die Ökonomisierung holt mich doch wieder ein….

aus meinem Schwarzbuch (Persönliche Erfahrungen):

Es fing ganz allmählich an…….

Auf einmal tauchten bei uns im Jugendamt hier und da neue Begriffe auf: Budget, Qualitätssicherung, Steuerung, Effektivität, Effizienz….

Wir wurden auf der alljährlichen Fachtagung von unserem Amtsleiter dazu aufgefordert, heraus zu finden, was wohl das „Produkt“ unserer Arbeit sein könnte: War unser Produkt der arbeitsfähige und arbeitswillige Jugendliche? Oder produzierten wir möglichst glückliche Jugendliche oder solche, die ihr Leben bewältigen konnten? Oder waren unsere Produkte vielleicht nur die Arrangements, die es einem Jugendlichen ermöglichten, sein Leben einmal bewältigen zu können? 
„Input, output, put put“, witzelten wir und glaubten damals fest daran, dass diese Begriffe und Ideen sich binnen einiger Monate wieder erledigen würden, so wie es bis dahin mit mancher fixen Idee unseres rührigen Amtsleiters passiert war.

Aber dem war nicht so.

Diese Begriffe fingen an, unsere alltägliche Arbeit zu begleiten. Sie nisteten sich in unsere Konzeptüberlegungen ein. Sie drängten sich auf, wenn wir unsere Haushaltspläne für das nächste Jahr erarbeiteten. Dann folgten die ersten Stellensperren, es wurden Projekte nicht verlängert oder nicht genehmigt, der Begründungsaufwand für jeden müden Pfennig, den wir zusätzlich haben wollten für unsere Arbeit, wuchs zu einer Papierflut an und fachliche Argumente zogen immer weniger…

Irgendwann war der Augenblick gekommen, wo es nur noch um Geld zu gehen schien. Das war Anfang der 90er Jahre.

 

Als ich noch 1987 meinen Antrag, vier neue feste Stellen für Sozialpädagogische FamilienhelferInnen einzurichten, bei der Amtsleitung eingereicht hatte, wurde ich von unserer eigenen Grundsatzabteilung dazu aufgefordert, erst einmal nachzuweisen, dass meine bisherigen siebenjährigen Bemühungen irgendeinen Effekt gehabt hatten.

Ich hielt diese Aufforderung zunächst für eine besonders hinterlistige Methode der Kollegen in der Grundsatzabteilung, mich ein wenig zu ärgern. Aber ich machte mich schon aus eigener Neugier an den Bericht und konnte drei Monate später die detaillierten Ergebnisse unserer Arbeit vorlegen: Bei etwa einem Drittel der Familienhelfermaßnahmen hatten unsere MitarbeiterInnen die von ihnen gesteckten Ziele voll erreichen können. Bei einem weiteren Drittel waren am Ende zumindest ein Teil der Ziele eingelöst. Das letzte Drittel hatte die Hilfe entweder vorzeitig abgebrochen oder aber der erwünschte Erfolg war ausgeblieben – für so komplizierte Arbeitsaufgaben wie die Sozialpädagogische Familienhilfe keine schlechte Bilanz! Außerdem konnten wir belegen, dass sich in unseren Hilfen keineswegs lauter „leichte Fälle“ oder Familien aus den mittleren Bevölkerungsschichten befanden, sondern dass wir es durchweg mit den wirklich schwerwiegenden „Familienfällen“ des Jugendamtes zu tun hatten. Der Bericht überzeugte erst die Kollegen im Amt und später den Magistrat.

Wie damals die meisten SozialarbeiterInnen es getan hätten, reagierte ich zunächst ein wenig empört auf das Ansinnen, den Wert und die Qualität meiner Arbeit nachweisen zu müssen. War denn unser Engagement, unsere Qualifikation, war die detaillierte Kenntnis der Problemlagen nicht genug Beweis dafür, dass wir gute Arbeit leisteten? Aber schließlich hatte ich mich doch davon überzeugen lassen, dass wir es der Gesellschaft und unserer Klientel schuldig waren, zu prüfen und nachzuweisen, dass wir mit unserer Arbeit auch wirklich das erreichten, was erreicht werden sollte. Natürlich, so wurde mir jetzt klar, war es unser ureigenstes Interesse, heraus zu finden, ob unsere Bemühungen den erwarteten Effekt hatten, ob unsere Methoden das bewirkten, was wir anstrebten.

Aber diese Erkenntnis kam in gewisser Weise bei uns und auch bei mir zu spät. Statt uns selber auf das Ross der Qualitätsprüfer zu setzen und voran zu reiten, statt die Klärung der Frage nach unserer Effektivität selber in die Hand zu nehmen, statt aus unserer fachlichen Sicht heraus zu definieren, was Qualität in unserem Metier bedeutet, haben wir damals lange, viel zu lange zögerlich zugeschaut, wie fachfremde Controller diese Aufgaben für uns übernahmen und ihre Art zu denken sich über alles, was wir taten und planten wie ein Maschendraht legt. Statt das Ross selber zu reiten, haben wir uns von diesen Effizienzpolizisten mitschleifen lassen und mussten nun sehen, wie wir hinter ihnen herstolperten.

Plötzlich gab es keinen Haushalt mehr, um den man mit guten Argumenten kämpfen konnte. Es gab auf einmal Budgets. Wir dürften jetzt unser Geld selber verwalten, hieß es verlockend. Aber was wir nun selber entscheiden konnten, war nur die Frage, was wir und wo wir in unserem Haushalt die von oben vorgeschriebene Summe einsparen wollten. Denn das Sparen war nun scheinbar das Hauptziel unseres Daseins geworden. Stellen wurden ganz eingespart, Abteilungen zusammengelegt, Projekte gestrichen, Mittel gekürzt. Wir wurden aufgefordert mehr Synergieeffekte zu nutzen und endlich dafür zu sorgen, dass kostspielige Hilfen und Projekte zugunsten günstigerer Alternativen aufgegeben wurden. 

Als ich 1987 meine Familienhelferstellen beim Magistrat durchsetzte, weil ich mit einer Kostenmodellrechnung überzeugte, die auswies, wie viele Millionen DM die Stadt sparen würde, wenn bei einer Familie mit 5 Kindern nicht für jedes Kind Heimerziehung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gewährt werden müsste, sondern eine intensive Familienhilfe dort für zwei, vielleicht drei Jahre ambulant tätig wäre, hatte ich noch die Hoffnung, die neue Sparmasche könnte zugunsten der Jugendhilfe ausschlagen.

Dann belehrte mich mein Jugendamtsleiter eines Besseren:
Ich hatte im Verlauf von ungefähr sieben Jahren im Jugendamt eine eigene Erziehungsberatungsstelle aufgebaut, die sich nicht, wie übliche Erziehungsberatungsstellen im Wesentlichen mit Klienten aus den mittleren sozialen Schichten befasste, sondern die gezielt und bewusst für die Menschen da war, die im Jugendamt betreut wurden. Die kamen eben nicht von alleine, hatten keinen „Leidensdruck“, wurden meist geschickt und ihre Motivation für Hilfe war äußerst begrenzt. Hier bedurfte es ein Vielfaches mehr an Fingerspitzengefühl, an Zeit, an vertrauensbildenden Maßnahmen, an Bereitschaft, sich auf fremde Lebenswelten einzulassen. Das ging natürlich nur mit einer veränderten Organisationsstruktur und mit anderen Methoden. In unserer Erziehungsberatungsstelle war es z.B. üblich, Hausbesuche zu machen und nicht zu warten, dass die Leute den Weg von selber zu uns finden würden. Wir nahmen uns die Zeit, die diese Familien brauchten, bis sie bereit und in der Lage waren, über ihre Erziehungsprobleme zu reden. Wir machten niedrig schwellige Angebot im Stadtteil, bei denen die Menschen unsere MitarbeiterInnen erst einmal in Ruhe kennen lernen und Vertrauen zu ihnen entwickeln konnten.

Natürlich kostete uns diese Arbeit viel Kraft aber auch viel Zeit. Unser Erfolg aber, so hatten wir bis dahin geglaubt, gab uns Recht: In unserer Beratungsstelle machten die Familien, die der Allgemeine Sozialdienst uns geschickt hatte, in den meisten Fällen wirklich mit und brachen die Hilfe nicht nach ein, zwei Terminen ab. Darin unterschieden wir uns ganz deutlich von den anderen Beratungsstellen in der Stadt.

Und nun kam der Amtsleiter aus einer seiner Besprechungen mit den Leuten aus Amt für Organisation und Steuerung und verlangte von uns, zu errechnen, wie viele Minuten bei uns eine Beratung im Schnitt dauerte und wie viele Beratungen pro Fall bei uns durchgeführt wurden. Ziel war ein Vergleich zwischen den verschiedenen Beratungsstellen der Stadt, der es ermöglichen sollte, festzustellen, welche Beratungsstelle am effektivsten und natürlich auch, welche am kostengünstigsten arbeitete.

Und dann kam, was kommen musste:
Dass wir logischerweise teurer waren und mehr Zeit veranschlagen mussten, eben weil unsere Klienten diese Zeit brauchten, wollte mit einem Mal keiner mehr wissen und keiner mehr hören. Was bis dahin sozusagen unser Markenzeichen gewesen war, nämlich die Beratungsstelle zu sein, die es schafft, solche Klienten zu erreichen und mit ihnen zu arbeiten, die üblicherweise durch alle Netze von Beratungsangeboten fallen, das war jetzt auf einmal unser Makel. Wir waren zu teuer, weil wir, teurer waren, als die anderen. Warum wir das waren und welche besondere Qualität wir so erreichten, spielte nun keine Rolle mehr.

Der Markt hatte die Jugendhilfe erreicht.

 

All das geschah im Westen dieses Landes auf einem vergleichsweise hohen Niveau des Ausbaus der Jugendhilfe und der Sozialen Arbeit überhaupt.

Verglichen mit der Situation heute und insbesondere der Situation im Osten des Landes war das damals nicht mehr als ein Wetterleuchten.

Dennoch wurde mir an diesem Tag durch die  neuen, für mich schockierenden Vorstellungen meines Jugendamtsleiters klar, dass sich etwas in der Sozialen Arbeit entscheidend ändern würde.

Mein Jugendamtsleiter ging kurz danach als Manager und Berater in die Wirtschaft.

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Billigprodukt Soziale Arbeit …

aus meinem Schwarzbuch (Persönliche Erfahrungen):

Als ich 1982 in Wiesbaden in meiner Abteilung im Jugendamt die Schulsozialarbeit übernahm, war sie gerade dabei, sich von einer gut ausgestatteten Modelleinrichtung in eine Regeleinrichtung zu verwandeln. Von den bisher 8 wurden nur 6 Stellen als unbefristete Stellen weiter übernommen, das separate Stadtteilbüro wurde geschlossen aber immerhin, die Beteiligung der Grundschule und der Gesamtschule im Stadtteil Klarenthal blieb bestehen. Die Bundesmittel wurden eingestellt, die Kommune und das Land teilten sich die verbliebenen Kosten.

Dies war meine erste berufliche Erfahrung mit Mittelkürzungen in der Sozialen Arbeit.
Immerhin blieb genug von der Modellausstattung übrig, um den Stadtteil auch weiterhin gut und ganzheitlich mit Schulsozialarbeit und Stadtteilbezogener Sozialarbeit zu versorgen und eine kontinuierliche und nachhaltige Arbeit zu leisten, die auch für Außenstehende deutliche Ergebnisse zeigte: Die Rolle der jugendlichen Neonazis im Stadtteil z.B. wurde innerhalb weniger Jahre total zurückgedrängt. Von den Absolventen des Hauptschulzweiges der Gesamtschule erhielten 80% einen Ausbildungsplatz oder machten eine schulische Weiterqualifizierung mit.

Schon ganz anders sahen meine Erfahrungen im Jahre 1998 aus, als ich das „Landesprogramm Jugendarbeit an Thüringer Schulen“ wissenschaftlich betreute. Die ohnehin eher schmalbrüstige Ausstattung von 2 mal 30 Mitarbeiter-Stunden pro Modellschule wurde entgegen der fachlich begründeten Notwendigkeit nach Ablauf des Modellzeitraumes weiter reduziert auf etwa 10 Stellen insgesamt für 10 Schulen. Mehr wollte man nicht investieren. Das geschah zu einer Zeit, als im Osten die eigentliche Sparwelle noch gar nicht angefangen hatte.

2001, wenige Jahre später traf ich auf ein Jugendamt in Thüringen, das sich mit einem finanziell hervorragend ausgestatteten Modellprojekt „Stationäre Familienhilfe“ schmücken wollte, seine etwa 30 regulären Maßnahmen der „Sozialpädagogischen Familienhilfe (spFH) nach Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) aber Stunden mäßig so knapp ausstattete, dass angesichts der zum Teil dramatischen und hochschwierigen Familienkonstellationen diese Hilfe nur in Ansätzen greifen konnte und in den meisten Fällen nichts gebracht hat. Viele dieser Fälle endeten mit Heimerziehung, die man eigentlich hatte vermeiden wollen. Mein Versuch, statt des luxurieusen Modells erst einmal die normalen Hilfen der spFH angemessen mit Zeitressourcen (z.B. statt wöchentlich 3 Stunden die erforderlichen 13 Stunden) zu versehen, scheiterte am Konzept des Amtes, das im Übrigen einen neuen Amtsleiter hatte, der ursprünglich aus der Finanzverwaltung einer Jugendbehörde stammte und kein Sozialarbeiter war. (Noch 1978 hatten wir zufrieden konstatiert, dass die letzen Jugendamtsleiter, die diese Aufgabe als Juristen übernommen hatten, der Profession Sozialarbeit gewichen waren, wie es das Kinder- und Jugendhilfegesetz fordert. Inzwischen finden sich auf den Jugendamtsleiterstellen fast ausschließlich Betriebswirte oder Verwaltungsfachkräfte.)

Und geschockt war ich auch, als mir um das Jahr 2003 herum zum ersten Mal bewusst wurde, mit welchen Arbeitsbedingungen unsere Absolventen inzwischen zu recht kommen sollten: von tariflicher Bezahlung war nur noch selten die Rede. Befristete, auf 30 und weniger Stunden gekürzte Stellen wurden die Normalität. Unbezahlte freiwillige Überstunden wurden von den Arbeitgebern eingeplant. Und dennoch mussten sie all diese Bedingungen akzeptieren und dankbar sein, wenn sie überhaupt eine Anstellung fanden.

Soziale Arbeit, so schien es, kostete den Politikern und den Verwaltungen zu viel, war ihnen einfach zu teuer, war ihnen das Geld nicht wert, was sie dafür bereitstellen sollten. Das Geld sei nicht da, hieß es immer einfach. Eine Diskussion auf Länder- oder Bundesebene oder in einem kommunalen Haushalt über die Gewichtung von Jugendhilfe gegenüber dem Straßenbau oder anderen Ausgabeposten wurde nie geführt. Dem Ressort Soziales gehörte nie eine Priorität. Das Jugendamt z. B. wurde immer behandelt wie jedes andere Amt, das öffentliche Ausgaben provoziert. Und am liebsten wäre es vielen gewesen, sie hätten die lästigen Kosten z.B. der Jugendhilfe einfach wegschieben können. Unser Land ist und war eine der reichsten Industrienationen der Welt und es gab Geld für vieles, auch in den Zeiten so genannter knapper Kassen, für die Bundeswehr, für Unternehmer, für Banken die sich verzockt hatten… Die leeren Kassen waren ein Phantom, ein hausgemachtes Unglück aber ein gewolltes Unglück. 

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Nichts ist mehr so wie es war….

aus meinem Schwarzbuch (Persönliche Erfahrungen):

 

Als ich 1993 in die Neuen Bundesländer ging, hatte ich noch keine Ahnung, was ein Kapitalismus ist, der – ungehindert auch vom sozialpolitischen Konkurrenzmodell des realen Sozialismus – alles unter seine Herrschaft stellt.

Als ich dann im Osten im Radio zum ersten Mal Werbespots hörte, glaubte ich noch, das sei nur hier so, nach dem Motto: „Mit denen hier können sie es machen“. Tatsächlich waren die „Ossis“, die nun fast unerwartet doch noch die DM bekommen hatten, bereit, alles zu schlucken, was dieses neue System mit sich brachte. Sie waren es gewohnt, sich flexibel anzupassen und der Markt schien ihnen das Symbol für all den erstrebten Wohlstand, die ersehnte Freiheit und die herbei gewünschten Konsummöglichkeiten. Die Ellenbogenmentalität, das abverlangte Bekenntnis zur neuen, freien Marktwirtschaft, das die eigene Vergangenheit und die dort aus eigener Kraft geschaffenen Werte leugnen musste, das war der Preis für all diese Errungenschaften und die Ossis bezahlten gerne und mit freudiger Demut.
„Hier hat das siegreiche System leichtes Spiel“, dachte ich bei mir.

Erst Jahre später begriff ich auf Reisen in den Westen, dass auch hier etwas Neues entstanden war, dass auch hier Werte und Rechte, die seit meiner Kindheit selbstverständlich gewesen waren und mir Sicherheit gegeben hatten, ins Schwimmen geraten waren, sich gerade zu verflüchtigten.

Tariflöhne, Kündigungsschutz, Inflationsausgleich, das selbstverständliche Recht auf einen Job, der der Ausbildung entsprach, die man hinter sich gebracht hatte, all das wurde plötzlich von Seiten der Politik und der Medien infrage gestellt, diskreditiert, lächerlich gemacht..

Bekannten, die arbeitslos geworden waren, wurde auf einmal eine Tätigkeit zugewiesen, die weit unter ihrem Ausbildungsniveau lag. Von einer tariflichen Eingruppierung konnten die AbsolventInnen unserer Hochschule nur noch träumen, ebenso von einer ganzen Stelle und einem unbefristeten Vertrag.

Die betriebswirtschaftliche Sprache fing an, unsere Lehrpläne und Seminare zu durchdringen und aufzuweichen. Verhandlungen freier Träger mit dem Jugendamt schienen sich mit einem Mal nicht mehr an der maximal möglichen Fachlichkeit, dem optimalen möglichen Nutzen für die KlienteInnen zu orientieren sondern daran, was unbedingt – nach Gesetzeslage – sein musste, was schnelle Effekte zeigen könnte, was nicht zu vermeiden war, was möglichst wenig kostete und was keine Folgekosten nach sich ziehen würde.

Innovative Projekte waren auf einmal unbeliebt. Bewährte, erkämpfte Strukturen und Konzepte verschwanden in der Schublade, weil sie zu teuer wurden oder verzichtbar schienen.

Und es gab immer mehr, über das wir uns zunächst nur gewundert haben:

Plötzlich gab es wieder Arme und die dazu passende Mildtätigkeit: „Tafeln“, Weihnachtsgeschenke an Heim und Kleiderkammern. Und die meisten Menschen fanden das alles ganz o. k., wie es schien. Sie hofften wohl, von Arbeitslosigkeit und Armut selber verschont zu bleiben. Aber heimlich wussten sie doch wohl genau, dass es sie auch treffen könnte. Armut wurde versteckt, als Makel empfunden, als eigenes Versagen. Auch hier in den Neuen Bundesländern, wo lange Zeit Armut ein Fremdwort und was eigentlich Empörung hätte auslösen müssen. Die Zeiten, wo die Ossis zu meinem Entzücken laut im Laden protestierten, wenn sie die unglaublichen Brotpreise sahen, waren lange vorbei.. Man schämte sich neuerdings auch hier, zuzugeben, dass einem etwas zu teuer war.

Schließlich kam die Pisastudie und bewies, dass in Deutschland für Kinder aus sozial benachteiligten Familien kaum eine Chance besteht. Aber nicht diese Botschaft wurde heiß diskutiert, sondern die offenbar viel erschreckendere Tatsache, dass die besten deutschen 10.Klässler nicht in der Weltleistungsspitze dabei waren, sondern bestenfalls im mittleren Leistungsbereich. Monate lang gab es im Internet auf dem von der Bundesregierung eingestellten Diskussionsportal heftige Diskussionen, darüber, was zu tun sei. Nur bei einer der 5 gestellten Fragen kam keine einzige Reaktion. Bei dieser Frage ging es um das Probleme der so genannten „Risikogruppe“ von knapp 25% aller SchülerInnen, die faktische nicht das Niveau des Hauptschulabschlusses erreichten. Es gab kein gesellschaftliches und öffentliches Interesse an diesen Menschen. Sie wurden nicht gebraucht.

Über unsere Hochschule schwappte der Bachelor-Wahn, aber es blieb uns keine Wahl. Auch die Hochschulbildung sollte nun vor allem effizient sein, billiger aber natürlich auch besser. Die Ziele wurden vorgegeben und auch der Weg, wie sie zu erreichen sein würden. Wir sahen ohnmächtig zu, wie man einen Bildungsbegriff, der einmal etwas mit Begreifen, Reflektieren, kritisch Sein, mit Entwicklung und mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun gehabt hatte, einfach mit dem Besen raus gekehrte.

Mit Hartz IV wurden die Konturen dann richtig deutlich erkennbar. Das, was so fortschrittlich als Agenda 2010 verkauft wurde, das Versprechen von Reformen, die dann ganz und gar anders funktionierten als das, was man bisher unter Reformen verstanden hatte, die Beschimpfung der Sozialhilfeempfänger als Faulenzer und Parasiten durch den damaligen SPD-Bundeskanzler und so viele andere, die Behauptung, es läge am Einzelnen, was aus ihm würde – vom Tellerwäscher zum Millionäre, gab es das nicht schon mal? – das alles schreckte mich endlich richtig auf und machte mir klar, was inzwischen passiert war und woher der Wind pfiff.

„Es gilt doch nun „fressen oder gefressen werden“, alles andere ist doch Unsinn“, sagte mir heute eine fast 70jährige aus dem Osten, die auf die freie Marktwirtschaft schwört und noch immer die Reisefreiheit und den Konsum als die entscheidenden Werte erlebt, für die sie durchaus bereit ist, in einer darwinistischen Gesellschaft den anderen ihrs abzujagen. „Was gehen mich die Gescheiterten an? Ihr Pech. Ich hab es mir schließlich selber erarbeitet!“ Willkommen im aktivierenden Staat!

Ich sehe die Lebens- und Liebesbeziehungen, die von der täglichen Pendelei zur Arbeitsstelle über 200 Kilometer gestresst sind, die 3.Klässler, die schon jetzt mit Stress in den Augen beteuern, dass sie später einmal Abitur machen werden und viel Geld verdienen wollen. Ich sehe die Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss, die seit Jahren in den Warteschleifen der Arbeitsagenturen und ihrer Fortbildungsangebote herumhängen ohne jede Perspektive. Ich sehe die Arbeiter und Angestellten von Nokia, Siemens und all den anderen, die ganz plötzlich rausgeworfen werden und arbeitslos sind nach 20 Jahren im Betrieb. Ich sehe auch meine und anderer Leute Kinder, die in dieser Welt zu schwimmen versuchen und es ganz in Ordnung finden wie es ist. Meine Worte wirken auf sie wie die Worte alter Leute, die ihre Vergangenheit verherrlichen. Ich wünschte, es wäre wirklich so.
Ich hoffe, sie werden es trotzdem schaffen. Auch wenn jetzt die größte Krise über uns wegrollt, die es gab seit dem Krieg. Irgendwie werden sie es schaffen müssen. Aber ich fürchte mich für sie.
Die Studierenden der Sozialen Arbeit, mit denen ich zu tun habe sind in dem gleichen Alter wie meine Kinder. Auch sie versuchen, optimistisch in die Welt zu blicken und das Beste aus dem zu machen, was sie vorfinden. Dennoch sind sie sensibler für die gesellschaftlichen Veränderungen und die damit einhergehenden Problemlagen vieler Menschen. Das hängt mit ihrem Fach zusammen. Sozialarbeiter sind dicht dran an den Schicksalen vor allem der Verlierer der Gesellschaft. Sie kennen die Zusammenhänge von Biografien und gesellschaftlichen Entwicklungen. Und sie wissen genau, dass sie selber mit ihrer Berufswahl mitten in den Strudel der Ökonomisierung geraten sind. Sie wissen jedoch nicht, wie es weitergehen soll: Werden sie sich anpassen müssen? Werden sie das können? Werden sie noch die Sozialarbeit machen, die sie bei uns gelernt haben oder werden sie Erfüllungsgehilfen einer neoliberalen Gesellschaft und ihrer herrschenden Kräfte sein? Könnten sie etwas tun, um das zu verhindern? Und wie weit können sie gehen mit der Anpassung? Gibt es ethische Grenzen, hinter denen Soziale Arbeit sich nicht mehr für Menschen einsetzt sondern zu ihrem Feind wird?

Wir wissen es nicht. Aber sie sollen wissen, was auf dem Spiel steht.

Für sie schreibe ich dieses Buch. 

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Wie ich zur Sozialen Arbeit kam …

aus meinem Schwarzbuch (persönliche Erfahrungen):

Es ging mir überhaupt nicht anders als allen anderen Leuten: Ich hatte keine Ahnung, was Soziale Arbeit ist und was sie kann.

Als ich nach abgeschlossenem Psychologiestudium und noch mitten in der Promotion stehend bei der damals in Münster neu gegründeten kath. Fachhochschule vorsprach, um mich evtl. auf eine Professorenstelle zu bewerben, war die damalige Dekanin durchaus interessiert und meinte dann seufzend: „Schade, dass ich nicht Franz von Assisi bin, dann würde ich Sie hier sofort einstellen.“ Es war im Jahre 1970 und ich war für diese FH zu links, offenbar und interessanter Weise wäre ich das für Franz von Assisi nicht gewesen….

Trotzdem, ich wundere mich heute über meinen Mut oder besser gesagt über meine Ignoranz. Denn obwohl ich wirklich keinerlei Ahnung hatte, was Soziale Arbeit treibt, kann und macht – etwa im Vergleich zur Psychologie in der Psychotherapie oder einer  Erziehungsberatungsstelle – traute ich es mir locker-lustig zu, es den Studierenden beizubringen.

Als ich dann ein wenig später im Team einer Erziehungsberatungsstelle gelandet war, machte ich mir den zu uns gehörenden Sozialarbeiter vorübergehend zum Intimfeind, weil ich mein Unwissen dahingehend outete, dass ich  meinte, Sachbearbeitung im Sozialamt sei das gleiche wie Sozialarbeit.

Die GewerkschaftskollegInnen in der ÖTV allerdings brachten mir dann doch sehr schnell bei, was Soziale Arbeit eigentlich bedeutet und dass ich sie als Psychologin nicht so einfach nebenbei mit erledigen konnte

 

Ich hatte mit viel Mühe und Motivationsarbeit  für eine depressive Mutter dort in der Einrichtung einen Platz organisiert, mich aber in keiner Weise darum gekümmert, woher dafür das Geld kommen sollte. Als ich beim Telefongespräch mit der  therapeutischen Mutter-Kind-Einrichtung auf die abschließende Frage, wer das Ganze denn nun finanzieren wird, völlig fassungslos und überfordert reagierte, schwante mir allmählich, dass ich wie in einem Traumschloss agierte. Für eine Psychologin war die Finanzierung damals offenbar kein Thema und ich musste passen. Die Hilfe fand nicht statt und ich habe mich kräftig geschämt.

Und als ich das Vertrauen einer Frau aus einem Sozialen Brennpunkt gewonnen hatte, die mir ihre Erfahrungen als sexuell missbrauchtes Kind erzählte und die im Rahmen unserer Gespräche zu einem Menschen erwachte, der seine Würde wieder entdeckte, stand ich hilflos und verdutzt vor der Tatsache, dass das allein nichts in ihrem Leben ändern konnte. Sie erwartete nun verständlicher Weise, dass alles anders werden müsse: ihre Gewalt volle Ehe, ihr ganzes armseliges, im materiellen wie im psychischen Sinne armes Leben, die Alkoholkrankheit ihres Mannes, die Entwicklungsverzögerungen bei ihren Kindern…..

 

Damals begriff ich, dass Hilfe und Unterstützung für einen großen Teil der Bevölkerung nicht allein psychischer Natur sein kann. Sie brauchen mehr: Sie brauchen auch praktische Unterstützung, brauchen Unterstützung dabei, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen, es zu bewältigen und sie brauchen jemand, der Partei für sie ergreift und sich auf die Seite derer stellt, die im Vergleich zu anderen in dieser Gesellschaft zu wenig Ressourcen abbekommen haben….

Damals entschloss ich mich, nachträglich und zusätzlich noch Sozialarbeiterin zu werden. Ich studierte neben meiner Arbeit und machte es mir zur Pflicht, das Fach Psychologie in diesem Studium für mich auszuschließen und mich auf alles andere zu stürzen. Und da blieb wahrhaftig noch sehr viel übrig, von dem ich keine Ahnung gehabt und auf das ich bisher auch kaum Aufmerksamkeit gerichtet hatte.

Ich wurde also Sozialarbeiterin und 35 Jahre nach meinem ersten, naiven und überheblichen Versuch in Münster, unterrichte ich heute nun wirklich werdende SozialarbeiterInnen und dies seit 15 Jahren.

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Angst davor, die Wahrheit auszusprechen?

Wenn ich Erfahrungen anderer aus ihrer Praxis wiedergeben will, muss ich sehr vorsichtig sein. Die Angst der Betroffenen ist nicht zu übersehen. Warum haben sie Angst?

Ist es nicht mher möglich, die Wahrheit laut zu sagen?

 

aus meinem Vorwort (Schwarzbuch):

 

In der sozialarbeiterischen Wirklichkeit aber, so berichten fast alle Studierenden, wenn sie aus dem einjährigen Praktikum zurück an die Hochschule kommen, geht es heute nur noch um Geld, um Sparen oder um das Beschaffen von finanziellen Ressourcen. Zeit für notwendige kommunikative Prozesse ist oft nicht vorhanden oder wird nicht finanziert, Hilfen, die erforderlich sind, werden nicht zur Verfügung gestellt. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz z. B., das noch vom Geist der Lebensweltorientierung geprägt ist,  erscheint den Studierenden immer mehr als ein Ideal, das höchstens orientieren kann, das aber längst unbezahlbar ist. Der öffentliche Erfolgsdruck auf die MitarbeiterInnen der Jugendhilfe z.B. steigt angesichts der in den Medien breitgetretenen Skandale, gleichzeitig wird ihnen der fachliche und sozialpädagogische Handlungsspielraum genommen. In der Sozialen Arbeit machen sich in einem solchen Klima Vorgehensweisen und Menschenbilder breit, die wir mit den autoritären und fürsorglichen Ansätzen der Vergangenheit glaubten, hinter uns gelassen zu haben glaubten.

Es ist mir und meinen Kollegen, vielen unserer Studierenden und einer Reihe von kritischen Praktikern ein dringendes Anliegen, diese Entwicklungen nicht einfach hinzunehmen, uns nicht mit ihnen zu arrangieren und sie nicht als  „moderne“, zwangsläufige Entwicklung zu akzeptieren.

Gewünscht und beschworen wird deshalb von vielen eine Möglichkeit, die Wahrheit über die aktuellen Entwicklungen zu sagen und unverblümt der Öffentlichkeit zu präsentieren. Dieses Buch, das in Zusammenarbeit mit  Studierenden, KollegInnen und PraktikerInnen entstanden ist, soll ein Schritt dazu sein, solchen Entwicklungen und den für sie Verantwortlichen die rote Karte zu zeigen.

Für PraktikerInnen und Studierende ist es dabei aber ganz wichtig, dass sie sich bei dem  Schritt, die Wahrheit auszusprechen, nicht gefährden, nicht als unliebsame oder unangepasste MitarbeiterInnen identifiziert und dann schlicht ausgetauscht werden.

 



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Warum ein Schwarzbuch Soziale Arbeit?

Der erste Entgesicht-32.jpgwurf ist fertig. 350 Seiten, 50 mehr als gewollt und geplant. Da wird es noch heißen: kürzen!

Im Großen und Ganzen bin ich zufrieden mit meiner Arbeit. Immerhin bin ich am Ende da angekommen, wo ich ankommen wollte. Es war eine harte Arbeit. Ich bin keine Viel- und Leichtschreiberin. Aber dieses Buch möchte ich noch weiter geben. Es stecken über 30 Jahre Sozialarbeiter-Herzblut drin, alle Liebe zu diesem Beruf und alle Enttäuschungen und alle Schrecken der letzten 10 Jahre.

 

Ich glaube nicht, dass ich nur eine nostalgisch angehauchte Alte bin, die einfach alles schöner und besser fand, als sie noch jung war. Ich glaube, nein, ich bin davon überzeugt, dass Soziale Arbeit einen Wandel durchmacht seit etwa 10, 15 Jahren, der dazu führt, dass diese Profession sich nicht mehr wieder erkennen wird: Als Kind des kapitalistischen Gesellschaftssystems war sie immer eine gesellschaftliche Kraft, die auf der einen Seite zwar die sozialen Probleme des Kapitalismus befrieden konnte und somit System stabilisierend wirkte, die aber auf der anderen Seite immer  auch kritisch war gegenüber diesem System und dem, was es mit seinen Menschen anrichtete. Soziale Arbeit war immer auch den Menschen verpflichtet, ihrer Würde, ihren  Forderungen nach  Gerechtigkeit und Teilhabe.

Zunehmend verliert Soziale Arbeit  diese auf Menschenrechte und auf soziale Gerechtigkeit orientierte kritische Dimension. Und ich frage mich: Was kann sie dann noch leisten? Wem dient sie? Auf wessen Seite steht sie?

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man könnte so viel machen – aber es geht halt nicht….

Vorgestern hatte ich wieder Prüfungen meiner berufstätigen Studierenden.
Es ging um die Reflexion ihrer Berufspraxis auf dem Hintergrund dessen, was sie bei uns gelernt haben.
Und alle berichteten von einer Diskrepanz zwischen dem, was eigentlich fachlich richtig und sinnvoll wäre und dem, was unter den vorgegebenen Bedingungen möglich ist.
Hier fehlt es an der notwendigen Zeit, dort an der Möglichkeit, Hilfen so zu verändern, dass sie auf die Möglichkeiten der KlientInnen wirklich passen, hier werden Probleme nicht angegangen, weil man daran Geld verdienen kann, dort muss man zusehen, wie ein an und für sich brauchbares Gesetz, dass eigentlich Menschen helfen soll, ins Gegenteil verwandelt wird und als Alibi und Einfallstor für Rauswurf und Kündigung dient.
Interessanter Weise wurden diese Diskrepanzen von den Studierenden zwar erwähnt, oft auch kurz problematisiert, aber keiner der KandidatInnen hat diese Problematik in seiner schriftlichen Arbeit dann weiter diskutiert und verfolgt.

Ich habe  mit meiner Beisitzerin lange diskutiert, woran das liegen könnte. Hatten sie Angst, wir würden hingehen und ihren Trägern und Teams brühwarm erzählen, welch kritische MitarbeiterInnen sie sind?  Fürchteten Sie, als NestbeschmutzerInnen dazustehen oder als Menschen, die die Probleme nicht bei sich, sondern immer bei anderen suchen?
Ich glaube eher, dass diese merkwürdige, resignierte Kritiklosigkeit, dieses „Mißstände kaum noch Wahrnehmen“, dieses sich gewöhnt Haben an unzureichende Bedingungen, die eine gute Arbeit nicht zulassen, dass all das mit dem ermüdenden täglichen Kampf zu tun hat,bei dem man  irgendwie trotzdem, auch unter schlechten und eingeschränkten Bedingungen für die Klienten und auch für sich selber etwas Sinnvolles zu erreichen versucht. An den Bedingungen können Sie eh nichts ändern, sagen sie, nicht einmal ihre Vorgesetzten können das. Das alles sei einfach von oben so festgelegt worden, so seien eben die Förderrichtlinien, so seien die von oben gesteckten Ziele.
Dass Verwaltung und Pädagogik dabei zweierlei Sprachen sprechen, dass Finanzierung sich offenbar nicht nach dem Notwendigen, sondern nur nach dem richtet, was eben auf effizientem, kurzem Wege zu haben ist, dass Politik sich nicht interessiert für Menschenbiografien, sondern in erster Linie für Wahlergebnisse und für Kosteneindämmung, dass scheint ihnen eine natürliche, selbstverständliche und nicht zu ändernde Tatsache.
Wenn sie sich täglich dieser Widersprüche, der immer wieder drohenden Sinnlosigkeit ihrer fachlichen Bemühungen unter den verknappten Zeitbedingungen und im Rahmen der vorgegebenen, unumstößlichen bürokratischen Regelungen klar würden, wäre ihre Arbeit für sie wahrscheinlich nicht auszuhalten.

Ich muss das akzeptieren und verstehen. Aber es macht mir Angst.

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Hilft Soziale Arbeit gegen Amokläufer?

Selbstverständlich ist das Problem, dass immer öfter Amokläufer in ihren (ehemaligen) Schulen Blutbäder anrichten, nicht durch Soziale Arbeit  allein zu lösen, ebenso wenig wie durch Verbote von Gewaltspielen oder von Waffenbesitz. Da müsste man schon einmal genau hinsehen, was diese jungen Menschen antreibt und was ihr motivationaler Hintergrund für eine solche Tat ist. Aber wer will das schon. Die allgemeine Fassungslosigkeit schützt vor bitteren Erkenntnissen. Heraus käme dabei  nämlich „nur“, dass die Situation  in unserer gegenwärtigen Gesellschaft besonders auch für junge Leute durch Kälte, Zwänge und Perspektivlosigkeit geprägt ist und dass Gewalt in den Medien und in der Wirklichkeit  alltäglich und selbstverständlich geworden ist. Wer hat sich hierzulande schon über den Krieg Israels gegen Palästina aufgeregt, bei dem Menschen hingemetzelt wurden, als handele es sich um ein Computer-Spiel.
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Pappkameraden auf der IWA: Die Messe hatte 68.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche in sechs Hallen, drei davon reserviert für alles, mit dem man schießen kann

Wollte man wirklich an den Hintergründen etwas ändern, müsste man schon an etwas tiefer sitzenden Schrauben drehen. Da ist auch Schulsozialarbeit nicht mehr als eine Möglichkeit, bestehende Problemlagen abzuschwächen, Eskalationen zu vermeiden und Einzelnen individuell Perspektiven zu eröffnen. Auch sie behandelt sicherlich nur die Symptome dieser Gesellschaft. Hierzu ein hoch interessanter Beitrag.

Aber dennoch könnte Soziale Arbeit in diesem Kontext mehr leisten und wäre sinnvoller als all die Überlegungen für Verbote und Beschränkungen, für Sicherungsmaßnahmen und Abschottungen von Schulen.

Auszug aus meinem Schwarzbuch-Entwurf:

Hätte Schulsozialarbeit an der Erfurter Schule denn den Amoklauf verhindern können? Möglicher Weise:

  • Schulsozialarbeit, angemessen ausgestattet und in das Schulleben und den Schulalltag integriert, wirkt wie ein Seismograph und kann bestehende Problematiken in der Schülerschaft sehr viel früher wahrnehmen.
  • SchulsozialarbeiterInnen, die ja keine Zensuren verteilen und keine Abschlüsse vergeben, sind für SchülerInnen mit belastenden Problemen und für solche, die Stress mit der Schule haben, sehr viel eher als Ansprechpartner denkbar. Hier kann Hilfe und Unterstützung für Jugendliche geleistet werden, die sich in einer existentiellen Krise befinden und sie als ausweglos erleben.
  • Schulsozialarbeit ist durchaus in der Lage, das Schulklima gemeinsam mit der interessierten Lehrerschaft dahingehend zu verändern, dass an einer Schule andere als gewalttätige Formen der Auseinandersetzung auch zwischen Schülern und Lehrern denkbar werden.
  • Als Deutschland und insbesondere Thüringen entsetzt nach Erfurt schauten und es nicht fassen konnten, was da an einer deutschen Schule geschehen war, wurde zumindest eine Zeit lang über Ursachen solcher Gewaltausbrüche von Schülern und über Hilfemöglichkeiten auch im Schulkontext gesprochen.

Abgesehen davon, dass die Möglichkeiten der Profession Schulsozialarbeit in diesem Zusammenhang von Politik und Öffentlichkeit kaum oder gar nicht erkannt wurden (man rief statt dessen nach Schulpsychologen), war es selbst nach diesem Ereignis noch schwierig, eine angemessene Ausstattung von Schulsozialarbeit langfristig zu installieren. Heute, Jahre nach dem Amoklauf hat man die Stellen der Sozialpädagogen wieder auf eine reduziert.


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zurück im Semesterbetrieb

Hallo zusammen!

Mein neues Blog habe ich in den letzen Monaten vernachlässigt.

Zum einen kamen wenig Anregungen und Kommentare, was mich zunächst ein wenig demotiviert hat.
Tatsächlich schreiben die Studierenden offenbar lieber persönliche mails an mich, als es über die Kommentarfunktion im Blog zu tun, auch dann, wenn der Inhalt ihrer Mail eigentlich für viele  hoch interessant wäre.
Ich gewöhne mich also erst mal daran, dass das Blog vielleicht einige lesen, dass sie mir aber das Schreiben überlassen wollen.
Das kann und darf sich von meiner Seite aus jeder Zeit ändern, klar.

Zum zweiten habe ich die letzten drei Monate wie eine Wilde an meinem Schwarzbuch geschrieben. Daneben hatte ich weder Zeit noch Muße, etwas ins Blog zu schreiben.

Aber jetzt kann’s wieder losgehen.

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Wer hat solche Erfahrungen gemacht?


Ich schreibe in meinem Forschungssemester derzeit intensiv an einem „Schwarzbuch Jugendhilfe  „- Der Staat verkauft seine Kinder“  (oder auch „Schwarzbuch Soziale Arbeit“; ich bin noch nicht entschlossen, ob ich den Bereich auf Jugendhilfe einschränken werde). Das Buch soll vor allem lesbar, anschaulich und auch für Nichtinsider der Sozialen Arbeit verständlich und interessant werden.

Deshalb suche ich Praxisbeispiele, habe auch schon viele, aber es gibt ein paar Themen, da würde ich mich über konkrete Anregungen noch freuen.

 

  1. Burn out aufgrund erhöhter Arbeitsbelastung (mehr Fälle, weniger Mitarbeiter, schwierigere Fälle ohne entsprechenden Zeitausgleich etc.). Wie reagierten z.B. die KollegInnen, die Vorgesetzten, der Träger?

 

  1. Fälle, in denen eine Hilfe von den Betroffenen gewollt, vom ASD befürwortet aber dann von der Leitung nicht genehmigt wird, vornehmlich oder verdeckt aus Kostengründen.

 

  1. Jugendhilfekarrieren und ihre Stationen

 

  1. Massive Arbeitsbelastung durch Schreibtischaufgaben im Kontext des Sozialmanagements wie Dokumentation, Qualitätsmanagementaufgaben, Verhandlungen mit Kostenträger, Leistungsbeschreibungen etc.. Musste die pädagogische Arbeit darunter leiden? Wieso? Wie weit?.

 

  1. Arbeitsbelastung durch Maßnahmen für die eigene Werbung, durch Fundraising und Sponsering Aktionen, die so viel Zeit schluckten, dass die eigentliche Arbeit darunter zu leiden hatte.

 

  1. Erfahrungen mit Vernetzung und Kooperationsgruppen, die sich durch die Wettbewerbssituation zwischen den einzelnen Anbietern verändert haben, die erschwert wurden, die funktionalisiert wurden.

 

  1. Projekte und Modelle, die mit großem Aufwand und/oder vielen Mitteln ein, zwei Jahre durchgeführt wurden und dann, nach Beendigung sang- und klanglos und ohne Konsequenzen eingestellt wurden.

 

  1. Bereiche der Sozialen Arbeit, die von Stellenstreichungen bedroht sind bzw. denen die totale Schließung ins Haus steht. Welche Begrpündungen werden gegeben? Gibt es Gegenwehr der KollegInnen? der KlientInnen? Wie schätzen Sie die Folgen der Schließung ein?

 

Die Beispiele dürfen aus allen möglichen Bereichen der Sozialen Arbeit kommen. Die Erfahrungen können im Pratikum oder in der beruflichen Tätigkeit erworben worden sein. Sie können nur kurz skizziert oder auch ausführlich beschrieben werden. Ich brauche keine Namen, auch nicht von Städten  oder Trägern und Einrichtungen. Die Infos sollten so allgemein formuliert werden, dass ich weiß, in welchem Kontext sich das Beispiel abspielt, mehr nicht (z.B. statt Drogenberatungsstelle x des Trägers Y in der Stadt A einfach nur: Drogenberatungsstellle eines großen, freien Wohlfahrtsverbandes in einer kleinen Stadt in Sachsen.)
Auch das sind für mich dann nur Anregungen. Ich werde alle Beispiele soweit verfremden, dass ein Rückschluss auf Träger, Ort, Personen oder Klienten nicht mehr möglich ist.

Es wäre toll, wenn ich von den Lesern dieses Blogs Unterstützung erhalten würde!!.

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