Praktikum ohne Vergütung

Die GEW und der DGB haben sich zum Thema der unbezahlten Praktika und geäußert und unterstützen eine Aktion streikender PraktikantInnen:

http://www.gew-berlin.de/19473.htm

http://www.dgb-jugend.de/studium/meldungen/wir_sind_mehr_wert

mehr zum Praktikanten-Streik

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Bundeskongress Soziale Arbeit VI

FORUM III 25. 9.09
SICHERHEIT

Von Gaby Flösser moderiert fanden zum 3. der zentralen Themen des Bundeskongresses – Sicherheit – drei  von einander unabhängige Referate statt, die jedes für sich gesehen und betrachtet werden müssen.
Besonders positiv ist mir das Referat von Walter Hanesch (Hochschule Darmstadt) aufgefallen, der sehr konsequent die Frage anging, ob Soziale Arbeit der Sozialpädagogik oder aber der Ordnungspolitik zugehörig ist. Letztlich ging es um die Frage, ob Soziale Arbeit sich vorrangig die Lebensbewältigung der Menschen verpflichtet fühlt oder ob  ihr Ziel und ihre Aufgabe darin bestehen,  Fehlverhalten zu strafen bzw. zu seiner Verhinderung und Verhütung beizutragen. Der Blickwinkel der Profession sei jeweils grundsätzlich ein anderer.
Leider sind meine Aufzeichnungen eher rudimentär, was aber nicht an dem dargebotenen Inhalten gelegen haben kann. Hier warte ich gespannt auf die Veröffentlichung der Texte vom Bundeskongress.

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Der Vortrag von Fabian Kessl befasste sich mit der gegenwärtigen Tendenz Sozialer Arbeit, sich ordnungspolitischen Erwartungen an die Profession anzuschmiegen bzw. sich ihrer Zielsetzung zu unterwerfen.  So stellte er unmissverständlich fest, dass z.B. die inzwischen übliche und als Vernetzungarbeit hoch gerühmte Zusammenarbeit Sozialer Arbeit mit der Polizei zum Verzicht auf die  eigenen sozialpädagogischen Ziele führen muss, weil die ordnungspolitischen Ziele in einer solchen Zusammenarbeit immer dominieren werden.
Einen Schock hat Fabian Kessl sicherlich manchem Zuhörer versetzt, als er erklärte, dass auch das so hoch gelobte und anerkannte Antiaggressionstraining, keine Sozialpädagogik, sondern eher eine Anleihe bei der Ordnungspolitik ist, wenn  Sanktionen und Strafen dabei eine wichtige Rolle spielen.

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Bundeskongress Soziale Arbeit V

ARBEITSGRUPPE II 25.9.09
KRITIK SOZIALER ARBEIT – KRITISCHE SOZIALE ARBEIT

Von dieser, von Helga Cremer-Schäfer und Fabian Kessl moderierten, Arbeitsgruppe hatte ich mir viel versprochen. Sowohl die Redaktion der Zeitschrift Widersprüche wie der Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit interessierten mich, fand ich doch dort in den letzten Jahren immer wieder Positionen, die mir vertraut waren und die mich überzeugen konnten.
Was dann aber „über die Bühne“ ging war leider aus verschiedenen Gründen eine herbe Enttäuschung. Leider.
Das Eingangsstatement von Frank Bettinger über die Lage in der Sozialen Arbeit und ihrer Wissenschaft war noch nachvollziehbar und machte für die Thematik einen Sinn.
Was die Leute da vorne dann aber im weiteren Verlauf ‚rüberbrachten war eigentlich nur eine Klage und vielleicht auch Selbstanklage: Als kritische WissenschaftlerInnen  versuchen sie, im bestehenden Betrieb und im  Kontext einer sich selber genügenden und dem Gesetz des „immer origineller werden Müssens“ unterworfenen Wissenschaft, kritische Beiträge zur Sozialen Arbeit zu leisten und haben dabei, wie sie selber sehen, einen zwiespältigen Erfolg. Sie sprachen vom „kalten Blick“ der Rationalität, den sie zwangsläufig entwickelten, von einer gewissen Gleichgültigkeit nach außen und von der „Versenkung ins Besondere“, die dieses der Wissenschaftsszene verhaftet Sein mit sich brächte. Sie beklagten diesen Zustand auf der einen Seite und klagten gleichzeitig selbstkritisch –  und wie mir schien ein wenig selbstgefällig – darüber, dass sie aus diesem Elfenbeinturm gar nicht heraus könnten, ja man hatte das Gefühl, auch nicht wirklich heraus wollten. elfenbeinturm_400.gif

Und genau diesen Zustand führten die Leute auf dem Podium dann befremdend deutlich dem Publikum vor Augen, in dem sie sich hemmungslos und gedankenlos einer  für viele der Anwesenden unverständlichen Fachsprache bedienten und untereinander Interna aus ihren bisherigen Diskussions- und Kooperationszusammenhängen andeuteten, die keiner verstehen konnte. Mit der Zeit bekam ich den fatalen Eindruck, dass sich vor uns Leute getroffen hatten, die oft mit einander diskutieren und heute, weil sie einmal so schön drin sind, eine ihrer Diskussionen einfach vor Publikum weiterführten, völlig selbstvergessen und selbst überschätzend, so als würden allein schon ihre Diskurse für ein interessiertes Publikum gewinnbringend sein.

Das war denn auch ziemlich frustriert und enttäuscht. Ein Teilnehmer meinte, er verstünde das alles nicht, er hätte geglaubt, hier etwas darüber zu erfahren, was kritische Soziale Arbeit sei und wie man kritischer Sozialer Arbeiter werden könne. Viele, besonders Studierenden, fühlten sich von dem Geschehen regelrecht verarscht – so zu vernehmen beim Verlassen des Saales.

Und da half es auch nichts, dass die Podiumsleute deutlich zu machen versuchten, dass – leider – die Kritik der Theorie und die der Praxis auseinander laufe und man es bisher nicht geschafft habe, diese Trennung zu überwinden. Was leider bewiesen wurde.
Nicht verstanden habe ich von vorneherein ohnehin, warum nur WissenschaftlerInnen auf dem Podium saßen und Vertreter von „Projekten und Initiativen einer kritischen Sozialen Arbeit“ nicht erkennbar waren.

Das Ergebnis dieser Arbeitsgruppe ging für mich nach hinten los: Sie vermittelte weder die Notwendigkeit kritischer Sozialer Wissenschaft und Arbeit noch machte sie dafür Mut und ganz sicher machte sie darauf keine Lust.

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Bundeskongress Soziale Arbeit IV

ARBEITSGRUPPE 4
WOHLFAHRTSPRODUKTION NACH DEM TOD DES SOZIALEN
Teil I

Diese Arbeitsgruppe hatte ich mir gezielt ausgesucht, weil ich die Personen einmal persönlich kennen lernen wollte, die sich hier als Moderatorin und als Input-GeberInnen ausgewiesen hatten. Zudem interessierte mich die Thematik, schien sie mir doch eine perfekte Ergänzung zum Vortrag von Winkler.

Zunächst erlitt ich einen ganz kleinen und ganz persönlichen Schock: Auf dem Podium saßen sie alle, die ich aus der Literatur gut kenne und schätze: Nadia Kutscher, Catrin Heite, Nina Oelkers, Karin Böllert und andere – viele andere: insgesamt 11 oder 12  Frauen nahmen das ellenlange Podium ein. Und alle erschienen mir mit meinen 61 Lenzen verdammt jung. Natürlich kam bei mir kopfseitig Freude auf: so viel qualifizierte Frauen und so viel kritische junge Leute!! Aber mein Bauch musste kurz einen gewissen Schock verkraften und mir fiel zum Trost spontan ein Foto von mir selber ein, auf dem ich mit meiner Doktor Mutter zu sehen bin im Jahre 1973 und wo ich , wie ich dann viele Jahre später erschrocken konstatierte, derartig jung aussah, dass man mir damals sicher nicht  viel und auch nicht die Trübung irgendwelcher Wässerchen zugetraut hätte ….

Die einzelnen Beträge waren zum Teil sehr gut und interessant.
Z.B. gefiel mir der Beitrag von Karin Böllert über das Thema Bildung besonders gut. 20080628_bildungspolitikegalitarismus.jpgSie dekodierte die derzeitigen  Absichten eines quantitativen Ausbaus der Bildung an ihren eigentlichen politischen Zielen: Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland, Befriedung der vorhandenen ökonomischen Interessen, Stärkung der individuellen Eigenverantwortung. Sie forderte dagegen:
– einen umfasssenden, nicht reduzierten Bildungsbegriff
– ein erweitertes Bildungsverständnis (Gleichrangigkeit von formeller und informeller Bildung)
– Institutionalisierung einer Vernetzung von Bildungsverantwortung
– Sicherung der Zukunftsfähigkeit und der Teilhabechancen aller.
Employabilität als Konzept und Zielsetzung eines Bildungsausbaus würde diesen Forderungen allerdings nicht gerecht.

Die Arbeitsgruppe als solche war dann allerdings leider doch nicht so ganz geglückt, finde ich. So richtig wurden die Zusammenhänge und Absichten der einzelnen Beiträge untereinander nicht deutlich. Und als ein Teilnehmer fragte: „O.k., aber wieso: „Tod des Sozialen“, wusste ich auch, warum. Was Michael Winkler am Morgen vorgetragen hatte, war eben doch nicht selbstverständliches Wissen und klare Erkenntnis bei allen TeilnehmerInnen des Kongresses. Das aber hatte man hier scheinbar vorausgesetzt und sich die Herstellung dieses Kontextes für das Arbeitsgruppenthema erspart. Schade eigentlich.

Ob der Eindruck auch am Nachmittag bei der Fortsetzung der Arbeitsgruppe noch in gleicher Weise bestanden hätte, kann ich nicht beurteilen, weil mich nachmittags eine andere Arbeitsgruppe mehr reizte.

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Bundeskongress Soziale Arbeit III

VORTRAG: Michael Winkler (25.9.09)
REPRESSIVE  SICHERHEIT –  SOZIALE ARBEIT UND DIE DUNKLE SEITE DER INKLUSION

Am ersten Morgen des Kongresses überraschte mich der Vortrag von Michael Winkler . Nicht, dass ich hier Unbekanntes zu hören bekommen hätte. Was er seinem Publikum mitteilte, ist sehr wohl bekannt. Aber dass es so offen und deutlich ausgesprochen wird, das ist durchaus nicht selbstverständlich.

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Michael Winkler kann sich mit der gegenwärtigen Sozialen Arbeit nicht mehr identifizieren, da sie zunehmend ein Instrument der Menschenbeherrschung geworden sei:

  • Sie diene sich mit ihrem Empowermentkonzept den herrschenden Kräften bereitwillig an und verdinge sich als Abrichterin in Sachen Employability.
  • Sie beteilige sich an einer Präventionspraxis, die Prävention als frühzeitige und nachhaltige Kontrolle und Verfügung über Menschen versteht und betrachte Familien als Risikofaktoren, die ständig überprüft werden müssen.
  • Sie stelle sich begeistert der Aufgabe, durch Messung, Evaluation, durch Klassifizierungen, Screenings, Scanning und Kontrolle an der Entscheidung mitzuwirken, wer als potentieller Störer gelten soll.
  • Da sie die Verantwortung eines jeden für sich selber als oberstes Ziel anerkenne, könne sie leichten Herzens ihre Aktivitäten im direkten Kontakt mit den Menschen zurückfahren und sich auf Sozialmanagement beschränken.
  • Dabei bemühe sie sich intensiv, alles zu vermeiden, was nach Diskriminierung klingt und bediene sich skrupellos der guten alten sozialpädagogischen Begriffe: Aktivierung, Hilfe zur Selbsthilfe, Partizipation, Empowerment, Sozialraumorientierung, all diese Begriffe würden zu Zombies in einer Sozialen Arbeit, die bereit sei, sich  missbrauchen zu lassen zur Eliminierung von  Verhalten, das aus Sicht der herrschenden Politik zu einer Belästigung werden könnte.

Michael Winkler distanzierte sich von einer Sozialen Arbeit, die  zur Durchsetzung einer bedrohlichen Konformität und  Repression der Menschen beiträgt. Er fragte sich, wie man verhindern könne, dass unsere Profession heute selber zum Täter wird.

Aber, so gab er zu bedenken, die Zeiten einer kritischen Sozialen Arbeit seien dahin. Die ökonomisierte Soziale Arbeit sei ein Bündnis mit den Medien und mit der Politik eingegangen. Seit sie von dort Anerkennung bekommen und quasi an der Macht geschnüffelt habe, blieben ethische Fragen zunehmend ausgeklammert und eine politisierte Entpolitisierung mache sich breit.  Da sie selber Mitinhaberin von Macht ist bzw. zu sein glaubt, sei grundlegende Kritik für sie mehr möglich. Kritik gelte vielmehr als Störung.
Und entsprechend ersetze nun Politik auch die Theorie: Die Ergebnisse der empirischen Sozialforschung gelten als Wahrheit. Theorie dagegen erscheint als Spekulation. Die gegebene Realität wird zum Maßstab der Praxis erklärt und die Profession begnügt sich mit partikularisiertem, positivistischem Wissen.
dieses Wissen allerdings, so Winkler, verdiene das Prädikat „Wissen“ nicht, da es weder nach Umständen noch nach Ursachen frage.
Bei all diesen Prozessen und Entwicklungen gehe laut Winkler die menschliche Qualität des Sozialen verloren.  Deshalb müsse eine Soziale Arbeit, die sich am Sozialen orientieren wolle,  wieder danach fragen, was Menschen brauchen und sich an der Ermöglichung von Leben, Selbstbestimmung und Gemeinsamkeit orientieren.

Der Vortrag von Winkler wurde von den Zuhörern konzentriert aufgenommen und es entstand eine ganz dichte Atmosphäre.
Wenn der Kongress danach zu Ende gewesen wäre, er hätte sich gelohnt.

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Bundeskongress Soziale Arbeit II

 SYMPOSIUM I am 1. Abend (24.9.09)       

Es ging um das Thema: Politik der Profession als Stärkung des Sozialen – Herausforderung und Verantwortung der Sozialen Arbeit als gesellschaftliche Aufgabe.

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Hans Uwe Otto hatte auf dem Plenum Vertreter der gewerkschaftlichen und berufsständigen Organisationen versammelt, die eine für ihn erkennbare Vertretungsposition der Profession Soziale Arbeit einnehmen: die beiden Gewerkschaften ver.di und GEW sowie den Berufsverband DBSH. Michael Leinenbach vertrat den DBSH, Norbert Hocke die GEW und Harald Giesecke die Gewerkschaft ver.di.
Hans Uwe Otto formulierte seine Erwartungen: Es ginge darum, dass hier echte Vertretungspositionen eingenommen würden und der Sozialen Arbeit als Sprachrohr dienten. Ziel sei es, dass Soziale Arbeit selber mitdefiniere und nicht weiter von außen definiert würde. Ferner sei es notwendig, dass sich Soziale Arbeit und ihre Vertreter in die aktuellen Debatten um sozialpolitische Fragen aus professionspolitischen Gründen einmische und am besten dabei  die Führungsrolle übernähme. Die Wohlfahrtsverbände könnten  dies nicht leisten, sind sie doch in diesem Prozess auf der Arbeitgeberseite und vertreten ihre eigenen Interessen.

Der derzeitige Zustand der Sozialen Arbeit wurde einvernehmlich kritisch gesehen. ZB. stellte man fest, dass aus einem Vollzeitberuf zunehmend ein Teilzeitberuf gemacht wird. Die derzeitige Zunahme von Stellen in der Sozialen Arbeit kommen zudem fast ausschließlich dem Kindertagesstättenbereich zugute (+3%). In der Jugendhilfe insgesamt gibt es ein „Wachstum“ von -2,1%, davon in der Jugendarbeit -28% und in der ambulanten Erziehungshilfe -12,5%. Kritisiert wurde, dass sich die Finanzierung z.B. auch in den Kindertagesstätten heute nicht mehr an den pädagogischen Notwendigkeiten, sondern bloß an der reinen Anwesenheit der Kinder aus. Das bedeutet, dass die Professionspolitik gegenwärtig unter einem reinen Finanzdiktat steht und nicht den Lebenslagen und Lebensbedürfnissen der Betroffenen entspricht. Es geht auch nach Meinung der gewerkschaftlichen und berufständigen Vertreter  darum, dass die Soziale Arbeit die Definitionsmacht über ihre eigene Arbeit zurückgewinnt.
Die von allen geforderte politische Einmischung der Sozialen Arbeit und ihrer Vertreter bezog sich  vor allem auf die Schaffung von Arbeitsbedingungen, die „eine gehaltvolle Arbeit möglich machen“. Der vielleicht von Hans-Uwe Otto oder auch von TeilnehmerInenn des Symposiums erhoffte politische Aufschrei erklang  moderat.

Der geringe Organisiertheitsgrad im Bereich der Sozialen Arbeit wurde allgemein bedauert. Der Vertreter der GEW stellte fest, dass es bisher nicht gelungen sei,  für diese und mit dieser Gruppe ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln . Die Existenz unterschiedlicher Träger (freier und öffentlicher) und Arbeitsfelder führe zu einem zunehmenden Splitting in der Branche. Hinzu komme, dass der kirchliche Bereich z.B. bei Tarifabschlüssen immer eigene Wege geht. Zudem gibt es eine Fülle verschiedener Verbände, Gruppierungen und Arbeitsgemeinschaften, die jeder für sich Aussagen zur Profession treffen (z.B. dv, AGJ).
Ideen, wie der Grad der Organisiertheit der Sozial Arbeitenden erhöht werden könnte, gab es kaum. Es entstand der Eindruck, dass in den Verbänden die Vorstellung vorherrscht, die interessierten Sozial Arbeitenden könnten und müssten  von selber an ihre möglichen Vertretungsorganisationen herantreten.  Man verwies auf Broschüren, Plattformen, Satzungen und Informationsmaterial. Der Vorschlag, sich in den Hochschulen vorzustellen, wurde wenig begrüßt, da man ja mit der Ausbildung selber nichts zu tun hätte.

 mein Kommentar:

Was die professionellen Sozial Arbeitenden heute brauchen würden, wäre ein gesellschaftlicher Ort und eine konkrete Gemeinschaft, in der sie ihre berufspolitischen und sozialpolitischen  Themen und Anliegen – unabhängig von Trägern, Arbeitgeber, Arbeitsfeldern und Zielgruppen – besprechen, diskutieren, hinterfragen dürfen,  wo sie die Gemeinsamkeiten ihrer Lage erkennen und Solidarität entwickeln können, wo politische Strategien erarbeitet werden und Ideen für Aktionen entstehen und wo sowohl politisches Bewusstsein als auch berufspolitisches Selbstbewusstsein wachsen kann.

Dieser gesellschaftliche Ort könnte jede der drei auf diesem Symposium vertretenen  Organisationen sein.  Es geht aber nicht darum, dass Funktionäre sich für die da unten ihre Köpfe zerbrechen und die  sich dann irgendwelche Dienstleistungen abholen. Eine neue Bewegung kann nur von unten, von der Basis ausgehen. In jeder Stadt könnte es solche Gruppen (von GEW, ver.di oder DBSH) geben, wo sich engagierte, kritische Sozial Arbeitende regelmäßig treffen und austauschen und wohin sich auch jeder wenden kann, wenn er mit Problemen im Zusammenhang  seiner Arbeit  konfrontiert ist, gegen die er oder sie als Einzelne nichts ausrichten können.
Und genau solche Gruppen könnten sehr wohl auch schon StudentInnen der älteren Semester aufnehmen. Denn die suchen  ganz dringend einen Identitätsort für ihre Professionalität , der sie beim Übergang in die Berufspraxis vor dem Schicksal bewahren kann,  alleine da zu stehen, sich zwangsläufig anpassen zu müssen und alles zu vergessen, was sie über die gegenwärtige Lage der Sozialen Arbeit begriffen haben.
Was von den VertreterInnen der Gewerkschaften und des Berufsverbandes dann aber erwartet würde, ist: Unterstützung dieser Gruppen in räumlicher, materieller Hinsicht, Einbindung in die Beziehungen und Weiterbildungsmöglichkeiten der Organisation, Unterstützung der Aktionen  und der entwickelten Forderungen und politische und rechtliche Rückendeckung!

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Bundeskongress Soziale Arbeit I

In Dortmund auf dem Campus der Universität hat vergangene Woche der 7. Bundeskongress Soziale Arbeit getagt. Dortmund hat man davon vermutlich nicht viel mitbekommen, denn genau an diesen Tagen war das Spiel Schalke 04 gegen Borrussia Dortmund das eigentliche Thema….

Für unsere Profession aber war diese Tagung wichtig und hat viele Anregungen gebracht, aber auch Einschätzungen ermöglicht über den gegenwärtigen Stand von Wissenschaft und Praxis im Feld Sozialer Arbeit.

Der Kongress tagte 3 Tage lang und umfasste eine Fülle Symposien, Foren, Vorträge und Arbeitsgruppen. Natürlich konnte ich mir wie jeder immer nur eine Veranstaltung gleichzeitig ansehen und habe mir so eine Interessen spezifische Schneise durch diese große und interessante Vielfalt an Angeboten geschlagen. Es waren weit über tausend TeilnehmerInnen da, viele junge Leute übrigens und das auch auf den Podien, nicht nur in den Zuhörerräumen. Von den Alten der Zunft waren viele anwesend, deren Namen man sonst nur auf den Buchumschlägen liest und mit deren Texten man sich in Seminaren herumschlägt. Manches Gesicht allerdings fehlte mir und ich habe mich gefragt, ob dieser Bundeskongress nicht von allen als abgemessenes Forum gesehen wird. Gerade diejenigen, die mit den heutigen Entwicklungen eher verharmlosend oder auch achselzuckend umgehen, waren nicht so reichlich vertreten.

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Ich möchte hier in meinem Blog in den folgenden Tagen ein paar Gedanken und Beobachtungen festhalten, die ich auf dem Kongress gemacht und mit nach Hause genommen habe.

Für heute lasse ich erst mal die Veranstalter zu Worte kommen:

„Gerechtigkeit, Verantwortung und Sicherheit gehören zu den zentralen ethischen Säulen demokratischer und sozialer Rechtsstaaten und sie bilden die Grundlage für Institutionen der Sozialen Arbeit ebenso wie für das sozial- und bildungspolitische Handeln.

Angesichts gesellschaftlicher Veränderungen, die Tendenzen zunehmender Spaltung und sozialen Ausschlusses offenbaren, ist die Soziale Arbeit aufgefordert, ihren Beitrag zu Programmen, Strategien und Maßnahmen der Bewältigung sozialer Risiken und Unsicherheiten zu benennen und weiterzuentwickeln. Die Interpretation der Leitbilder und Prinzipien der Sozialstaatlichkeit gehören dabei ebenso auf den Prüfstand wie die zur Verfügung stehenden Ressourcen zur Sicherung der individuellen Lebensführung.

Die Soziale Arbeit übernimmt Verantwortung sowohl für die aktive Gestaltung der Lebenslagen und lebensweltlichen Verhältnisse von Kindern, Jugendlichen, Familien, Erwachsenen und älteren Menschen als auch für die Beteiligung an dem Auf- und Umbau eines solidarischen Gemeinwesens, das die Menschenwürde achtet und die Selbstbestimmung des Einzelnen stärkt.

Damit begibt sie sich auf unsicheres Terrain. Die Zerreißproben individueller Lebensführung korrespondieren mit der Erosion bislang anerkannter gesellschaftlicher Normalitätserwartungen und zentraler sozialstaatlicher Leitideen, sie irritieren die Profession und provozieren eine konzeptionelle, theoretische und empirisch fundierte Weiterentwicklung der Konzeptionen Sozialer Arbeit. Das Ringen um die künftigen Ausprägungen von Gerechtigkeit (Verteilungs-, Leistungs-, Chancengerechtigkeit) und Sicherheit (soziale Sicherung, Handlungs- und Verfahrenssicherheit, soziale Kontrolle) wird zum Ausweis moderner Fachlichkeit. Herausgefordert wird die professionelle Identität aber auch durch Zumutungen und Erwartungen, die aus der Kooperation und Konkurrenz mit anderen Formen und Institutionen der Problembearbeitung (z. B. der Polizei/Justiz, des klassischen Bildungssystems oder der Medizin oder Psychologie) entstehen. Soziale Arbeit muss sich nicht nur angesichts gesellschaftlicher und kultureller Herausforderungen, sondern auch im Hinblick auf institutionelle Verstrickungen mit anderen Professionen und Handlungsorientierungen positionieren.

Der 7. Bundeskongress Soziale Arbeit diskutiert im Rahmen seiner Symposien, Foren und in den zahlreichen Arbeitsgruppen die aktuellen wissenschaftlichen und professionellen Erkenntnisse zu den gesellschaftlichen Entwicklungen und ihren berufspraktischen Konsequenzen. Im Zentrum stehen dabei soziale (Aus-)Schließungsprozesse und die öffentlichen, professionellen und privaten Reaktionsformen auf die so entstehenden Unsicherheiten. Die mit dem Bundeskongress entwickelte Expertise für die Soziale Arbeit eröffnet die Möglichkeiten einer kritischen Reflexion und Neujustierung in Verantwortung für das Soziale.

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zum herunterladen: Buch Praxisfeld Hilfe zur Erziehung

Da ich in der letzten Zeit immer wieder gefragt werde, wie man noch an mein Buch von 2001 kommen kann (Praxisfeld Hilfe zur Erziehung.  Fachlichkeit zwischen Lebensweltorientierung und Kindeswohl) habe ich mich entschlossen, es einfach der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es lässt sich über die unten angehängten Links Kapitel weise herunterladen.

Das Buch von 2001 hat mit meinem im Winter erscheinenden Schwarzbuch Soziale Arbeit 2010 nichts zu tun außer vielleicht, dass es geschrieben wurde in einer Zeit, wo ich noch glaubte, man könne den Zumutungen der Ökonomisierung und des aktivierenden Staates  einfach stur und störrisch die eigene Fachlichkeit entgegen halten.
Alles, was ich damals zur Hilfe zur Erziehung gesagt habe, würde ich heute genauso oder ganz ähnlich schreiben.
Eine Fachlichkeit, die konsequent nur auf inhaltliche und fachliche Aspekte schaut und sich von den Einschränkungen und Umsteuerungen der Ökonomisierung nicht irritieren lässt,  lässt sich nur dann durchsetzen, wenn sie die Auseinandersetzung offensiv aufnimmt und die Interessendifferenzen  zwischen der Profession Soziale Arbeit  und dem offiziellen Sozialmanagement nicht unter den Teppich kehrt. Aber das ist auch für mich erst in den letzten 5,6 Jahren wirklich klar geworden. Darum geht es im Schwarzbuch. Gerade die Hilfe zur Erziehung wird dort besonders intensiv behandelt.

Wer meint, dass es angebracht sei, etwas für die Onlineversion des Fachbuches zu bezahlen, kann mir eine beliebige Summe als Spende auf mein Konto 1373536 Sparkasse Jena 83053030 überweisen. Ich wäre nicht böse drum und könnte das zur Deckung der Summe nutzen, die ich für das Schwarzbuch ausgebe, damit das einen erschwinglichen Preis behalten wird (um die 20 Euro).

hilfe-zur-erziehung_inhalt_vorwort_einleitung.doc

hilfe-zur-erziehung_kapitel-1.doc

hilfe-zur-erziehung_kapitel-2.doc

hilfe-zur-erziehung_kapitel-3.doc

hilfe-zur-erziehung_kapitel-4.doc

hilfe-zur-erziehung_kapitel-5.doc

hilfe-zur-erziehung_kapitel-6.doc

hilfe-zur-erziehung_kapitel-7.doc

hilfe-zur-erziehung_kapitel-8.doc

hilfe-zur-erziehung_literatur_anhang.doc

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Schwarzbuch fertig

Die Windstille in meinem Blog war der letzten, anstrengenden Phase bei der Fertigstellung meines „Schwarzbuches Soziale Arbeit 2010″ geschuldet.

Nun ist es beim Verlag und ich starte in meinen Urlaub.

Das Buch wird Weihnachten oder spätestens im Januar im VS Verlag erscheinen. Das Buch ist – leider ?!? – ziemlich umfangreich geworden.  Um den Titel auch für Studierende erschwinglich zu machen, werde ich eine entsprechende Summe selber zusteuern.

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Bewältigungsstrategie 8: die ModernisierungsgewinnlerInnen

manager_apuwelein20081017202535.jpg       Das ist die lukrativste Bewältigungsstrategie :

„Für die neuen Eliten in der Sozialarbeit/Sozialpädagogik, die Manager, Planer, Geschäftsführer, New-Public-Artisten und neuen Steuerungs-Fetischisten, die gegenwärtig Erfolgreichen, die sich dem beruflichen Nachwuchs als Leitbilder präsentieren, scheint der Zug unwiderruflich in die ‚marktförmige Entwicklung’ der Sozialen Arbeit abgefahren zu sein (Kappeler 1999, S. 345).“

Für diese Gruppe stellt sich, wie White (2003, S. 433) es mit Blick auf die angelsächsische Szene formuliert, das Problem so: „Die weitere Existenz der Sozialen Arbeit hängt davon ab, ob es ihr gelingen wird, sich in Zukunft in neuer Form und so darzustellen, dass sie ihre Bedeutung für die Erreichung der Ziele nachweist, die der neue Managerialismus vorgibt“.

Müssen wir alle da mitmachen? Ich denke nein.


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