Krawalle der Ausgegrenzten

Was ist in England los?

Da greifen Menschen zu Chaos und Gewalt, nehmen sich „einfach“, was sie haben wollen, negieren jede Grenze und jede Regel und lassen – offenbar ohne Skrupel – über dieses Land das Chaos hereinbrechen. Die Bilder erschrecken. Man möchte nicht dabei sein. Und auch auch als Sozialarbeitende steht man mit Grausen vor dem Desaster, dass Menschen so verrohen können, dass sich Gewalt so sinnlos äußert.
Es fällt schwer angesichts der brennenden Häuser einen klaren Kopf zu behalten und kritisch zu sehen, dass hier Menschen auf Lebensverhältnisse reagieren, die ihnen nichts zu bieten haben als Armut, Ausgrenzung, Perspektivlosigkeit und strukturelle und kulturelle Gewalt, die ihnen aber gleichzeitig  von früh bis spät vorgaukeln, dass das persönliche Glück das einzige Lebensziel und materieller Reichtum der einzige Sinn des Lebens sei. Die Medien und die Werbung belügen und betrügen sie von morgens bis abends und machen ihnen die Erreichbarkeit aller Konsumgüter vor. Aber sie können nicht teilhaben. Sie stehen vor dem hellerleuchteten Schaufenster des Reichtums ihrer Gesellschaft. Aber sie dürfen nicht rein. Klar, dass sie irgendwann nicht mehr einsehen, dass sie draußen stehen bleiben sollen.  Sie wachsen in einer Atmosphäre der Verachtung, des Hasses und der Gewalt auf, nicht weil das alles von vorneherein in ihnen steckt, sondern weil ihnen genau so begegnet wird.
Im Grunde muss man sich wundern, dass sie so lange warten, bevor sie ausbrechen.
In Deutschland zerbrechen sich nun sofort alle Leute die Köpfe darüber, ob uns hier auch so ein Ausbruch der ausgeschlossenen, ausgestoßenen und verachteten Gesellschaftsteile bevorstehen könnte.

  • Nein, sagen einige, bei uns sind doch alle integriert, wir sorgen schon dafür, dass sie es sind und wir halten sie doch still mit unserem Geld, wir versorgen sie doch ausreichend.

Eine ziemlich freche Position, finde ich, zynisch eigentlich in einem Land, w0 Integration zu einer Bringeschuld umdefiniert wurde und über Centbeträge gestritten wird, die Kinder brauchen oder nicht brauchen für eine menschenwürdige Entwicklung.

  • Doch, sagen die anderen,  bei uns gibt es genauso Ausgegrenzte, Menschen, die Wut ansammeln könnten über ihre schlechten Lebensbedingungen, Wut auf die satte Gesellschaft, die sie einfach an den Rand schiebt, Wut auf eine Gesellschaft, die ihnen nichts zu bieten hat und ihnen einfach voller Verachtung  den Rücken zukehrt.

Aber dann folgt meistens gleich die Aussage: Wir brauchen mehr Polizei zm Schutz vor diesen Gewalttätern und Plünderern, vor drohenden Krawallen und Gefahren.

Wenn ich vielleicht eine Sekunde lang geglaubt haben sollte, gehofft habe, dass da also doch endlich einmal  Leute sind, die  zur Kenntnis nehmen, dass eine Spaltung durch diese Gesellschaft läuft, dass die Gesellschaft wirklich einen ganz schön großen Teil  ihrerMenschen ausgrenzt und dass diePolitik aktiv und aggressiv an dieser Ausgrenzung beteiligt ist – schon im nächsten Moment wird mir klar:

Die Soziale Benachteiligung eines Teils der Bevölkerung wird von solchenLeuten zwar konstatiert, aber nur als logistisches Problem, als Risiko, als einzukalkulierende Störung unseres Wohlstandes und unserer Ruhe betrachtet: Wie können wir dieses Risiko eindämmen? Wie können wir uns schützen? Wie können wir möglichst präventiv solche Leute aussondern? Wieviel Polizei brauchen wir? usf. Und es wird selbstverständlich davon ausgegangen, dass dieser Ausgrenzungsprozess zwar vielleicht problematische Folgen hat, dass er aber unvermeidbar ist und in Zukunft, bei noch knapperen Mitteln, noch massiver werden könnte.
Keine, fast keine Stimme sieht die eskalierende Situation als Beweis für die Notwendigkeit, diese Ausgrenzung zu beenden,sSoziale Benachteiligung abzuschaffen, die Lebensbedingungen dieser Menschen menschenwürdig zu machen. Niemand ist bereit oder kann es sich auch nur vorstellen, dass  Politik und die sie dominierende Wirtschaft die grundlegenden Ursachen dieses Risikos beseitigt, zum einen von mir aus, um sich selber zu schützen, zum anderen aber natürlich, um diesen Menschen Menschenwürde und Gerechtigkeit zu teil werden zu lassen.
Es ist tatsächlich so:
Heute geht es nicht mehr um den Schutz der Armen vor der Gesellschaft, sondern nur um den Schutz der Gesellschaft vor den Armen.
Und wo steht da die Soziale Arbeit? Wo soll und wo darf sie stehen? Und wo will sie stehen?

Unsere verrohte, unmenschliche Welt sollte sich wirklich nicht wundern, wenn es aus dem Wald so herausschallt, wie hineingerufen wurde.

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In Berlin hat ein neues AKS Treffen stattgefunden

Am vergangenen Donnerstag haben sich 16 Leute zum ersten AKS Treffen in Berlin eingefunden. Etwa die Hälfte der TeilnehmerInnen waren in Bachelor- oder Masterstudiengängen involviert, die anderen kamen aus der Praxis. Zwei Hochschullehrerinnen waren auch da.
Schön war, dass die Gruppe sich alle Zeit der Welt genommen hat, um in der Runde die verschiedenen Sichtweisen und Kritikpukte der Einzelnen anzuhören und dann auch darüber zu sprechen. Die Atmosphäre war angenehm und locker. Niemand hat versucht, sich in den Vordergrund zu spielen.(Die beiden Hochschullehrerinnen haben sich zumindest darum bemüht). 🙂

Die Gruppe hat sich darauf geeinigt, sich in Zukunft ein mal im Monat zu treffen und zwar in der Regel am letzten Montag im M0nat.
Die nächsten Termine sind:
01.9.2011 um 19.30 Uhr  Kinzigstr. 9 (ausnahmsweise an einem Donnerstag)
26.9.2011 um 19.30 Uhr Kinzigstr. 9

Eine interessante Erfahrung und ein vielversprechender Start!

Die Studierenden, so fiel mir auf, waren durch die Bank unzufrieden mit den unkritischen Lehrinhalten und der oberflächlichen und neoliberal angepassten Konzeption der Sozialen Arbeit. Sie möchten sich gerne mit Fragen auseinandersetzen wie: Was ist eigentlich Soziale Arbeit, wie kann bzw. könnte sie aussehen unter anderen gesellschaftlichen und sozialpolitischen Bedingungen? Die anwesenden PraktikerInnen schlagen sich Tag aus Tag ein mit den Ärgernissen vor Ort herum: mit den prekären Arbeitsverhältnissen, unter denen sie selber leiden, mit den zu knappen Zeitkontingenten, den vorgeschriebenen methodischen Zugängen, die es kaum ermöglichen, KlientInnen wie Menschen zu behandeln und ihnen respektvoll zu begegnen usf. Sie wollten versuchen, solche Bedingungen zu bennen, dagegen Schritte zu ergreifen, die Öffentlichkeit zu informieren, sich mit der Politik und der Verwaltung darüber argumentativ auseinander zu setzen.
Auf den ersten Blick sah es aus, als gäbe es zwei verschiedene Interessenschwerpunkte, die man nicht unter einen Hut bekommen würde.  In der Diskussion wurde bald klar, dass die praktischen Probleme nicht wirklich angegengen werden können, wenn die politische, theoretische und fachlich-wissenschaftliche Basis nicht wirklich geklärt wurde. Und umgekehrt macht das Herunterbrechen der theoretischen Überlegungen auf ganz konkrete Probleme und Situationen aus der Praxis diese Überlegungen erst nützlich und sinnvoll.
Die Gruppe will jetzt beides machen: sie will theoretische Fragen diskutieren und gleichzeitg immer auch gemeinsame Strategien für konkrete Probleme der Praxis erarbeiten und in die Tat umsetzen. Der Versuch, sich weiter und umfassend zu vernetzen, mit KollegInnen zu diskutieren und bei den eher Unpolitischen und Angepassten Aufklärung zu betreiben, sowie der Versuch, mit Öffentlichkeitsarbeit auf die Probleme aufmerksam zu machen, sind weitere Arbeitsaufgaben, die die Gruppe sich gesetzt hat.

Die Gruppenmitglieder waren durchweg an einer kritischen Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Sozialen Arbeit interessiert und suchten für sich dringend Gleichgesinnte und einen Ort, wo sie über diese Fragen offen und angeregt reden können.

Man kann gespannt sein, wie es weiter geht.

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Kritik am eigenen Unternehmen oder am Träger – ein Kündigungsgrund? Nein!

Darf ein Arbeitnehmer die Arbeitsverhältnisse in seinem Betrieb öffentlich kritisieren? Er darf!

Diese Frage beschäftigt seit langem viele KollegInnen in der Sozialen Arbeit. Viele fühlen sich ohnmächtig, weil sie meinen, dass sie sich selber schaden und einer Gefahr aussetzen, wenn sie ihre Meinung laut sagen. Für viele steht scheinbar fest, dass das öffentliche Kritisieren fachlich unzumutbarer Zustände beim eigenen Arbeitgeber und in seinem Unternehmen (z.B. zu wenig Zeit, um die Aufgaben im Sinne der KlientInnen und der Fachlichkeit zu lösen)  gegen die Loyalitätspflicht zum Arbeitgeber verstößt, weil sie unerlaubt Dienstgeheimnisse ausplaudert und dem Unternehmen wirtschaftlichen Schaden zufügen kann. Genauso sehen das ohne Frage auch die Unternehmen im Sozial Bereich selber.

Es bedurfte des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), um der deutschen Justiz klar zu machen, dass ein Arbeitnehmer, der öffentlich die Arbeitsverhältnisse an seinem Arbeitsplatz und bei seinem Unternehmen anprangert, nicht gekündigt werden darf. Diese Entscheidung wurde am vergangenen Donnerstag veröffentlicht.

Für die deutschen Behörden und Gerichte stand 6 Jahre lang der Schutz der Interessen des Unternehmens  über der Meinungsfreiheit der ArbeitnehmerInnen und über der Notwendigkeit, Kritik auszusprechen und Wahrheiten zu verkünden, die gegen die erforderliche Fachlichkeit und die Würde der Klientel verstoßen.

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Frau Brigitte Heinisch, Altenpflegerin, Beschäftigte des Berliner Gesundheitszentrums Vivantes,  hatte schon 2002 – zusammen mit anderen Kolleginnen – die Geschäftsleitung darauf hingewiesen, dass die Pflegekräfte in ihrer Einrichtung überlastet waren und deshalb die PatientInnen nicht angemessen versorgen konnten. Alle Beschwerden blieben ungehört und blitzten ohne Erfolg ab. Im Gegenteil. Sie wurde verwarnt mit dem Hinweis, dass es nicht das Recht der MitarbeiterInnen sei, mit Äußerungen wie “ Wir haben zu wenig Zeit .“ oder „Wir sind zu wenig Personal“ an die Öffentlicheit zu treten. Solche Äußerungen würden dem Unternehmen schaden und seinen deshalb unbedingt zu unterlassen. Andernfalls drohten Konsequenzen. 2004 schließlich stellte Brigitte Heinisch Strafantrag gegen Vivantes und wurde promt gekündigt.
Dass diese Kündigung zu Unrecht ausgesprochen wurde, ist jetzt klargestellt. Frau Heinisch wurden 15 000 Schadensersatz zugesprochen.

In der Jungen Welt können die Einzelheiten nachgelesen werden. Die sonstige Presse hält sich zurück. Wie so oft kam einmal in den Radionachrichten eine kurze Information. Abends war sie schon nicht mehr zu hören und auch im Internet musste ich lange suchen, um irgendeinen Hinweis aufzutreiben.

Ich fand dabei nur folgende interessante Argumentationen, die durchaus auch für uns nützlich sein könnten:

 

Auszug:

Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bestehen gewisse Loyalitätspflichten zwischen den Parteien, so eine gegenseitige Rücksichtnahmepflicht. Hier treffen sich zwei Grundrechte: Auf der einen Seite steht das durch Art.12 Grundgesetz (GG) geschützte Interesse des Arbeitgebers, nur mit solchen Mitarbeitern zu arbeiten, die die Ziele des Unternehmens fördern und es vor Schäden bewahren; auf der anderen Seite steht das durch Art. 5 GG geschützte Recht des Arbeitnehmers auf freie Meinungsäußerung.

Eins ist klar: Unwahre Tatsachenbehauptungen und ehrverletzende Äußerungen unterfallen nicht dem Schutz der Meinungsfreiheit, so dass solche Verhaltensweisen je nach Erheblichkeit mit einer Abmahnung oder sogar mit einer außerordentlichen Kündigung geahndet werden können.

Was aber ist mit an und für sich zulässigen Äußerungen? Auf XING beklagt sich ein Arbeitnehmer darüber, dass ältere Mitarbeiter im Unternehmen nicht geschätzt und  mehr oder weniger offen gedrängt würden, auszuscheiden – ein Hohn sei es, dass das Unternehmen sich dann allerdings in den Medien als Vorzeigeunternehmen mit ausgewogener Personalstruktur darstelle.

Darf der Arbeitgeber solche Äußerungen verbieten? Man wird das nur in engen Ausnahmefällen so sehen können, da der Meinungsfreiheit in unserer Gesellschaft ein hoher Stellenwert zukommt: Das Bundesverfassungsgericht hat sie seinerzeit im Lüth-Urteil (Urt. v. 15.01.1958, Az. BVerfG 7, 198) als eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt bezeichnet.

Denkbar ist die Sanktionierung einer Äußerung nur in Fällen, in denen der Betriebsfrieden erheblich gestört wird oder dem Unternehmen offensichtlich ein merklicher Schaden droht. Lästert also zum Beispiel der Mitarbeiter eines Gebäudereinigungsunternehmens via Twitter darüber, dass die Mehrzahl der Reinigungskräfte ihren Job schlecht macht, dann droht dem Reinigungsunternehmen ein merklicher Schaden, denn potenzielle Auftraggeber werden lieber eine andere Firma beauftragen.

Der Arbeitgeber wird in solchen Fällen die konkreten Äußerungen untersagen können. Im Rahmen seiner Rücksichtnahmepflicht kann er kritische Äußerungen jedoch nicht komplett verbieten.

Mut zur unbequemen Wahrheit

Das Grundrecht  der Meinungsfreiheit  schützt die Meinungsvielfalt.  Die Meinungsvielfalt funktioniert, wenn es in einer Gesellschaft Menschen gibt, die den Mut haben, auch unbequeme Wahrheiten zu äußern.

 Für das Arbeitsleben gilt nichts anderes: Ein Arbeitgeber sollte kritische oder sich positionierende Mitarbeiter nicht als Bedrohung, sondern als Chance sehen.

 

Der Autor Christian Oberwetter, Rechtsanwalt und Maître en droit, ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und IT-Recht in Hamburg und Verfasser zahlreicher Publikationen auf diesen Gebieten.

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eine, zwei, drei, viele Organisationen der Sozialen Arbeit?

Wer vertritt Sozialarbeitende gewerkschaftlich: der DBSH, die GEW oder ver.di? Ich denke alle, jeder für sich?

Wer vertritt die Soziale Arbeit fachpolitisch : der DBSH, die Gilde Sozialarbeit e.V., die Arbeitskreise Kritische Soziale Arbeit, die Fachverbände, die Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit. ……..

Es gibt so viele Fachverbände wie Arbeitsfelder, so viele Gruppierungen wie Interessenvarianten, es gibt eigentlich niemanden, der für unsere Profession sprechen kann, wenn es darauf ankommt. Und es kommt darauf an.

Auf unserer Tagung – aufstehen – widersprechen – einmischen –  neues-bild-spirale-1.GIF
wurde viel über diese Frage und dieses Problem gesprochen und diskutiert.

Bei den festgehaltenen Ergebnissen die in den 9 Workshops erarbeitet wurden, tauchte das Thema immer wieder auf:

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Zitate von den Wandzeitungen:

„Wir brauchen ein organisatorisches gemeinsames Dach, so etwas wie ein Solidarisches Bündnis Soziale Arbeit“

  • Es ist wichtig, dass Soziale Arbeit mit einer Stimme spricht.

  •  Die Zerstückelung der Identität spiegelt sich in der Zerstückelung der Organisationen wieder.

  • Wie kann man es schaffen, die Zersplitterung der Sozialarbeiterischen Organisationen und Vertretungen ohne Konkurrenz und Kämpfe, unter einen solidarischen Hut zu bekommen?

Was könnten wir dafür tun?

  •  Innerhalb unserer Organisationen über regionale Grenzen hinweg zusammenschließen und zusammenarbeiten.
  • Im eigenen Verband, Gewerkschaft etc. aktiv werden in Richtung Vernetzung ud langfristig : Solidarisches Bündnis
  •  Überall Versuche von Bündnissen und Formen der direkten Zusammenarbeit verschiedenster Organisationen (DBSH, Ver.di, GEW, Gilde, AKS u.a.) herstellen.

Es geht nicht darum, dass einer von den vorhandenen Organisationen und Verbänden sich den Hut aufsetzt, sondern darum, dass wir in eine intensisve Phase der Vernetzung und Zusammenarbeit eintreten und schließlich immer wieder und immer mehr  Bündnisse schließen, die als Bündnis einer solidarischen Sozialen Arbeit nach außen hin erkennbar sind und von der Öffentlichkleit und Politik respektiert werden.

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kleiner Tagungsbericht

Sozialpoltische Tagung zur Lage der Sozialen Arbeit

AUFSTEHEN – WIDERSPRECHEN –EINMISCHEN

17./18. Juni 2011 Berlin

 Mit stürmischem Applaus für die auf der Tagung erarbeitete gemeinsame Resolution endete nach 2 Tagen eine Ergebnis reiche und Mut machende Tagung.

 150 KollegInnen (davon 2/3 aus der Praxis, ca. 20 HochschullehrerInnen, ¼ Studierende, 1/3 aus allen Teilen Deutschlands und 2/3 aus Berlin) haben zwei Tage lang über die aktuellen und brennenden Fragen unserer Profession diskutiert.

Neben den Versuchen, zu begreifen, was da eigentlich in unserer Profession geschieht, wem es dient, und wen es gefährdet, ging es den TeilnehmerInnen vor allem darum, wie es gelingen kann, sich gegen die Entwicklungen der Deprofessionalisierung, der Entpolitisierung und der Vermarktlichung unserer Profession und gegen die Vereinnahmung durch neoliberale und neokonservative Konzept zur Wehr zu setzen.

Die 8 Workshops befassten sich mit Themen wie z.B. Klientendiskriminierung, Ökonomisierung, Gemeinsam sind wir stakr, Prekarisierung der Sozialen Arbeit, fachliche Kernelemente u.a. mehr. Ein Theaterworkshop machte uns mit der Methode des Forumtheaters vertraut (Theater der Unterdrückten). Unvergesslich die kleine Aufführung der Gruppe am ersten Abend mit „Maschine Soziale Arbeit“)

Die WorkshopleiterInnen kamen aus allen Bundesländern und waren erfahrene PraktikerInnen und WissenschaftlerInnen..

 Daneben wurden mehrere Vorträge gehalten, die als Hintergrund der Tagungsarbeit sehr hilfreich waren.

Prof. Dr. Seithe sprach zum Thema: Die problematische Geduld unserer Profession angesichts der aktuellen Lage er Sozialen Arbeit.
Prof. Dr. Thiersch befasste sich mit der Autonomie der Fachlichkeit der Sozialen Arbeit. Der Vortrag war ein Fest für alle, die ihre Profession in ihren Kernelementen und ihren ethischen und politischen Zusammenhängen wieder einmal neu begreifen wollten. (Wir werden versuchen, im Laufe des Sommers den Vortrag von Prof. Thiersch in mehreren Teilen in Youtube zu setzen).
Prof. Rosemarie Karges legte die aktuellen Ergebnisse ihrer jüngsten Online-Befragung zur Arbeitssituation von Sozialarbeitenden und zu deren Wahrnehmung der Arbeitsbedingungen vor.
Zum Thema „Keine Kraft zum Wehren“ stellte Frau Dr. Conen praktische und hilfereiche Beispiele für widerständiges Verhalten in der Praxis vor.

Die Atmosphäre auf der Tagung war sehr schön, ausgesprochen angenehm, befreiend und solidarisch. Man konnte ahnen, was es bedeuten und heißen würde, wenn es uns gelänge, als solidarische Gemeinschaft aufzutreten und gemeinsam berufspolitische uns sozialpolitische Positionen zurückzuerobern und zu erkämpfen.

 Es entstand eine Fülle von Ideen und Projekten. Vernetzungen wurden angebahnt, Strategien wurden diskutiert. Hierfür war viel Zeit vorgesehen. Dennoch hat die Zeit nicht gereicht.

Wir hoffen, dass die Impulse, die Anregungen und der Mut, den viele auf der Tagung schöpfen konnten, nicht einfach verrauchen werden. Wir gehen davon aus, dass hier und an vielen Orten Ernst gemacht werden wird mit „aufstehen –widersprechen – einmischen“.

Wir sind sicher, dass die TeilnehmerInnen diese Erlebnisse und Erfahrungen in ihrem Umfeld,  in ihren Teams und in ihren Organisationen umsetzen und weiterführen werden.

Die nächste Tagung dieser Art darf nicht erst in 5 Jahren kommen. Alle TeilnehmerInnen sind aufgerufen, den Faden aufzugreifen und weiter zumachen.

Wer mehr über die Tagung und die daraus entstehenden Projekte, Vernetzungen und Initiativen wissen will, kann sich schon jetzt und in den kommenden Wochen (wenn Schritt für Schritt die Tagungsergebnisse eingestellt werden) über unseren Blog

http://sozialearbeit.einmischen.info  oder auf unserer Homepage: www.einmischen.com

informieren.
Derzeit sind schon hunderte Fotos von der Tagung zu besichtigen. Demnächst können wir unseren kleinen „Mutmacherfilm“ vorstellen, eine kurze Dokumentation der Tagung, die gleichzeitig versucht, für andere die Problematik rüberzubringen und Ideen und Lösungen vorzustellen – aber auch anzuregen.

 

 

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Eine spannende Tagung!

Die Tagung – aufstehen-widersprechen-einmischen- war ein großer Erfolg. 150 SozialarbeiterInnen waren dabei, 2/3 davon aus der Praxis.

Wir haben alle sehr viele Impulse  mit genommen, die Atmosphäre war schön.

Ich werde in den nächsten Tagen mehr darüber berichten. Wer jetzt schon mehr erfahren will:

http://sozialearbeit.einmischen.info

Und hier ein paar Eindrücke…

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Ist es denn wirklich so schlimm?

„Ist es denn wirklich so schlimm“, fragen mich ZuhörerInnen, LeserInnen, Studierende. „Finden Sie nicht, dass sie alles nur schwarz malen. Das hilft doch keinem!“

· ·      „Bei uns ist es gar nicht so, bei uns können wir noch richtig gut arbeiten“.(Gut sage ich, wunderbar, seien sie froh!).
Wir haben uns anständige Bedingungen erkämpft. Jetzt können wir wirklich Soziale Arbeit machen. Es geht doch!“ (Wunderbar sage ich, wie haben Sie das gemacht. Erzählen Sie, damit alle es hören, sozusagen „best practice“ im Bereich Widerstand!).

Solche Reaktionen höre ich durchaus, wenn ich die Folgen der Ökonomisierung und neoliberalen Politk für unsere Profession darstelle.

Aber z.B. auch solche:

 „Was solls, so ist das eben heute. Wenn wir uns darüber ständig grämen, verlieren wir noch die letzte Lust an unserem Beruf. Es ist doch auch nicht alles schlecht.

Wenn die mit so was kommen, dann unterlaufen wir solche Tendenzen. Wir machen einfach doch, was wir für richtig halten.“

Viele versuchen, die Wirklichkeit in ihrem sozialpädagogischen Alltag irgendwie zu verschönern, sich einzureden, alles sei gar nicht so schlimm oder man könnte z.B. doch einfach die ganze Ökonomisierung hinters Licht führen. Sie versuchen vor dem die Augen zu verschließen, was angeblich bisher nur droht oder auch auch vor dem, was ohnehin unveränderbar scheint.

Ich halte das für unangemessen.
Denn die Lage der Profession Soziale Arbeit  es ist schlimm. Es stellt sich aus meiner Sicht und Erfahrung  ganz ernsthaft die Frage: Sind wir noch zu retten? Bzw. müssen wir uns und die Profession retten? Es besteht nicht etwa nur eine vage Gefahr. Besteht bereits eine Notlage?
Auch wenn (noch) nicht überall die massiven Folgen von Vermarktlichung und neoliberaler Sozialpolitik in der Sozialen Arbeit zu erkennen sind gibt und wenn nicht überall alle ihre Aspektegleichermaßen deutlich  zum Tragen kommen – aus meiner Sicht geht es nicht mehr nur um mögliche Gefahren, „wenn man nicht aufpasst“. Es ist schon passiert. Wir haben nicht aufgepasst?

Viele Wissenschaftler und sogar  hellsichtige, kritische Vertreter der Sozialverwaltung (die es durchaus gibt) konstatieren die Tendenzen und Absichten der Ökonomisierung und die Herausforderungen des aktivierenden Staatessehr sehr wohl, stellen sie aber meist nur als mögliche Gefahren dar. Mehr sehen und sagen sie selten. Wenn man ihnen zuhört, könnte man meinen, sie möchten vor irgendwelchen, eher unwahrscheinlichen Irrungen warnen, sind aber guten Mutes, dass ihre Warnung gar nicht nötig ist. Dass es sich um Fakten, um längst eingetretene Gefährdungen handelt, bleibt im Ungewissen.
Manchmal frage ich mich deshalb, ob es  „höheren Ortes“ wirklich die Illusion gibt, das sei alles noch nicht Realität, nur Gefahr?

 

Ich halte es für nötig, der Wirklichkeit ohne Beschönigungsversuche ins Gesicht zu sehen. Nur wenn ich die Lage begreife, sehe ich die Notwendigkeit, etwas dagegen zu tun.

 

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Shakespeare und die 2. Moderne :)

„Das ist der Geist der Zeit , dass Irre Blinde führen.“

Shakespeare

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Ohnmacht oder Unbehagen an der Wirklichkeit?

noch ein Splitter von der letzten Ringvorlesung  “Das Politische im Sozialen” an der FH Jena:

Bei der anschließenden Diskussion meinte ein Teilnehmer, dass ihn all diese Analysen und Enthüllungen immer ohnmächtiger machten.
Kollege Kessl antwortete, dass – ganz im Gegenteil – seiner Erfahrung nach Reflexion und Wissen über die Hintergründe von Problemlagen eher Mut machen und Ansätze für aktive Gegenwehr ermöglichen.
Der Frager blieb unzufrieden. Er erwartete offenbar konkrete Hilfe für den Versuch, die eigene Ohnmacht zu überwinden.

Ich musste daran denken, dass es immer wieder LeserInnen meines Schwarzbuches gibt, die sagen: „Ja, sie haben ja  Recht, aber das ist einfach unerträglich. Wenn ich mich damit befasse, verliere ich die Freude an meinem Beruf oder auf meinen Beruf. Dann wird alles wertlos und sinnlos und ich fühle mich einfach beschissen. Das tut mir nicht gut. Sagen sie doch mal was Aufbauendes, was Schönes!“

Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass das gar nicht das Ohnmachtsgefühl ist, was hier so stark und so unangenehm erlebt wird. Es ist das massive und unausweichliche Unbehagen an der Wirklichkeit, die man bisher so vielleicht nicht wahr haben wollte und vor der man sich hat schützen können und der man nun gezwungen ist, voll ins Gesicht zu sehen.

Dieses Unbehagen aber ist unumgänglich. Es ist unangenehm, es setzt einem vielleicht zu. Aber es ist absolut angebracht, wenn man sich die Situation wirklich ansieht. Es ist eine durchaus angemessene Rekation auf die gegenwärtige Lage. Die kann einen nicht froh machen. Die kann einem eher Angst machen. Und solche Gefühle hat keiner gerne. Aber es kann keinem erspart werden.
Man wird in der Regel  erst wach und bereit, etwas zu tun, Widerstand zu leisten, sich zu engagieren, wenn man begreift – und nicht nur mit dem Kopf, sondern mit dem ganzen Menschen- , wie problematisch die gegenwärtige Situation in der Sozialen Arbeit, in der Sozialpolitk, in der öffentlichen Meinung, in der immer weiter auseinanderdriftenden Gesellschaft ist.
Das alles ist freilich eine Situation, die nicht durch Händeklatschen oder einmal den Mund aufmachen zu beseitigen ist. Der Versuch, etwas zu ändern, kostet Kraft und braucht einen sehr langen Atem. Ohnmächtig sind wir nur, wenn wir erwarten, dass sich etwas ändern kann, auch wenn wir nichts weiter dafür tun.

Wenn man sich aber entschließt, nicht mehr die Augen zu verschließen und auch nicht mehr passiv zu leiden, dann verschwindet dieses Unbehagen und es stellt sich Empörung ein und Lust darauf, dagegen zu setzen. Und das Gefühl der Ohnmacht weicht.

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DBSH Kongress Jugendhilfe in Stendal

Ende letzter Woche fand der DBSH Jugendhilfe-Kongress in Stendal statt, der unter dem Motto stand:

SIND WIR NOCH ZU RETTEN?                             img_5427.JPG

Ich war eingeladen um einen Vortrag zu halten über die Folgen der Ökonomisierung für die Praxis der Sozialen Arbeit.

Hier ein paar Nachgedanken:

Zunächst Stendal. Eine schöne Stadt mit vielen mittelalterlichen Wohnhäusern und jeder Menge Backsteingotik. Eine Stadt mit viel Platz, viel Grün zwischen den Straßen, was zum einen wohl mit dem Rückbau von Plattenbauten nach der Wende, andererseits damit zu tun hat, dass Stendal wie z.B. auch Neubrandenburg eine Stadt mit Ackerbürgern war, also mit Bürgern, die gleichzeitig Gärten und Felder bestellten. Ich werde bestimmt noch einmal hin fahren, an irgendeinem Sommerwochenende.

Dann die Hochschule. Als ich am Abend vor der Tagung zu Fuß dort hinging, um einmal alles anzusehen, war es zwischen den drei großen gelben Häusern (ehemalige Kasernen der sowjetischen Armee)  und auf dem dazwischen liegenden Campus menschenleer. Am nächsten Tag machte die Stendaler Hochschule (Zweigstelle der Hochschule Magdeburg) aber  einen sehr freundlichen, irgendwie gemütlichen und auch belebten Eindruck. Die Betreuung durch Studierende der Sozialen Arbeit während der Tagung war perfekt und herzlich. Das Größte waren für mich die kleinen in Alufolie eingewickelten Grillspezialitäten aus Feta und Paprikastreifen, zu denen uns die StudentInnen  am Abend vor dem Mensaeingang einluden. Irgendwie hatte man das Gefühl, dass sich die Studierenden hier richtig  zu Hause fühlten.

Der Fachbereich für angewandte Humanwissenschaften umfasst einige hochinteressante und innovative Studiengänge. In Stendal gibt es z.B. den einzigen deutschen Studiengang für Kindheitswissenschaft. Prof. Dr. Michael Klundt, der diesen Studiengang leitet, hielt einen sehr beeindruckenden Vortrag zum Thema Kinderarmut, Vermarktlichung des Sozialen und Umgang unserer Gesellschaft mit dem Armutsthema.

Es gab auch darüber hinaus eine ganze Reihe von Vorträgen, alle versuchten sich zur Tagungsfrage zu positionieren: Ist die Soziale Arbeit noch zu retten? Muss sie überhaupt gerettet werden?
Die Tagung brachte viel an Informationen und auch eine ganze Menge an Ideen und Überlegungen dazu, wie man die Rettungsaktion denn nun gestalten könnte. Denn dass es nötig ist, sie zu retten vor einer Totalvereinnahmung durch den neoliberalen aktivierenden Staat und seine Vermarktlichung und Instrumentalisierung von Menschen, darüber bestand bei den TeilnehmerInnen, dem Veranstalter und den meisten Rednern Einigkeit.

Schade war, dass die Zeit immer sehr knapp bemessen war und für Diskussionen der TeilnehmerInnen nur sehr begrenzt Zeit übrig blieb. Wenn aber diskutiert werden konnte, merkte man, wieviel die Anwesenden auf dem Herzen hatten und wie kompetent und  kritisch sie mit der Materie umgehen konnten.

Am Ende entstanden durch die gesammelten Themen und Diskussionsergebnisse die „Stendaler Thesen“, die im Plenum verabschiedet wurden und in Kürze veröffentlicht werden sollen.

Es herrschte trotz der angespannten  Zeitschiene die ganze Zeit über eine gute Atmosphäre. Die VertreterInnen des DBSH verstanden es ausgezeichnet, durch die Tagung zu führen und brachten die anstehenden Themen und Fragen unmissverständlich auf den Tisch: Den neuen Entwicklungen in der Sozialen Arbeit, so stellte bei ihrer Begrüßung die Vertreterin des Vorstandes des DBSH, Frau  Bauer-Felbel  fest, begegnen viele PraktikerInnen mit Wut und Kampfeslust – aber auch mit Trauer und Empörung. Jeder konnte sich selber überlegen, womit er reagiert und wie er regieren möchte.
Die Tagung jedenfalls machte Lust darauf, weiterzumachen, gemeinsam weiterzudenken und  etwas zur Rettung unserer Profession zu tun.

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