und Jugendhilfe dürfte die derzeitige Entwicklung im Zusammenhang mit der seit Monaten bestehenden A-Länderinitiative bekannt sein. Inzwischen ist diese Initiative, die unter anderem die Abschaffung des individuellen Rechtsanspruches plant, die das Subsidiaritätsprinzip kippen möchte und eine Kinder- und Jugendhilfe nach dem Gießkannenprinzip jetzt auch politisch und rechtlich wasserdicht machen möchte, sehr weit vorangeschritten. Die Kommunalen Spitzenverbände und die Staatssekretäre der SPD regierten Bundesländer wollen jetzt für diesen Paradigmenwechsel auch den Bund mit ins Boot nehmen.

Am 4. November trifft sich auf Einladung des Hamburgischen Senates eine sog. Expertenrunde der Länder und Kommunalen Spitzenverbände, um diesen inhaltlichen Umbau der Kinder- und Jugendhilfe inhaltlich voranzutreiben, hinter dem sich ein massiver Qualitätsabbau unserer fachlichen Arbeit und ein Abbau an Rechtsansprüchen für Kinder und Eltern verbirgt.

Alle, die den bereits vollzogenen Qualitätsabbau in der Kinder- und Jugendhilfe als inakzeptabel betrachten, sollten sich nun gegen diese weiteren Schritte zur Wehr setzen.

 Wir sind die Fachöffentlichkeit, die sich gegen einen voranschreitenden Abbau der Qualitätsstandards und der Rechtsansprüche wehrt. Wir tun dies laut und wir tun dies persönlich. Am 4. November werden wir bei diesem Treffen der A-Länderinitiative anwesend sein und uns einmischen.

 Am 4. November um 11.00 Uhr beginnt die Sitzung eines sog. „Expertenworkshops“ (siehe Einladungsschreiben auf der Einmischen-Website www.einmischen.com  der Länder und Kommunen in der Hamburgischen Landesvertretung, Jägerstr. 4 in Berlin. Lasst uns, die Fachkräfte von der Basis, Eltern, Kinder und alle an einer qualitativ gut gestalteten Kinder- und Jugendhilfe dort erscheinen. Wir werden persönlich und konkret mitreden.

Matthias Heintz, 13.10.11

 

 Wer von euch kommen kann, sollte sich hier im Kommentar oder per mail (mech.seithe@gmx.de) melden, damit wir einen Überblick bekommen, wieviele wir sein werden.

Details zum Treffpunkt und Ablauf werden wir rechtzeitig veröffentlichen.

Link  verschicken : aufruf-zum-einmischen-am-411-kjhg.doc

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Demontage des KJHG wird weiter vorbereitet

z.B. kann man es hier nachlesen:


Es gibt Leute, die halten das Ganze nach wie vor für harmlos. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass es hier dem KJHG mit seinem Rechtsanspruch auf Hilfen zur Erziehung schlicht an den Kragen gehen soll.

Dieser Rechtsanspruch ist die einzige Chance unserer Profession in der Jugendhilfe und unserer KlienteInnen, sich auf Rechte der Klientel zu beziehen und diese im Zweifel – auch gegen das Verhalten der Verwaltung  – einzuklagen.

So eine Auffassung von Jugendhilfe entspricht nicht mehr der Auffassung von sozialen Rechten des aktivierenden Staates. Wer Rechte bekommen soll, bestimmt hier der Staat. Und der hat so seine Vorstellungen.

  • Hilfen zur Erziehung werden fachlich flach gesehen, z.B. wird die Sozialpädagogische Familienhilfe betrachtet wie eine Familienstütze, die keinerlei fachlicher Kompetenzen bedarf,
  • es wird behauptet, Hilfen zur Erziehung seinen wirkungslos, was bei den miesen Bedingungen, die die Verwaltung für ihre Durchführung zum Teil zur Verfügung stellt, niemenanden verwundert,
  • sie werden gegen Angebote der sog. präventiven Jugendarbeit inhaltlich und vor allem finanziell ausgespielt. (Wenn denen Schließungen drohen, muss man das Geld eben einfach von den „fetten“ Erziehungshilfen holen. Und da steht nur dieser blöde Rechtsanspruch im Wege.)
  • sie werden schon deshalb mit Mißtrauen betrachtet, weil sich nach Gesetz die inhaltlich fachliche Gestaltung der Hilfen bei freien Trägern dem direkten inhaltlichen Einfluss des Jugendamtes entzieht (nicht nur deshalb, aber auch deshalb wird die Steuerung der Inhalte über die Steuerung und Bremsung der Kosten versucht).

Ich halte diesen jetzt angelaufenen (und leider nur logischen) Versuch der Staatssekretäre für einen bösen Meilenstein in der Entwicklung der Sozialen Arbeit.
Wenn es nicht gelingt, das zu stoppen, fällt die Soziale Arbeit in die Zeit vor dem JWG zurück.

Wenn die PraktikerInnen der Hilfe zur Erzihung weiterschlafen, wird genau das passieren.

Wenn die PraktikerInnen der Jugendarbeit in das Horn der Politik blasen und sich gegen die Hilfen zur Erziehung stellen, werden sich die die Hände reiben, die schon lange versuchen, die Soziale ARbeit mit „teile und herrsche“ klein zu halten.

Wenn wir nicht mehr wissen, dass wir alle in ein und derselben Profession tätig sind, dass Soziale Arbeit nicht das eine oder das andere ist, sondern ein komplexes Gefüge von Ansätzen und Arbeitsfeldern darstellt, in denen grundsätzlich die gleichen Ziele und gesellschaftlichen Aufgaben anstehen, der leistet in dieser Frage Unterstützung und beteiligt sich an der Demontage nicht nur des KJHG sondern der Jugendhilfe insgesamt.

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Filmbeitrag zur kritischen Sozialen Arbeit

Der Tagungsfilm der Tagung  AUFSTEHEN  WIDERSPRECHEN  EINMISCHEN  vom Juni diesen Jahres ist fertiggestellt

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Vorspann:

Es wird Zeit, dass Soziale Arbeit anfängt, sich gegen die ihr seit Jahren zugefügte Vermarktlichung, gegen ihre fortschreitende Deprofessionalisierung sowie gegen die menschenverachtenden, sozialpolitischen Entwicklungen in unserer Gesellschaft zur Wehr zu setzen.
Deshalb haben wir diese kritische Tagung ins Leben gerufen.
150 SozialarbeiterInnen aus allen Ecken Deutschlands kamen am 17.6.2011 nach Berlin, weil sie nicht länger zusehen und schweigen wollen …

Ihr könnt ihn euch ansehen unter www.einmischen.com , Tagungsrückblick/Film

oder direkt zum Film

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Was passiert da mit uns (3)

Stichwort KJHG

Und jetzt wird überlegt:

„Das KJHG war ja ganz schön, aber eigentlich passt es nicht mehr in die Landschaft. Der Rechtsanspruch auf Hilfe zur Erziehung ist zwar – gottseidank – nicht wirklich bei der Bevölkerung bekannt. Aber trotzdem ist hier ein Problem: Wir können auf grund dieses Rechtsanspruches die Kosten nicht wirklich bremsen und steuern. Warum auch sollte in der Jugendhilfe noch Verhältnisse bestehen, die wir in der Sozialhilfe schon lange abgeschafft haben. Also bitte: keine Leistung ohne Gegenleistung! Wer sich nicht aktivieren lässt, liebe Frau Maier mit ihren drei missratenen Kindern, der hat eben Pech gehabt.“

Eine Soziale Arbeit, die parteilich für Sozial Benachteiligte eintritt und sie als gleichwertige Menschen behandelt, die sich für ihre Rechte einsetzt, die wird es perspektivisch in dieser Gesellschaft kaum noch geben.

* Schuld auch daran sind die, die Soziale Arbeit in ihr neolibereles Korsett gezwungen haben.

Wir sollten uns das nicht gefallen lassen!

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Was passiert da mit uns (2)

Stichwort: Freie Träger

  • Vor vierzig, dreißig Jahren bezahlten die Freien Träger im Westen ihre SozialarbeiterInnen besser als die Ämter und zwar übertariflich. Die öffentlichen Stellen der Jugenhilfe hatten Schwierigkeiten, gute Leute zu bekommen und kämpften darum, dass ihre Arbeit als  ebenso fachlich qualifiziert angesehen und erkannt wurde.
  • Vor  zwanzig Jahren ging es los mit der Ökonomisierung. Das bedeutete ein tiefes Mißtrauen gegen  den Sozialstaat, den öffentlichen Dienst und nicht zuletzt gegen die Soziale Arbeit. Man fing an, die Jugendhilfe umzuschichten auf Freie Träger. Dort erhoffte man sich  mehr Qualität. Später spekulierte man auch darauf, dass Freie Träger bereit wären, untertariflich zu bezahlen und damit billger würden als die öffentlichen Einrichtungen. Mit der Privatisierungswelle schließlich gab der öffentlich Träger jede eigene praktische Jugendhilfe auf, alles wurde nach draußen vergeben, outgesourctt, verkauft, weggegeben.

Die Freien Träger hatten nicht wirklich viel von dieser Entwicklung, die sie zunächst wohl mit Freude begrüßt haben dürften. Sie wurden Unternehmen und ab sofort galt es, „sich zu rechnen“. Freie Träger mussten ab da mit ihren KlientInnen, mit ihren MitarbeiterInnen, mit ihrem ganzen „Betrieb“, ihrer Konzeption etc. wie Unternehmer umgehen. Die Prizipien der Marktwirtschaft fingen an, die Fachlichkeit in den Hintergrund zu drängen. Die Erbringer von Jugendhilfeleistungen fanden sich zudem in einem Konkurrenzverhältnis zu den anderen Trägern (den ehemaligen Kooperationspartnern) wieder und waren dem Druck z.B. der Jugendämter ausgesetzt, ihre Angebote so billig zu machen, wie eben möglich – oder eben auch noch billiger. Und um an den Auftrag zu kommen, akzeptierte man die zu kleinen Budgets , auch wenn sie den Arbeitsbedarfen nicht entsprachen. Dann musste die Ware eben irgendwie billiger produziert werden….
Die Folgen sind der Profession nur zu bekannt: Prekäre Arbeitsplätze, nicht oder nur halbherzig erfüllte Rechtsansprüche von Eltern, Kindern und Jugendlichen, eine Soziale Arbeit, die oberflächlich und kurzschrittig  geworden ist, die immer mehr Züge von Verwaltung und reiner Aufbewahrung annimmt.

  • Viele, vor allem kleine freie Träger sind in diesem Prozess kaputt gegangen.
  • Die großen Wohlfahrtsverbände haben sich als Unternehmen „aufgestellt“ und versuchendabei nach außen  ihr soziales Image irgendwie mitzunehmen. Hört man ihre öffentlichen Verlautbarungen, glaubt man, alles sei wie früher. Der gleiche Wohlfahrtsverband aber, der angeblich so treu und vehement für die Interessen der sozialbenachteiligten Menschen eintritt, er bezieht seine ehemaligen Mitarbeiter, nachdem er sie selber gekündigt hat, jetzt über Leihfirmen. Da sind sie viel billiger!
  • Und dann gibt es natürlich auch die, die gar nicht mehr unterscheiden zwischen einem sozialen und einem anderen Unternehmen. Und da muss dann natürlich für den Unternehmer selbstverständlich auch ein Maserati abfallen. Und auf Kosten der Mitarbeiter und KlientInnen machen solche „Unternehmen“ Gewinn oder zumindest ein gutes Stück Geld für die eigene Tasche. Und alle empören sich über ein solch unmoralisches und geldgieriges Verhalten – ausgerechnet bei denen, die Soziale Arbeit leisten sollen!

Soziale Einrichtungen verhalten sich heute so, wie Unternehmer, die mit allen Mitteln an Geld kommen müssen und wollen und sonst nichts mehr im Kopf hat. Und darüber regen sich alle auf. Zu Recht.

*  Schuld aber sind die, die Soziale Arbeit zu einem Markt gemacht haben, der genau solche Entwicklungen möglich macht und dazu verführt.

Stichwort Wirkung:

Soziale Arbeit hat nicht mehr die Grundlagen und Voraussetzungen, um wirklich qualifiziert fachlich arbeiten zu können und um  die Wirkungen erreichen zu können, die sie selber als Soziale Arbeit anstrebt. Gefordert sind kurzfriste Ergebnisse, sog. „Erfolge“, die man sehen, die man zur Schau stellen, die man abrechnen und die man in Bilanzen ausdrücken kann.
Es wird der Sozialen Arbeit in dieser marktförmigenVariante z.B. die Zeit nicht zur Verfügung gestellt, die sie braucht, um wirklich Menschen zur eigenen Aktivität und Selbsthilfe bewegen zu können.
Es werden ihr Methoden und Vorgehensweisen vorgeschrieben, die Menschen eher verwalten, als sie zu erreichen und bei denen man sich nicht scheut, mit Sanktionen und Druck zu arbeiten. Das aber können die Polizei und die Verwaltung besser. Dafür brauchen wir wirklich keine SozialarbeiterInnen.
Soziale Arbeit hat Schwierigkeiten, ihre Wirksamkeit nachzuweisen. Unter den prekären, verknappten, inhaltlich geleerten Arbeitsbedingungen ist es schwer, noch Wirkung zu haben.

* Schuld daran sind die, die ihr vorher die Beine abgehackt haben, aber sie zynischerweise jetzt auffordern, los zu laufen und zu zeigen, was sie kann.  Um ihr und der Welt zu beweisen, dass sie nichts schafft, nicht wirkt und eben eingespart werden kann.

    Jetzt wird überlegt: Wie können wir diese sinnlosen, wirkungslosen freien Träger wieder loswerden und alles an uns ziehen und damit für eine kontrollierte, noch mehr begrenzte, im Interesse des aktivierenden Staates eingebundene Soziale Arbeit sorgen. Das spart enorm Geld und man kann die Reste der alten, sprich parteilichen, an Menschenrechten orientierten Sozialen Arbeit, die sich auch noch eigene fachliche Autonomie zuschreibt, endgültig unterbinden?
    Denn bei freien Trägern ist sie durchaus noch anzutreffen und viele Sozialarbeiter versuchen, sie dort um- und durchzusetzen. Das muss aufhören!

    Die Informationen aus Hamburg (s. vorletzter Bericht) spricht eine verdammt deutliche Sprache.

    Wir sollten uns das nicht gefallen lassen!

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    Was passiert da mit uns? (1)

    Mit einigem Grausen verfolge ich die aktuelle Diskussion im Berliner Tagesspiegel. Eine Journalistin, die ehedem offenbar Soziale Arbeit studiert hat, schreibt einen vernichtenden Beitrag über ihren Job als Familienhelferin.

    Nicht nur, dass allein in der Art, wie sie über diese Arbeit schreibt, ihr völlies Unverständnis der Sozialpädagogischen Familienhilfe durchschimmert – ich möchte nicht wissen, wer die junge Journalistin bezahlt hat und sie bejubelt für diesen, in den allgemeinen Mainstream so wunderbar passenden Artikel. Man sieht an Buschkowski, der gleich draufspringt  vor allemaber an den vielen Beiträgen der LeserInenn zum Artikel, die in der Überzahl der Journalistin Recht geben und Beifall klatschen, dass hier eine altbekannt Sau durchs Dorf getrieben wird: Soziale Arbeit ist Unsinn, kostet horrende Summen, bringt nichts, wird nur gemacht, damit die Träger an Knete kommen und die Sozialarbeiter an ihr Geld, sie  bedient die Leute, macht sie faul und bequem……..

    An den Beiträgen zum Artikel kann man mit Schrecken feststellen, dass die Menschen, die das lesen und dazu ihre Meinung sagen, offenbar noch weniger Ahnung haben als die Journalistin, von dem, was Soziale Arbeit will, soll, kann – oder besser sagen wir – könnte, wenn man sie ließe.

    Die Gegendarstellungen der Freien Träger, die inzwischen vorliegen, sind gewollt sachlich, merkwürdig wenig empört über das Bild der Sozialen Arbeit, das hier verbreitet wird. Sie sind vor allem bemüht, sich rein zu waschen. Man gibt Fehler zu, aber vor allem stellt man  fest: man ist doch besser, als die anderen meinen.

    Und es ist ja auch gar nicht so leicht zu erklären, was da tatsächlich passiert heute in einer Sozialen Arbeit, die zum Marktgeschehen umfunktioniert wurde und zur Effizienz verdammt ist.

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    Rechtsanspruch im KJHG bedroht!!

    heute schrieb mir Florian Bode aus Hamburg:

    Hallo nach Berlin !

    Wir sind im Netz auf Eure Seite (gemeint ist: www.einmischen.com) aufmerksam geworden.
    Derzeit sind ja politische Bestrebungen der SPD-Staatssekretäre bei uns in Hamburg in der Presse offenbar geworden,
    mit der Zielsetzung den Rechtsanspruch des SGB VIII abzuschaffen bzw. einzuschränken.
    Dieses Vorhaben und die grundsätzliche Steuerungswut, die derzeit über die Soziale  Arbeit und bei uns in der
    Jugendhilfe herienbricht hat uns dazu gebracht uns zu organisieren.
    Wir sind dabei einen Verein zu gründen.
    Wir haben bereits angefangen eine Blog zu den jeweiligen Themen zu schaffen, um über die Vorhaben in diesem Bereich zu informieren.
    Gerne würden wir, auch wenn erst noch im Aufbau begriffen, uns mit Eurer Initiative vernetzen.

    Wir haben den Verein vor 1,5 Wochen gegründet.
    Derzeit sind wir hauptsächlich kritische Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die im HzE Bereich bei freien Trägern arbeiten. Den einen oder anderen Teilnehmer haben wir auch schon außerhalb der Sozialarbeiterschaft.
    Unser Hauptanliegen derzeit ist vor allem die Bewußtmachung der Themen, denen Ihr Euch auch widmeten.
    Wir versuchen zu einem über den Blog mit Texten und Aufrufen Öffentlichkeit herzustellen. Zum anderen suchen wir Mitstreiter, die auf abgeordnetenwatch.de die Politiker aus Bundestag und aus den relevanten Bundesländern mit Fragen überhäufen, die die derzeitige Sparpolitik unter die Lupe nehmen.

    Ich füge hier mal den Link zu unserem Blog ein, sodass Ihr einen ersten Eindruck bekommen könnt:
    http://jugendhilfehamburg.blogspot.com/

    Lieben Gruß nach Berlin

    Florian Bode

    1.Vors. Initiative zur Förderung einer wirkungsvollen Jugendhilfe

    ACHTUNG

    Auf der Blogseite der Gruppe (Wirkungsvolle Jugendhilfe e.V.) kann man den Wortlaut der Koordinierungssitzung der Staatssekretäre von Hamburg, Bremen und Berlin nachlesen. Es fallen einem schier die Haare aus davon!

    Der Verein hat dazu gute Analysen und Stellungnahmen geschrieben, sehr lesenswert.

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