ein letztes Wort zum Bundeskongress VII

Nachdem ich verschiedentlich gehört habe, dass meine kritischen Beiträge eher den Eindruck erweckt haben, dass der Bundeskongress nicht so doll gewesen sei….

abschlussplenum.jpg Abschlussplenum

Das möchte ich doch ein wenig relativeren.

Es waren viele gekommen, viele Studierende auch und viele junge KollegInnen. Das allein ist schon mal sehr positiv. Die Vielfältigkeit der Angebote war beeindruckend und sicher auch produktiv. Die Organisation war gut (bis auf die unglaublich schlechte Ausschilderung auf dem Campus und in der Stadt). Es dürfte den meisten TeilnehmerInnen um Anregungen, Informationen, Kontakte gegangen sein. Das ist für einen Bundeskongress völlig in Ordnung und ich glaube, das hat er auch für  zur vollsten Zufriedenheit geleistet.

Natürlich gab es für mich auch unbefriedigende Aspekte:
Die so notwendige kritische Haltung zu den aktuellen Entwicklungen wurden von vielen ReferentInnen zwar durchaus thematisiert und deutlich gemacht. Der Vortrag von Winkler war dafür ein super Beispiel.  Am Schlussplenum konnte man verfolgen, welche Bedeutung der Kritik an den gegenwärtigen Prozessen von den PosiumsteilnehmerInnen zugewiesen wurde. Hier ging es um wichtige professionsinterne, zukunftsweisende Überlegungen und Anregungen:

  • um die Notwendigkeit, in der Profession ein gemeinsames Selbstverständnis aufzubauen, den gemeinsamen inneren Zusammenhang zu definieren (z.B. Theirsch, Rauschenbach),
  • um die Notwendigkeit der Profession Soziale Arbeit, ihre spezifische Identität und ihre spezifische Methodik der Unterstützung von Menschen in ihrer Lebensbewältigung nach außen selbstbewußter und klarer darzustellen (z.B. Thiersch),
  • um die Notwendigkeit, sich als Soziale Arbeit politisch zur allgemeinen Verzweckung von Bildung zu positionieren (z.B. Kutscher)
  • um die Verhinderung einer Reduktion der Qualitätsdebatte auf die Wirkungsebene (Merchel)
  • um die Stärkung des kritischen Bewusstseins der Sozialen Arbeit, selber nicht zur Marginalisierung der Risikokruppen beitragen zu wollen (Rauschenbach).

Und gleichzeitig wurde mir auch bei diesem Plenum wie im gesamten Verlaufe des Kongresses aber  klar, dass für die Mehrheit der KongressteilnehmerInnen die aktuellen Fragen zu unserer Professionspolitik und zur Veränderung des Selbstverständnisses und der ethischen Grundfragen unserer Profession in Zeiten der Ökonomisierung und der neosozialen Vorstellungen eines aktivierenden Staates, nicht wirklich wichtig und bestimmend oder zumindest vorrangig waren.  Mir scheint, dass die Tendenz, sich den neuen Entwicklungen zwar irgendwie kritisch aber eben doch bemüht konstruktiv und letztlich angepasst anzuschmiegen, den Mainstream in der gegenwärtigen Praxis wie in der Wissenschaft der Sozialen Arbeit bestimmt. Deutlich wurde das für mich z.B. auf dem Sozialpolitischen Forum mit VertreterInnen des DGB, des DBSH und sozialpolitischen KollegInnen aus Wissenschaft und Praxis. Die brennenden Themen wurden angesprochen und benannt. Die Beiträge waren zum Teil sehr interessaant und kritisch (z.B. der von Frau Spindler). Im Publikum gab es einige, die mehr wollten, als Statements und treffende Worte. Hans- Uwe Otto  engagierte sich aus dem Publikum heraus massiv. Aber dann ging die Veranstaltung ohne jede Konsequenz zu Ende. Keine Resolution wurde formuliert (wie macht man das eigentlich noch? Geht das denn noch 40 Jahre nach 1969?), kein gemeinsamens Statement der Profession an die Öffentlichkeit und/oder Politik schriftlich festgehalten, keine konkreten Schritte für eine Weiterarbeit in diese Richtung wurden vereinbart. Die allgemeine kritische Haltung mündete in achselzuckender , selbstzufriedener Resignation nach dem Motto: „Gut, dass wir mal darüber gesprochen haben“.

Deshalb möchte ich zum Ende meiner kritischen Bemerkungen über den Bundeskongress Soziale Arbeit  die Worte von Hans-Uwe Otto auf dem Abschlussplenum zitieren:
Wir sind in einer Gesellschaft angekommen, die eindeutig bestimmt, was wir nicht wollen„.
Wenn dem so ist, müsste mehr passieren in unseren Reihen.

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Was alles machen SozialarbeiterInnen mit?

Zugegeben, Herr Sarrazin ist kein Sozialarbeiter und auch keiner, der sie beschäftigt und bezahlt oder eben schlecht bezahlt….
Aber auch die offizielle Politik gibt Zunder:Kinder der Gebildeten fördern, ….

Zugegeben, noch klingen die Aussagen scheinbar harmlos, die in der gegenwärtigen Sozialen Arbeit dazu auffordern, „Spruch: ungleiche Behandlung, Erziehung der Unterschichten, …

Es sei aber daran erinnert, dass z.B. im Faschismus die Soziale Arbeit, damals „Fürsorge“, Schritt für Schritt und ohne nennenswerten Widerstand für die Euthanasie und die Rassenpolitik vereinnahmt wurde und sich aktiv daran beteiligt hat. Auch diese alle mussten ihre Brötchen verdienen.

Hierzu ein Zitat von C.W. Müller (2000):

„Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen in Gesundheitsämtern, Jugendämtern und Sozialämtern, Erzieherinnen und Pflegerinnen in geschlossenen und offenen Einrichtungen der Sozialen Arbeit und viele andere in Sozialen Berufen Tätige waren in das bürokratische System der Auslese, Aussonderung und Ausmerze von Trägern „unwerten Lebens“ eingebunden. Viele haben sich dagegen gewehrt und mussten für diese Gegenwehr bezahlen, viele haben stillschweigend geduldet und sind in die innere Emigration gegangen, viele haben, zum Teil aus Überzeugung, mitgemacht. …. Es geht mir … darum, das historische Bewusstsein wach zu halten, dass auch Vertreter einer moralischen Profession nicht gefeit sind gegen die Versuchung, die moralischen Prinzipien dieser Profession gegen ein antihumanes Gegenbild einzutauschen“.

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Plakat aus der NS-Zeit; Ausstellung  in Prora (Rügen)

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Ausgrenzung und mehr….

Wenn man sich die Argumente in der Politik und in der Öffentlichkeit anhört, wird immer wieder laut: „Wieso investieren wir in die Teile der Jugend, die es ohnehin nicht schaffen, bei den Regeln und Anforderungen unserer flexiblen Gesellschaft Schritt zu halten. Investieren wir doch besser in die Teile der Jugend, die auch etwas für sie leisten werden, in unsere Eliten, in die Besten, in die, die es geschafft haben und schaffen werden…..“
Oder: „Und wieso geben wir für Menschen Geld aus, die gar nichts leisten, die nur Kinder in die Welt setzten, die uns dann ebenfalls auf der Tasche liegen werden…“
Das kommt mir irgendwie bekannt vor.

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Das könnte z.B. unter diesem Bild stehen:

„Eine Einrichtung für sozial auffällige Jugendliche kostet genau so viel wie eine ganze Wohnsiedlung kosten würde. Wäre es nicht sinnvoller, dieses Geld in Familien zu investieren, die es schaffen, ihre Kinder so zu erziehen, dass sie nützliche Mitglieder unserer Gesellschaft werden, arbeiten und der Gesellschaft nicht auf die Tasche fallen . Wäre unser Geld so nicht besser angelegt?“

Das Foto stammt aber aus der Ausstellung aus Prora auf Rügen über die Sozialpolitik der Nazis und war bei den Nationalsozialisten folgender Maßen kommentiert:

erbkrankenazi.jpg

links heißt es:

„Erziehungsheim in E. für 130 Schwachsinnige; ‚Ausgaben jährlich rund 104 000 RM; dafür könnte man…“

rechts heißt es:

„17 Einfamilienhäuser für erbgesunde Arbeiterfamilien erstellen.“

Natürlich, das ist eine ganz andere Dimension – aber so ganz anders ist sie auch wieder nicht.

So fängt es vielleicht an. Der Geist ist fruchtbar noch (immer noch und wieder), aus dem das kroch…….

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Herr Sarrazin – geht uns seine Aussage was an?

Ich saß im Auto, als im Radio seine Äußerungen  zitiert wurden. Da war alles noch ganz frisch und der berichtende Journalist war herzerfrischend aufgebracht über die hetzerische und beleidigende Aussage eines unserer ziemlich weit oben stehenden Leistungsträger.

…     img_4_3_220_integration.jpg

Die Aufregung insgesamt hielt sich in den nächsten Tagen allerdings in Grenzen. Am Wochenende sah ich dann eine Reportage – weiß leider nicht mehr genau wann und wo – in der sich Berliner Bevölkerung zur Sache äußerte. Seit dem ist mir klar, wieso Herr Sarrazin so etwas ohne wirkliche Folgen  sagen konnte: Er spricht einem großen Teil unserer Bevölkerung aus dem Herzen. Eine Frau kam in dieser Reportage auf den Punkt: „Der hat endlich mal laut gesagt, was Sache ist. Man traut sich ja gar nicht mehr, wirklich seine Meinung zu sagen!“  Herr Sarrazin hat hier einfach nur dem Volke seine Stimme geliehen: ‚Endlich kann man mal wieder laut sagen, was man eigentlich von diesem Gesocks denkt! Am besten gehen sie eben dahin, wo sie herkommen!‘
Da ist also ein Damm eingerissen worden, der ohnehin schon ziemlich löcherig war: die Toleranz gegenüber Mitmenschen anderer Kulturen, anderer Glaubensgemeinschaften, anderer Rassen und Nationen.

Ein paar Gedanken:

  • Die beleidigende Schelte des Herrn Sarrazin wird interessanter Weise nur  als Kritik an mangelnder Integration der MigrantInnen diskutiert. Die eigentlichen diskriminierenden und volksverhetzenden, antimuslimischen  und ausländerfeindlichen Aussagen werden dabei nicht weiter erwähnt. Ich halte die gesamte Aussage Sarrazin’s tatsächlich für faschistoid. Letztlich muss man seine Aussage so verstehen: ‚Wir Deutschen sind  besser, leistungsfähiger, wertvoller, sowieso fleißiger. Die anderen taugen nichts, führen ein parasitäres Leben in unserem Land und auf Kosten unserer sozialen Netze. Sie haben hier nichts zu suchen.‘
  • Ganz abgesehen davon, dass Integration in der öffentlichen Diskussion um Sarrazin’s Äußerung als reine Anpassung und Assimilisation verstanden wird und die Versuche der Erhaltung der eigenen kulturellen Identität beargwöhnt, diskriminiert und torpediert werden, handelt es sich bei dieser ganzen Blase von Haltungen und zustimmenden Reaktionen, bei dem mit ausgestrecktem Finger auf die „unmöglichen Verhältnisse“ z.B. in Neukölln gezeigt wird und man sich entsetzt über die Lebensverhältnisse der ausländischen Familien, um eine Fortsetzung der bekannten Unterschichten-Schelte, die den Menschen am Rande der Gesellschaft ihre Lebenssituation als selber verschuldet und als schmarotzerhaft und als tadelnswert anlastet.
  • Nur: Die Schelte der Migranten-Unterschichten unserer Gesellschaft hat einen feinen Vorteil: Die Menschen, denen es dank Finanz- und Wirtschaftskrise jetzt schon und bald noch mehr an den eigenen Kragen geht, haben nun ein Negativ-Modell, an dem sie sich abarbeiten können. Sie können sich von denen da absetzen und sich daran hochziehen, dass es eben Menschen gibt, die noch verachtenswerter sind und sie haben endlich auch jemanden, den sie schuldig  sprechen können.
  • So aber werden nicht nur Feindbilder aufgebaut. So wird nicht nur von den wirklichen Verursachern gesellschaftlicher Krisen abgelenkt, so werden nicht nur einmal mehr, menschliche Problemlagen ihrer gesellschaftlichen Hintergründe beraubt und den Betroffenen einfach selber angelastet:
  •  So baut man außerdem ganz offen am Stoff für die nächsten Pogrome.
  • Wenn man den deutschen Michel danach fragt, was denn eigentlich Faschismus sei, wird er was von Judenverfolgung sagen. Und während in unserem Lande die große Mehrheit  darum bemüht ist, sich auf keinen Fall eines Antisemitismus verdächtig zu machen und sich deshalb politisch auf der richtigen, der toleranten und demokratischen  Seite wähnt, wächst auch bei ganz ’normalen Leuten‘, die  sicher nicht mit neofaschistischen Organisationen in Verbindung gebracht werden können, die Fremdenfeindlichkeit gegenüber Muslimen hemmungslos und offenbar aus tiefster Seele heran. Und ein Herr Sarrazin spricht eben nur aus, was so viele denken.
  • Da entsteht unter unser aller Augen ein neuer, alltäglicher Rassismus und Faschismus.
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geplante Podiumsdiskussion in der FH Jena

Auf dem Bundeskongress in Dortmund entstand die Idee, die schon lange angedachte Infoveranstaltung mit ver.di-, GEW- und DBSH- VertreterInnen auf dem Podium in diesem Semester in die Tat umzusetzen. Gedacht ist an eine Veranstaltung vielleicht im Januar für die gesamte Studentenschaft des Studienganges Soziale Arbeit.

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Meine Bemühungen, Kontakt zu diesen Organisationen herzustellen war nicht so sonderlich erfolgreich. Deshalb müssen wir uns wohl gemeinsam dahinter klemmen. Für ein Vorbereitungstreffen, habe ich heute die Einladung verschickt:

Liebe TeilnehmerInnen unserer Zukunftswerkstatt im letzten Wintersemester,

der Gedanke, in der FH eine Veranstaltung mit den für Soziale Arbeit zuständigen Gewerkschaften und dem Berufsverband durchzuführen, ist ja in unseren Diskussionen letztes Jahr verschiedentlich laut geworden. Es sollte darum gehen, die Studentenschaft über Möglichkeiten der gewerkschaftlichen und/oder berufsständigen Organisationen zu informieren und gemeinsam darüber zu diskutieren, wie man als SozialarbeiterInnen gemeinsam politisch und fachlich handeln und sich gegenseitig stützen und informieren kann.
Ich habe in den Semesterferien mit dem Vertreter vom DBSH Kontakt aufgenommen, der sich auch bereit erklärt, hat zu kommen. Bislang ist es aber noch zu keiner klaren Absprache gekommen. Die GewerkschaftsvertreterInnen haben leider bis heute beide nicht auf meine mail vom Juli geantwortet. Wie es scheint, haben diese Organisationen kein so ganz großes Bedürfnis, sich in Hochschulen bei noch nicht im Berufsleben stehenden Leuten blicken zu lassen. Mein Eindruck aber ist, dass es für Sie als noch Studierende gerade jetzt wichtig wäre, entsprechende Informationen zu erhalten, um sich für später orientieren zu können.
Das Ganze war auch Thema auf dem Bundeskongress Soziale Arbeit in Dortmund, auf dem ja einige von Ihnen waren und wo wir gemeinsam überlegt haben, was wir in dieser Sache tun könnten.
Unsere Idee war, dass sich alle Interessierten, die so eine Veranstaltung wollen und die sich bereit erklären, auch etwas dafür zu tun, erst einmal treffen. Es ist ja einiges vorher zu tun. Z.B. müssen wir den lieben KollegInnen von ver.di, GEW und DBSH solange auf die Füße treten, bis wir sie auf dem Podium versammelt haben. Außerdem müsste die Diskussion inhaltlich vorbereitet und vor allem dafür vorher ordentlich Werbung gemacht und informiert werden.
Ich denke, dass wir ProfessorInnen der Fachgruppe natürlich mitmachen, dass aber unbedingt auch Sie als Studierende selber aktiv werden sollten und das sicher auch möchten.
Deshalb lade ich Sie herzlich zu einem Vorbereitungstreffen in dieser Sache am Mittwoch den 4.11. 2009 in den Raum 33 ein.
Dort könnten wir uns über das Konzept und eine brauchbare Arbeitsteilung verständigen.

Liebe Grüße!

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Praktikum ohne Vergütung

Die GEW und der DGB haben sich zum Thema der unbezahlten Praktika und geäußert und unterstützen eine Aktion streikender PraktikantInnen:

http://www.gew-berlin.de/19473.htm

http://www.dgb-jugend.de/studium/meldungen/wir_sind_mehr_wert

mehr zum Praktikanten-Streik

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Bundeskongress Soziale Arbeit VI

FORUM III 25. 9.09
SICHERHEIT

Von Gaby Flösser moderiert fanden zum 3. der zentralen Themen des Bundeskongresses – Sicherheit – drei  von einander unabhängige Referate statt, die jedes für sich gesehen und betrachtet werden müssen.
Besonders positiv ist mir das Referat von Walter Hanesch (Hochschule Darmstadt) aufgefallen, der sehr konsequent die Frage anging, ob Soziale Arbeit der Sozialpädagogik oder aber der Ordnungspolitik zugehörig ist. Letztlich ging es um die Frage, ob Soziale Arbeit sich vorrangig die Lebensbewältigung der Menschen verpflichtet fühlt oder ob  ihr Ziel und ihre Aufgabe darin bestehen,  Fehlverhalten zu strafen bzw. zu seiner Verhinderung und Verhütung beizutragen. Der Blickwinkel der Profession sei jeweils grundsätzlich ein anderer.
Leider sind meine Aufzeichnungen eher rudimentär, was aber nicht an dem dargebotenen Inhalten gelegen haben kann. Hier warte ich gespannt auf die Veröffentlichung der Texte vom Bundeskongress.

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Der Vortrag von Fabian Kessl befasste sich mit der gegenwärtigen Tendenz Sozialer Arbeit, sich ordnungspolitischen Erwartungen an die Profession anzuschmiegen bzw. sich ihrer Zielsetzung zu unterwerfen.  So stellte er unmissverständlich fest, dass z.B. die inzwischen übliche und als Vernetzungarbeit hoch gerühmte Zusammenarbeit Sozialer Arbeit mit der Polizei zum Verzicht auf die  eigenen sozialpädagogischen Ziele führen muss, weil die ordnungspolitischen Ziele in einer solchen Zusammenarbeit immer dominieren werden.
Einen Schock hat Fabian Kessl sicherlich manchem Zuhörer versetzt, als er erklärte, dass auch das so hoch gelobte und anerkannte Antiaggressionstraining, keine Sozialpädagogik, sondern eher eine Anleihe bei der Ordnungspolitik ist, wenn  Sanktionen und Strafen dabei eine wichtige Rolle spielen.

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Bundeskongress Soziale Arbeit V

ARBEITSGRUPPE II 25.9.09
KRITIK SOZIALER ARBEIT – KRITISCHE SOZIALE ARBEIT

Von dieser, von Helga Cremer-Schäfer und Fabian Kessl moderierten, Arbeitsgruppe hatte ich mir viel versprochen. Sowohl die Redaktion der Zeitschrift Widersprüche wie der Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit interessierten mich, fand ich doch dort in den letzten Jahren immer wieder Positionen, die mir vertraut waren und die mich überzeugen konnten.
Was dann aber „über die Bühne“ ging war leider aus verschiedenen Gründen eine herbe Enttäuschung. Leider.
Das Eingangsstatement von Frank Bettinger über die Lage in der Sozialen Arbeit und ihrer Wissenschaft war noch nachvollziehbar und machte für die Thematik einen Sinn.
Was die Leute da vorne dann aber im weiteren Verlauf ‚rüberbrachten war eigentlich nur eine Klage und vielleicht auch Selbstanklage: Als kritische WissenschaftlerInnen  versuchen sie, im bestehenden Betrieb und im  Kontext einer sich selber genügenden und dem Gesetz des „immer origineller werden Müssens“ unterworfenen Wissenschaft, kritische Beiträge zur Sozialen Arbeit zu leisten und haben dabei, wie sie selber sehen, einen zwiespältigen Erfolg. Sie sprachen vom „kalten Blick“ der Rationalität, den sie zwangsläufig entwickelten, von einer gewissen Gleichgültigkeit nach außen und von der „Versenkung ins Besondere“, die dieses der Wissenschaftsszene verhaftet Sein mit sich brächte. Sie beklagten diesen Zustand auf der einen Seite und klagten gleichzeitig selbstkritisch –  und wie mir schien ein wenig selbstgefällig – darüber, dass sie aus diesem Elfenbeinturm gar nicht heraus könnten, ja man hatte das Gefühl, auch nicht wirklich heraus wollten. elfenbeinturm_400.gif

Und genau diesen Zustand führten die Leute auf dem Podium dann befremdend deutlich dem Publikum vor Augen, in dem sie sich hemmungslos und gedankenlos einer  für viele der Anwesenden unverständlichen Fachsprache bedienten und untereinander Interna aus ihren bisherigen Diskussions- und Kooperationszusammenhängen andeuteten, die keiner verstehen konnte. Mit der Zeit bekam ich den fatalen Eindruck, dass sich vor uns Leute getroffen hatten, die oft mit einander diskutieren und heute, weil sie einmal so schön drin sind, eine ihrer Diskussionen einfach vor Publikum weiterführten, völlig selbstvergessen und selbst überschätzend, so als würden allein schon ihre Diskurse für ein interessiertes Publikum gewinnbringend sein.

Das war denn auch ziemlich frustriert und enttäuscht. Ein Teilnehmer meinte, er verstünde das alles nicht, er hätte geglaubt, hier etwas darüber zu erfahren, was kritische Soziale Arbeit sei und wie man kritischer Sozialer Arbeiter werden könne. Viele, besonders Studierenden, fühlten sich von dem Geschehen regelrecht verarscht – so zu vernehmen beim Verlassen des Saales.

Und da half es auch nichts, dass die Podiumsleute deutlich zu machen versuchten, dass – leider – die Kritik der Theorie und die der Praxis auseinander laufe und man es bisher nicht geschafft habe, diese Trennung zu überwinden. Was leider bewiesen wurde.
Nicht verstanden habe ich von vorneherein ohnehin, warum nur WissenschaftlerInnen auf dem Podium saßen und Vertreter von „Projekten und Initiativen einer kritischen Sozialen Arbeit“ nicht erkennbar waren.

Das Ergebnis dieser Arbeitsgruppe ging für mich nach hinten los: Sie vermittelte weder die Notwendigkeit kritischer Sozialer Wissenschaft und Arbeit noch machte sie dafür Mut und ganz sicher machte sie darauf keine Lust.

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Bundeskongress Soziale Arbeit IV

ARBEITSGRUPPE 4
WOHLFAHRTSPRODUKTION NACH DEM TOD DES SOZIALEN
Teil I

Diese Arbeitsgruppe hatte ich mir gezielt ausgesucht, weil ich die Personen einmal persönlich kennen lernen wollte, die sich hier als Moderatorin und als Input-GeberInnen ausgewiesen hatten. Zudem interessierte mich die Thematik, schien sie mir doch eine perfekte Ergänzung zum Vortrag von Winkler.

Zunächst erlitt ich einen ganz kleinen und ganz persönlichen Schock: Auf dem Podium saßen sie alle, die ich aus der Literatur gut kenne und schätze: Nadia Kutscher, Catrin Heite, Nina Oelkers, Karin Böllert und andere – viele andere: insgesamt 11 oder 12  Frauen nahmen das ellenlange Podium ein. Und alle erschienen mir mit meinen 61 Lenzen verdammt jung. Natürlich kam bei mir kopfseitig Freude auf: so viel qualifizierte Frauen und so viel kritische junge Leute!! Aber mein Bauch musste kurz einen gewissen Schock verkraften und mir fiel zum Trost spontan ein Foto von mir selber ein, auf dem ich mit meiner Doktor Mutter zu sehen bin im Jahre 1973 und wo ich , wie ich dann viele Jahre später erschrocken konstatierte, derartig jung aussah, dass man mir damals sicher nicht  viel und auch nicht die Trübung irgendwelcher Wässerchen zugetraut hätte ….

Die einzelnen Beträge waren zum Teil sehr gut und interessant.
Z.B. gefiel mir der Beitrag von Karin Böllert über das Thema Bildung besonders gut. 20080628_bildungspolitikegalitarismus.jpgSie dekodierte die derzeitigen  Absichten eines quantitativen Ausbaus der Bildung an ihren eigentlichen politischen Zielen: Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland, Befriedung der vorhandenen ökonomischen Interessen, Stärkung der individuellen Eigenverantwortung. Sie forderte dagegen:
– einen umfasssenden, nicht reduzierten Bildungsbegriff
– ein erweitertes Bildungsverständnis (Gleichrangigkeit von formeller und informeller Bildung)
– Institutionalisierung einer Vernetzung von Bildungsverantwortung
– Sicherung der Zukunftsfähigkeit und der Teilhabechancen aller.
Employabilität als Konzept und Zielsetzung eines Bildungsausbaus würde diesen Forderungen allerdings nicht gerecht.

Die Arbeitsgruppe als solche war dann allerdings leider doch nicht so ganz geglückt, finde ich. So richtig wurden die Zusammenhänge und Absichten der einzelnen Beiträge untereinander nicht deutlich. Und als ein Teilnehmer fragte: „O.k., aber wieso: „Tod des Sozialen“, wusste ich auch, warum. Was Michael Winkler am Morgen vorgetragen hatte, war eben doch nicht selbstverständliches Wissen und klare Erkenntnis bei allen TeilnehmerInnen des Kongresses. Das aber hatte man hier scheinbar vorausgesetzt und sich die Herstellung dieses Kontextes für das Arbeitsgruppenthema erspart. Schade eigentlich.

Ob der Eindruck auch am Nachmittag bei der Fortsetzung der Arbeitsgruppe noch in gleicher Weise bestanden hätte, kann ich nicht beurteilen, weil mich nachmittags eine andere Arbeitsgruppe mehr reizte.

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Bundeskongress Soziale Arbeit III

VORTRAG: Michael Winkler (25.9.09)
REPRESSIVE  SICHERHEIT –  SOZIALE ARBEIT UND DIE DUNKLE SEITE DER INKLUSION

Am ersten Morgen des Kongresses überraschte mich der Vortrag von Michael Winkler . Nicht, dass ich hier Unbekanntes zu hören bekommen hätte. Was er seinem Publikum mitteilte, ist sehr wohl bekannt. Aber dass es so offen und deutlich ausgesprochen wird, das ist durchaus nicht selbstverständlich.

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Michael Winkler kann sich mit der gegenwärtigen Sozialen Arbeit nicht mehr identifizieren, da sie zunehmend ein Instrument der Menschenbeherrschung geworden sei:

  • Sie diene sich mit ihrem Empowermentkonzept den herrschenden Kräften bereitwillig an und verdinge sich als Abrichterin in Sachen Employability.
  • Sie beteilige sich an einer Präventionspraxis, die Prävention als frühzeitige und nachhaltige Kontrolle und Verfügung über Menschen versteht und betrachte Familien als Risikofaktoren, die ständig überprüft werden müssen.
  • Sie stelle sich begeistert der Aufgabe, durch Messung, Evaluation, durch Klassifizierungen, Screenings, Scanning und Kontrolle an der Entscheidung mitzuwirken, wer als potentieller Störer gelten soll.
  • Da sie die Verantwortung eines jeden für sich selber als oberstes Ziel anerkenne, könne sie leichten Herzens ihre Aktivitäten im direkten Kontakt mit den Menschen zurückfahren und sich auf Sozialmanagement beschränken.
  • Dabei bemühe sie sich intensiv, alles zu vermeiden, was nach Diskriminierung klingt und bediene sich skrupellos der guten alten sozialpädagogischen Begriffe: Aktivierung, Hilfe zur Selbsthilfe, Partizipation, Empowerment, Sozialraumorientierung, all diese Begriffe würden zu Zombies in einer Sozialen Arbeit, die bereit sei, sich  missbrauchen zu lassen zur Eliminierung von  Verhalten, das aus Sicht der herrschenden Politik zu einer Belästigung werden könnte.

Michael Winkler distanzierte sich von einer Sozialen Arbeit, die  zur Durchsetzung einer bedrohlichen Konformität und  Repression der Menschen beiträgt. Er fragte sich, wie man verhindern könne, dass unsere Profession heute selber zum Täter wird.

Aber, so gab er zu bedenken, die Zeiten einer kritischen Sozialen Arbeit seien dahin. Die ökonomisierte Soziale Arbeit sei ein Bündnis mit den Medien und mit der Politik eingegangen. Seit sie von dort Anerkennung bekommen und quasi an der Macht geschnüffelt habe, blieben ethische Fragen zunehmend ausgeklammert und eine politisierte Entpolitisierung mache sich breit.  Da sie selber Mitinhaberin von Macht ist bzw. zu sein glaubt, sei grundlegende Kritik für sie mehr möglich. Kritik gelte vielmehr als Störung.
Und entsprechend ersetze nun Politik auch die Theorie: Die Ergebnisse der empirischen Sozialforschung gelten als Wahrheit. Theorie dagegen erscheint als Spekulation. Die gegebene Realität wird zum Maßstab der Praxis erklärt und die Profession begnügt sich mit partikularisiertem, positivistischem Wissen.
dieses Wissen allerdings, so Winkler, verdiene das Prädikat „Wissen“ nicht, da es weder nach Umständen noch nach Ursachen frage.
Bei all diesen Prozessen und Entwicklungen gehe laut Winkler die menschliche Qualität des Sozialen verloren.  Deshalb müsse eine Soziale Arbeit, die sich am Sozialen orientieren wolle,  wieder danach fragen, was Menschen brauchen und sich an der Ermöglichung von Leben, Selbstbestimmung und Gemeinsamkeit orientieren.

Der Vortrag von Winkler wurde von den Zuhörern konzentriert aufgenommen und es entstand eine ganz dichte Atmosphäre.
Wenn der Kongress danach zu Ende gewesen wäre, er hätte sich gelohnt.

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