Bundesfreiwilligendienst 2. Teil

Worum geht es?

Anknüpfend an den bestehenden Freiwilligendienst soll ein Bundesfreiwilligendienst an Stelle des bisherigen Zivildienst geschaffen werden.
Dieser Dienst eröffnet keinerlei Arbeitsverhältnis, soll aber für alle Altersgruppen geöffnet werden.
Argumentiert wird, dass freiwillige, insbesondere freiwillige soziale Arbeit  eine Chance für junge Menschen sei und eine Chance für die Gesellschaft.

Was ist von diesem Gesetz zu halten?

a)      Allem Anschein nach handelt es sich hier offensichtlich um ein Gesetz zur Förderung von Freiwilligenarbeit.
Keine Frage: Freiwilligendienste sind wichtig und hilfreich, wenn es darum geht, junge Menschen bei ihrer persönlichen und beruflichen Orientierung zu helfen, ihre Sensibilität zu wecken für soziale Problemlagen und so fort. Das alles ist hier vielfach gesagt worden und ich stimme zu.
Der Wunsch, diesen Dienst auszuweiten und mehr jungen Leuten diese Chance zu geben, ist in Ordnung und sinnvoll. Ideen und Gedanken, wie er weiter verbessert werden könnte, wurden hier diskutiert. Ich schließe mich auch solchen Vorstellungen weitgehend an.

b)      Nun war der Zivildienst, dessen Wegfallen dieses Gesetz ausgelöst hat, etwas ganz anderes als ein Freiwilligendienst:
Er war gedacht als Alternative zum Wehrdienst und hatte mit Freiwilligkeit nicht viel zu tun. Zivildienst war immer Zwangsdienst. Freiwillig war nur die Entscheidung für die andere Alternative.
Ursprünglich war der Zivildienst als Abschreckung gedacht. Es ging weniger um die Aufgabe selber als vielmehr darum, dass sie für junge Leute möglichst wenig attraktiv wirkte.
Im Laufe der Zeit war allerdings eine Situation entstanden, in der der Zivildienst eine Säule unseres Sozialsystems geworden war, die nicht mehr weg zu denken war.

c)      Da nun mit der Bundeswehrpflicht auch der Zivildienstdienst weg fällt, steht die Gesellschaft vor mehreren Problem:

  •  Es gibt mit einem Schlag 50 000 zusätzliche Studien- und LehrstellenanwärterInnen,
  •  Es fehlt mit einen Mal eine große Anzahl von fest eingeplanten Helfern in der Pflege und im Sozialen Bereich, und das, während im Pflege- und Sozial und Jugendhilfebereich seit langem– unter der Maßgabe zu knapp bereitgestellter Ressourcen und Kassen und der jede Fachlichkeit dominierenden Effizienzpolitik Stellen eingespart und notwendige neue Stellen auch bei Problemzunahme und Zunahme der Anzahl der Klienten nicht geschaffen werden.
  •  Es besteht zum Dritten das Ziel, den Zivildienst ebenso wie den Wehrdienst als Option in petto zu behalten. Deshalb sollen die Strukturen nicht zerschlagen werden (z.B. die Zivildienstbildungseinrichtungen sollen weiter erhalten bleiben.

Das Bundesfreiwilligendienstgesetz versucht nun ganz geschickt diese Probleme sozusagen „alle auf einen Streich“ zu lösen:

  • Um die alten Bundeswehrstrukturen erhalten zu können, klinkt man sich konzeptionell und scheinbar auch organisatorisch beim bestehenden Freiwilligendienst ein. Der BFD soll aber nicht Teil der bisherigen Freiwilligendienste werden, sondern mit einer eigenen Struktur daneben bestehen bleiben. Das hat gravierende Folgen für die Betroffenen und für die Freiwilligenlandschaft.
  •  Junge Leute, die auf einen Lehr- oder Studienplatz warten müssen, werden so in Warteschleifen einstweilen beschäftigt. Das erspart den Ausbau der Hochschulkapazität und verschleiert den sich vermutlich verschärfenden Lehrstellenmangel.
  • Das durch den Wegfall der vielen Zivis entstehende Loch im Sozialen Bereich soll mit Freiwilligen gestopft werden, womit scheinbar eine Kontinuität zur früheren Situation hergestellt werden kann.

         Folgende Hintergründe und Folgen sind anzunehmen:

  • Es geht darum, eine möglichst kostengünstige Lösung der Probleme der Sozialen Infrastruktur zu finden.
  • Es entsteht durch den BFD – mal wieder mal – ein neuer Billigarbeitsmarkt.
  • Mit dem BFD etabliert man einen neuen Niedriglohnbereich im Sozialen Feld
  • Es geht der  herrschenden Politik darum, fachliche Aufgaben von Pflege und Sozialer Arbeit zu Tätigkeiten zu erklären, für die man keinerlei Qualifikation braucht und die deshalb auch keine Kosten erzeugen darf.

Menschliche Solidarität ist zweifellos wichtig. Und es scheint vielen absurd, etwas dagegen haben zu können, dass etwas dafür getan wird, dass Menschen sich noch mehr ehrenamtlich engagieren. Solidarität kann aber nicht wirklich gefördert werden, wenn sie der herrschenden Ideologie widerspricht. Erfolgversprechender wäre es hier also, diese Ideologie deutlich infrage zu stellen.

Es besteht der Verdacht, dass sich die neoliberale Ideologie mit diesem Gesetz zum einen Sympathien verschaffen will, indem sie sich erstens als warmherzig und menschlich anbiedert.

Zum zweiten ist die ehrenamtlich geleistete pflegerische und soziale Arbeit für den Staat das kostengünstigste Modell überhaupt.

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Bundesfreiwilligendienst – 2. Teil

Worum geht es?

Anknüpfend an den bestehenden Freiwilligendienst soll ein Bundesfreiwilligendienst an Stelle des bisherigen Zivildienstes geschaffen werden.

Dieser Dienst eröffnet keinerlei Arbeitsverhältnis, er soll neben dem bisherigen Freiwilligendienst bestehen, aber für alle Altersgruppen geöffnet werden. Die Bundesstrukturen des Zivildienstes sollen dabei weitgehend erhalten bleiben.

Argumentiert wird vor allem, dass freiwillige, insbesondere freiwillige soziale Arbeit eine Chance für junge Menschen und für die Gesellschaft sei.

Was ist von diesem Gesetz zu halten?

  •  Allem Anschein nach handelt es sich hier offensichtlich um ein Gesetz zur Förderung von Freiwilligenarbeit. Keine Frage: Freiwilligendienste sind wichtig und hilfreich, wenn es darum geht, junge Menschen bei ihrer persönlichen und beruflichen Orientierung zu helfen, ihre Sensibilität zu wecken für soziale Problemlagen und so fort. Der Wunsch, diesen Dienst auszuweiten und mehr jungen Leuten diese Chance zu geben, ist in Ordnung und sinnvoll. Ideen und Gedanken, wie er weiter verbessert werden könnte, sind notwendig. Dazu gibt es viele Ideen und Vorschläge insbesondere vom DGB und der Linken, aber auch der Grünen.

  • Nun war der Zivildienst, dessen Wegfallen unmittelbar diesen Gesetzesentwurf ausgelöst hat, etwas ganz anderes als ein Freiwilligendienst:
    Er war gedacht als Alternative zum Wehrdienst und hatte mit Freiwilligkeit nicht viel zu tun. Zivildienst war immer Zwangsdienst. Freiwillig war nur die Entscheidung für die andere Alternative.
    Ursprünglich war der Zivildienst als Abschreckung gedacht.
    Es ging weniger um die Aufgabe selber als vielmehr darum, dass sie für junge Leute möglichst wenig attraktiv wirkte.
    Im Laufe der Zeit ist allerdings eine Situation entstanden, in der der Zivildienst eine Säule unseres Sozialsystems geworden und nicht mehr weg zu denken ist.

  •  Da nun mit der Bundeswehrpflicht auch der Zivildienstdienst weg fällt, steht die Gesellschaft vor mehreren Problem:
  1. Es gibt mit einem Schlag 50 000 zusätzliche Studien- und LehrstellenanwärterInnen.
  2. Es fehlt mit einen Mal eine große Anzahl von fest eingeplanten Helfern in der Pflege und im Sozialen Bereich, genauer gesagt gab es z.B. im Jahr 2009 100 000 Zivis.
  3.  Es besteht zum Dritten das Ziel, den Zivildienst ebenso wie den Wehrdienst als Option in petto zu behalten. Deshalb sollen die Strukturen nicht zerschlagen werden und in hinreichendem Maße weiter besetzt und benutzt werden.

Mit dem „Das Bundesfreiwilligendienstgesetz“ versucht  die Bundesregierung nun ganz geschickt diese Probleme sozusagen „alle auf einen Streich“ zu lösen:

a)     Um die alten Bundeswehrstrukturen erhalten zu können, nutzt man nicht die Gelegenheit, die bestehenden Freiwilligendienst – wie vielfach und lange gefordert – weiter auszubauen und besser auszustatten. Der BFD soll mit einer eigenen Struktur neben den Freiwilligendiensten „aber auf Augenhöhe“ stehen bleiben.
Daran wird u. a. von der Opposition und den Wohlfahrtsverbänden Kritik geübt.

b)    Junge Leute, die auf einen Lehr- oder Studienplatz warten müssen, werden so  einstweilen beschäftigt .
Das erspart den Ausbau der Hochschulkapazität und verschleiert den sich vermutlich verschärfenden Lehrstellenmangel.

c)    Das durch den Wegfall der vielen Zivis entstehende Loch in der sozialen Infrastruktur soll erneut mit billigen Arbeitskräften, diesmal mit Freiwilligen gestopft werden, wobei gehofft wird, dass so eine Kontinuität zur früheren Situation mit den Zivildienstleistenden  hergestellt werden kann.

Folgende Hintergründe und Folgen sind für diese Planung anzunehmen:

  • Es geht darum, eine möglichst kostengünstige Lösung der Probleme der Sozialen Infrastruktur zu finden.
  • Es entsteht durch den BFD – mal wieder mal – ein neuer Billiglohnbereich, der für Frauen und Männer aller Generationen sowie für Langzeitarbeitslose (sie dürfen vom Taschengeld 60 Euro behalten) geöffnet werden soll. .
  • Mit dem BFD etabliert man diesen neuen Niedriglohnbereich speziell im Sozialen Feld, hervorgehoben wird die Kinder- und Jugendhilfe, besonders die Jugendarbeit.
  •  Es geht der  herrschenden Politik darum, fachliche Aufgaben von Pflege und Sozialer Arbeit zu Tätigkeiten zu erklären, für die man keinerlei Qualifikation braucht und die deshalb auch keine Kosten erzeugen dürfen.

 Menschliche Solidarität ist zweifellos wichtig. Und es scheint vielen absurd, was dagegen haben zu können, dass Menschen sich noch mehr ehrenamtlich engagieren. Solidarität kann aber nicht wirklich gefördert werden, wenn sie der herrschenden Ideologie widerspricht. Erfolgversprechender wäre es hier also viel eher, diese Ideologie  infrage zu stellen.
Es besteht der Verdacht, dass sich die neoliberale Ideologie mit diesem Gesetz

  • zum einen Sympathien verschaffen will, in dem sie sich als warm und menschlich anbiedert,
  • zum zweiten ist die ehrenamtlich geleistete pflegerische und soziale Arbeit für den Staat das kostengünstigste Modell.
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Bundesfreiwilligendienst- geht uns das was an?

Da ist mal wieder ein Gesetz in der Diskussion.

Es geht um einen Bundesfreiwilligendienst. Ein
Nachfolgeprojekt des Zivildienstes.

Das sollte uns vermutlich was angehen!? Aber niemand kann was dazu sagen, an keiner Stelle im Kontext unserer Profession habe ich bisher etwas darüber gefunden.

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Wir sehen uns in Berlin!

Im Rahmen meiner Kooperation mit der Berliner Sozialpädagogin, von der ich im Oktober berichtete, ist inzwischen etwas Verheißungsvolles entstanden:

Am 17. und 18. Juni 2011 veranstalten wir in der Pumpe e.V. die erste Berliner Tagung Kritische Soziale Arbeit mit dem (ein wenig in Dresden abgeguckten :-)) Titel:

brunnenfrau.jpg

aufstehen – widersetzen – einmischen!
Gemeinsame Wege aus der neoliberalen Falle

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Wir werden 9 spannende workshops anbieten, die versierte, kritische SozialpädagogInnen (die meisten aus der Praxis) leiten werden. Es geht in den workshops um die Analyse der gegenwärtigen Situation, aber  ebenso  um die gemeinsame Erarbeitung von Möglichkeiten, sich gemeinsam zu wehren.
Wie können wir im Kleinen und auch im Großen Widerstand leisten? Wir wollen endlich als Profession und als SozialpädagogInnen nicht mehr zu allem schweigen, sondern uns einzumischen und den Mund aufmachen: in der Teamsitzung, am Kantinentisch in der Mittagspause, in Leserbriefen und Blogs, in Gremien und auf Tagungen, in Organisationen und Medien.

Die Diskussion, der Erfahrungsaustausch, das Knüpfen von Kontakten, die  gemeinsame Erarbeitung von Strategien und Lösungswegen, das alles steht für uns im Vordergrund. Vorträge gibt es nur wenige. Die Hauptakteure werden die TeilnehmerInnen sein.

Alle WorkshopleiterInnen und ReferentInnen arbeiten ohne Vergütung, aus Solidarität, weil es auch ihnen wichtig ist, dass wir endlich anfangen, uns zu bewegen. So können wir einen akzeptablen und für jeden erschwinglichen Teilnehmerbeitrag von vorauss. 45 Euro für beide Tage zusammen halten.

Wir sind schon online: www.einmischen.com oder www.einmischen.info

Ihr könnt euch auch noch an den Vorbereitungen und den anfallenden Arbeiten beteiligen!

  • Wir suchen noch  jemanden aus Berlin, der im Kontext dieser Tagung ein Praktikum machen möchte und den Veranstalterinnen bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung unter die Arme greifen kann.
  • Wir suchen noch Studierende, die bereit sind, in ihren Workshops ausführliche Mitschriften zu  machen, damit all die klugen Gedanken und guten Ideen der TeilnehmerInnen nicht untergehen. Gegenleistung: Beitragsfreiheit!

Dieses Blog lesen inzwischen täglich inzwischen fast 400 Leute (könnten natürlich noch mehr werden 🙂 ), da wird doch jemand dabei sein, dem dazu was einfällt?

..

P.S. Das Foto zeigt eine Brunnenfigur aus Freyburg an der Unstrut

 

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wir wollen unserem Selbstverständnis treu bleiben ….

Wieder eine beeindruckende mail zum Schwarzbuch, die ich veröffentlichen darf und möchte, weil ich glaube, dass die AutorInnen etwas zum Ausdruck bringen, was viele denken:

 mail vom 14.1.2011

….. als Mitarbeiterinnen eines kleinen freien Trägers der Jugendhilfe, sind

wir auf Empfehlung eines ehemalig durch uns begleiteten Jugendlichen,

der heute Sozialpädagogik studiert, auf Ihr Buch „Schwarzbuch Sooziale

Arbeit“ aufmerksam geworden und haben nun die letzte Seite gelesen…

 Schon seit geraumer Zeit und erst recht in der heutigen Wirtschaftskrise

und deren für uns und unsere Klienten spürbare Folgen, mussten wir

feststellen, dass etwas nicht stimmt in unserem System, dass den

Adressaten unserer Arbeit immer weniger Chancen bleiben auf ein

selbstbestimmtes Leben, dass unsere Arbeit zunehmend fremdgesteuert wird

von „Sachzwängen“ der Kosteneinsparung, von Eingriffen des öffentlichen

Zuwendungsgebers in unsere Trägerautonomie.

Wir haben versucht, zu verstehen und zu analysieren, um was es in dieser

Zeit geht und wollten uns dennoch nicht in den „Alles wird

schlimmer“-Chor einreihen, der die gesellschaftlichen Zustände im

allgemeinen und ohne Ergebnis beklagt.

 Ihr Buch hat geholfen, unsere Überlegungen und unseren Widerstand auf

festere Beine zu stellen, klarere Positionen zu beziehen und uns

bestärkt, uns weiter und noch deutlicher auf die Seite „unserer“

Jugendlichen zu stellen und unsere politische Haltung offensiv zu

vertreten. Es war und wird nicht einfacher, erfordert

Fingerspitzengefühl und lehrt uns auch ein bißchen das Fürchten über die

Machtverhältnisse und das Machtverhalten selbst auf Landkreisebene …

 Ihr „Schwarzbuch“ wird sicher  Einfluss haben auf die diesjährige

Überarbeitung unserer Konzeption und wird uns weiter in unserer Arbeit,

solange es sie noch gibt, begleiten. Unser einstimmige Teammeinung

bleibt internes Leitbild unserer Arbeit – nämlich, dass wir uns auch

weiter im Spiegel anschauen und unserem Selbstverständnis treu bleiben

wollen.

 In diesem Sinne möchten wir – als Praktikerinnen – Ihnen auf diesem Weg

für Ihre deutlichen und Mut machenden Worte im „Schwarzbuch Soziale

Arbeit“ bedanken!

 

.

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Das Politische im Sozialen

Unter diesem Titel findet in diesem Jahr an der FH Jena eine Ringvorlesung statt.

Hier das Programm:

12.01.  Mechthild Seithe (Jena): Einführung und Überblick Zur Begründung einer Repolitisierung der Sozialen Arbeit

 26.01.  C.W. Müller (Berlin): 1968 – Kritischer Rückblick auf die Politisierung der Sozialen Arbeit

23.03.  Timm Kunstreich (Hamburg): „Ohne Mandat – aber politisch produktiv. 

Perspektiven eine kritischen Sozialen Arbeit“

13.04.  Susanne Maurer (Marburg): Neue Frauenbewegung und Soziale Arbeit – „Das Private ist politisch!“

11.05.  Fabian Kessl (Essen): Kritischer Rückblick auf die Implementation von New Public Management der 1990er und   folgenden Jahre

08.06.  Birgit Bütow (Jena/Marburg):

              Soziale Arbeit in Ostdeutschland – Pragmatismus statt Gestaltung?

19.10.   Hans Thiersch (Tübingen): Lebensweltorientierung in neoliberalen Zeiten?! (Festwoche: 20 Jahre SW)

 09.11.   Michael Winkler (Jena): Kritische Sozialarbeit? Kritische Sozialarbeit!

 07.12.   Werner Lindner (Jena): Reflexive politische Strategien (in) der Sozialen Arbeit

 11.01. 12  Lothar Böhnisch (Brixen): Gestaltwandel des Politischen und die Folgen für die Soziale Arbeit

25.01.12   K.A. Chassé (Jena): Resümee und Ausblick

 

Den Start für die Ringvorlesung habe ich am 12.1.2011 machen dürfen.

Wer den Text haben oder nachlesen will, kann ihn sich hier ansehen.
(für das etwas auseinandergelaufene Layout möchte ich mich entschuldigen 🙂 )

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Härte hilft?

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Im Dezember konnten wir in der Welt folgenden schönen Artikel lesen, der die These von der zunehmenden Bereitschaft der Gesellschaft, mit Strenge, Sanktionen und letztlich Gewalt auf junge Menschen zu reagieren, die sich nicht normkonform verhalten, deutlich illustriert. Hier noch einmal nachzulesen.
Der DVJJ (Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V. ) hat dazu eine beachtenswerte Pressemitteilung verfasst.

Wir alle kennen den Trend, akzeptierende,  vom grundsätzlichem Respekt gegenüber anderen Menschen getragene Arbeitsanssätze der Sozialen Arbeit als Kuschelpädagogik zu diskreditieren. Eine Soziale Arbeit, die sich darauf einlässt,  outet sich als Ordnungskraft oder als Vertreterin einer Pädagogik, die Gewalt zu ihren legalen Mitteln zählt.

Ganz davon abgesehen, werden Menschen nur dann bereit sein, sich wirklich, aus eigenem Antrieb und nachhaltig, also intrinsisch motiviert zu verändern, wenn es gelingt, sie als Subjekte zu erreichen und mit ihnen gemeinsam Wege zu entwickeln, ohne ihnen das Rückgrad zu brechen oder brechen zu wollen. 
Eine Pädagogik, die davon Abschied nimmt, verzichtet auf ihren humanistischen Ansatz und ihre ethischen Grundlagen.
 
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Corinna wieder allein zu Haus

ein alltäglicher Fall:

Corinna musste im Heim untergebracht werden. Zu Hause herrschte das blanke Chaos. Die Mutter war nicht in der Lage, für ihr Kind zu sorgen.

Corinna machte sich im Heim gut. Deshalb sah niemand ein Problem darin, sie nach 2 Jahren zu ihrer Mutter zurückzuschicken, zu der immer noch ein intensiver Kontakt bestand. Die Mutter hatte das Blaue vom Himmel versprochen: Alles würde jetzt besser und alles würde gut.Und wenn Klienten so motiviert sind, dann ist ja alles o.k.? Zumal man enorm Geld spart, wenn die inzwischen 12Jährige wieder zu Hause leben kann.

Nach 2 Jahren ist das Zeitfenster wieder für Corinna also wieder zu und das Kind kommt wieder nach Hause –  leider, ohne dass was passiert ist und ohne, dass die Mutter sich anders verhält. Sie stellt die von ihr geforderte Ordnung in der Wohnung und im Alltag nicht her, obwohl das Jugendamt es verlangt. Sie begreift nicht, was das Kind braucht und dass es sie braucht.
Das Jugendamt ist sauer und empört und versucht es mit Druck.  Es gibt einige halbherzige Versuche, aber es klappt nicht.
Die MitarbeiterInnen im Jugendamt runzeln die Stirn zucken mit den Schultern. Die eine Hälfte der MitarbeiterInnen möchte das Mädchen erst einmal wieder zurück ins Heim bringen. Die andere Hälfte ist der Meinung, dass die Mutter ihre Chance gehabt hat und nun sehen muss, wie sie und dass sie mit ihrer Aufgabe fertig wird.

Wer eigentlich fragt sich: warum macht sie es nicht? Warum schafft sie es nicht?
Wer hilft ihr, es zu lernen?
Wer hilft ihr, es zu schaffen?

Und wer erkennt die Lage, wenn es wirklich nicht geht, und rettet das Kind langfristig?

Was ist hier Aufgabe der Sozialen Arbeit?  Was könnte sie wirklich, wenn die Köpfe befreit wären von der Schere der Ökonomie im Kopf und von der Vorstellung, dass Menschen zu funktionieren haben und man sie nur anschubsen muss, damit sie es endlich tun.

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das nette Rentnerpaar von nebenan

Jemand erzählt mir von einem Rentnerpaar, das sich furchtbar aufregt über eine Familie in ihrer Nachbarschaft:
beide Eltern arbeiten nicht, hängen den ganzen Tag vor der Glotze, die Kinder wirken verwahrlost und betteln die Passanten an, die Eltern aber kassieren von Staat jeden Monat so viel Geld, dass sie es sich offensichtlich leisten können, weiterhin nichts zu tun. Denen sollte man, so meint das nette Rentnerpaar,  das Geld solange kürzen,  bis die spüren, dass es bei uns nichts umsonst gibt!

Bei der Überflutungskatastrophe im Nachbarort aber spenden die beiden Rentner eine beträchtliche Summe für die armen Familien, die ihren Besitz verloren haben und vor dem Nichts stehen. Die haben es verdient, dass man sie  unterstützt. Die können ja nichts dafür, dass sie dieses Pech hatten, nicht wahr!?

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Aber die da?
So einfach ist das also: Jeder ist selber schuld und verantwortlich dafür, was aus ihm wird? Das kommt einem doch recht bekannt vor!

Aber man muss sich wirklich fragen, ob solche Gedanken erst mit dem aktivierenden Staat in die Köpfe gekommen sind. Vielleicht sollte man es so sehen: Weil solche Gedanken so verbreitet sind, hat es der aktivierende Staat bei uns so leicht.

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Besuch bei der AKS in Dresden

Die AKS in Dresden hatte mich vor einigen Wochen im tiefen Schnee zu einer Veranstaltung ihrer Gruppe in die ev. FH Dresden eingeladen.

Es war für mich und die mit mir zusammen angereiste Studentin ein beeindruckendes Erlebnis.
Das Thema des Abends: Soziale Arbeit in einer kapitalistischen Gesellschaft. Ein schwarzer Blick“ hätte erwarten lassen können,  dass hier ein paar kritische Leute unter sich zusammen sitzen und ihre Wunden lecken.
Dem war ganz und gar nicht nicht so! Immerhin kamen über 50 Leute, Stühle mussten aus den Nebenräumen herein geschafft werden. Die Atmosphäre war solidarisch, gemütlich und gleichzeitig hell wach. Die Diskussion verlief lebhaft und bunt. Die Gruppe war sich durchaus nicht in allem Punkten einig. Aber alle Positionen wurden vorgetragen und miteinander diskutiert.Ich danke an dieser Stelle den Veranstaltern noch einma, dass ich diese Gelegeheit bekommen habe und mit diesem ermutigenden Eindruck wieder nach Hauzse feahren konnte!

Ich war im Kontext meines Schwarzbuches eingeladen worden. Der Veranstalter hatte mir im Vorfeld vier Fragen zugesandt, zu denen ich möglichst etwas sagen sollte. Dazu bin ich an diesem Abend nur in Ansätzen gekommen, denn es war viel wichtiger, dass die Teilnehmer sich äußerten und mit einander ins Gespräch kamen!

Dennoch möchte ich diese Fragen nicht einfach im Raume stehen lassen und werde mich deshalb hier im Blog dazu äußern.

zu Frage 1. Wie sieht heute moderne Sozialarbeit aus?

Modern im Sinne der herrschenden neosozialen Vorstellungen bedeutet: Erziehung und Verhaltensstraining für die einen und Verwalten und Sanktionieren für die anderen. Das heißt, voraussichtliche Versager herausfiltern….

Modern im Sinne einer heutigen, fachlich autonomen und ethisch an sozialer Gerichtigkeit ausgerichteter Sozialen Arbeit bedeutet für mich deshalb zwangsläufig: Sich gegen diese Einschränkungen wehren und die Begrenzung nicht akzeptieren, sich offensiv gegen die Teilung der Gesellschaft in erfolgversprechende und damit wertvolle und keinen Erfolg versprechende und damit wertlose Menchen aussprechen und dagegen anzuarbeiten, diese selektive Investition in Menschen als Weg brandmarken, der sozialdarwinistische Tendenzen aufweist und vielmehr die gesellschaftlichen Ursachen von individuellen Problemen deutlich aufzeigen und anprangern.

zu Frage 2. Was ist die Aufgabe kritischer Sozialarbeit heute?

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Man kann im Kleinen in glücklichen Inseln der lebensweltorientierten Sozialen Arbeit noch gute Arbeit für Klienten machen. Aber man stößt auch hier bald an Grenzen! Moderne Sozialarbeit in diesem Sinn kann deshalb nur offensive Gegenwehr heißen! Das wäre also aus meiner Sicht die Aufgabe kritischer Sozialer Arbeit .

zu Frage 3. Was darf eine kritische Soziale Arbeit auf keinen Fall mitmachen? Wo liegen die Grenzen?

Soziale Arbeit muss in der Lage sein, bei ihrer Arbeit im Sinne der sozialpädagogischen Fachlichkeit vorzugehen (Ergebnis offen, Methoden offen). Dafür braucht sie z.B. entsprechende Zeitkontingente. Sie sollte sensibel sein für Prozesse, in denen Partizipation zum Formalismus oder gar zu einer Bringeschuld der Klienten wird.

Sie mus von ihrer wissenschaftlich und ethisch geleiteten autonomen Fachlichkeit ausgehen und sollte bei Aufgaben mißtrauisch sein, bei denen von einer fachfremden Instanz Wege und Ziele vorgegeben sind (z.B. Fallmanagement).

Soziale Arbeit sollte sich verweigern, wenn es darum geht, Menschen abzustempeln, zu sanktionieren auszusondern, abzuqualifizieren und ihnen für ihre Probleme im Sinne einer angeblichen Eigenverantwortung Schuld zu zu weisen.
Sie sollte sich Sanktionen und Methoden die Druck und Überredung anwenden verweigern.
Soziale Arbeit sollte sich keinen persönlichen oder strukturellen prekären Arbeitsbedingungen beugen (z.B. Stellen annehmen mit Unterbezahlung).

Aber all das, solche und andere Zumutungen sollte man nicht im Stillen bekämpfen sondern gelichzeitg öffentlich skandalisieren!

zu Frage 4. Bedeutet die aktuelle Aktivierungspolitik  für die Soziale Arbei ein Dilemma?

Ich denke ja, ein Dilemma insofern, als man sie weder ignorieren noch umgehen kann.
Wenn Soziale Arbeit sich nicht dagegen wendet, nicht deren eigentliche Ziele aufdeckt und anprangert, wird sie unweigerlich mit in diesen neosozialen Sog hineingezogen und reproduziert selber die Aktivierungspolitik.

 

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